Einstweilige Anordnung auf Erteilung einer Verlassenserlaubnis zum Besuch des minderjährigen Kindes. Der Streitwert wird in Höhe des Auffangstreitwerts von 5.000 EUR festgesetzt, welcher wegen Vorwegnahme der Hauptsache im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ausnahmsweise hier nicht einer Halbierung unterliegt.
[...]
Dem Antragsteller steht ein durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenüber der Antragsgegnerin zu sichernder Anspruch auf Erteilung einer Verlassenserlaubnis nach § 12 Abs. 5 Satz 1 und 2 AufenthG zu. Im Ergebnis der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage spricht Überwiegendes dafür, dass die Antragsgegnerin die begehrte Verlassenserlaubnis zu Unrecht verweigert hat.
Nach § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist der Aufenthalt eines vollziehbar ausreisepflichtigon Ausländers räumlich auf das Gebiet des Landes beschränkt. Die Ausländerbehörde, die die Aussetzung der Vollziehung der Abschiebung gewährt hat, kann nach § 12 Abs. 5 Satz 1 AufenthG denn Ausländer das Verlassen des auf der Grundlage dieses Gesetzes beschränkten Aufenthaltsbereichs erlauben. Gemäß § 12 Abs. 5 Satz 2 AufenthG ist die Erlaubnis zu erteilen, wenn hieran ein dringendes öffentliches Interesse besteht, zwingende Gründe es erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde.
Nach der erkennbaren Lage der Dinge ist hier davon auszugehen, dass ein "zwingender Grund" im Sinne von § 12 Abs. 5 Satz 2 AufenthG vorliegt. [...] Bei ausländerrechtlichen Entscheidungen, bei denen das elterliche Sorgerecht eine Rolle spielt, ist das Wohl des Kindes in den Blick zu nehmen. Das Kind ist in diesem Zusammenhang nicht nur Objekt der elterlichen Sorge, vielmehr dient die elterliche Sorge der Eltern den wesentlichen Bedürfnissen des Kindes. Dabei ist davon auszugehen, dass auch der persönliche Kontakt des Kindes zum getrennt lebenden, jedoch sorgeberechtigten Elternteil und der damit verbundene Aufbau und die Kontinuität emotionaler Bindungen zu diesem Elternteil in aller Regel der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes dient und das Kind beide Elternteile braucht. Gerade bei einem kleinen Kind schreitet im Übrigen die Entwicklung sehr schnell voran, so dass schon eine verhältnismäßig kurze Trennungszeit im Lichte von Art. 6 Abs. 2 GG unzumutbar lang sein kann. Diese verfassungs- und familienrechtlichen Vorgaben dürfen auch bei der Entscheidung über die Erteilung einer Verlassenserlaubnis nach § 12 Abs. 5 AufenthG nicht außer Betracht bleiben.
Bei Anlegung des dargestellten Maßstabs und in Anbetracht des Umstandes, dass der Antragsteller sein Kind, für das er sorgeberechtigt ist, offenbar zuletzt im Mai 2011 besucht hat, spricht vieles dafür, dass eine Verlassenserlaubnis für einige Tage im Juni 2011 hätte erteilt werden müssen. Die von der Antragsgegnerin angerührten vermeintlich gegen eine solche Erlaubnis sprechenden Gründe überzeugen demgegenüber nicht.
Soweit es die zurückliegenden Vorfälle häuslicher Gewalt anbetrifft, liegen diese vor den erlaubten Besuchen im April und Mai 2011. Insbesondere die Verlassenserlaubnis im Mai wurde nach Aktenlage in Kenntnis der wesentlichen Umstände zu den früheren Vorfällen erteilt. Der Antragsteller hat von einer Versöhnung mit der Kindesmutter berichtet. Die erlaubten Besuche im April und Mai verliefen nach seinem Vorbringen ohne weitere Vorkommnisse. [...] Es liegen insbesondere keine greifbaren Anhaltspunkte dafür vor, dass der schriftlich dokumentierte Wille der Kindesmutter nicht deren tatsächlichem und freiem Willen entspricht. Auch sonst hat die Antragsgegnerin nichts Durchgreifendes vorgebracht, was geeignet wäre, dem Antragsteller einen "zwingenden Grund" im Sinne von § 12 Abs. 5 Satz 2 AufenthG, bei dessen Vorliegen die Erlaubnis zu erteilen "ist", im Hinblick auf sein Recht und seine Pflicht, die elterliche Sorge für sein Kind auch vor Ort auszuüben (Art. 6 GG) rechtsfehlerfrei abzusprechen.
Dem von dem Antragsteller glaubhaft gemachten Anordnungsanspruch gegenüber der Antragsgegnerin steht auch der erforderliche Anordnungsgrund zur Seite.
Der Anordnungsgrund ergibt sich daraus, dass der Antragsteller letztmalig im Mali 2011 sein Kind, für das er sorgeberechtigt ist, besuchen konnte. Wie bereits dargelegt, schreitet gerade bei einem kleinen Kind die Entwicklung sehr schnell voran, so dass schon eine verhältnismäßig kurze Trennungszeit im Lichte von Art. 6 Abs. 2 GG unzumutbar lang sein kann.
Mit dem Erlass der einstweiligen Anordnung wird auch keine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache bewirkt. Dem Wesen und Zweck einer einstweiligen Anordnung entsprechend kann das Verwaltungsgericht zwar grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und einem Antragsteller nicht schon in vollem Umfang das gewähren, was er nur in einem Hauptsacheverfahren erreichen könnte. Das grundsätzliche Verbot einer Vorwegnahme der Hauptsache gilt allerdings dann nicht, wenn eine bestimmte Regelung zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, das heißt wenn die sonst zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller unzumutbar und im Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in Hauptsache spricht.
Dies zugrunde gelegt, ist die Vorwegnahme der Hauptsache ausnahmsweise im Hinblick auf das Gebot, effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 (GG) zulässig. In Ansehung des aus den dargelegten Gründen sehr wahrscheinlichen Erfolg in der Hauptsache und der anzunehmenden Dauer des Hauptsacheverfahrens (einschließlich verwaltungsgerichtlichen Klageverfahrens) kommt nur unmittelbar die Anordnung der Erteilung der Verlassenserlaubnis in Frage, um einen zeitnahen erneuten persönlichen Kontakt des Antragstellers zu seinem Kind und den damit verbundenen Aufbau und die Kontinuität emotionaler Bindungen zwischen Vater und Kind zur Förderung der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes zu ermöglichen, wobei eine Konkretisierung des Zeitraumes durch den Antragsteller und die vom Gericht festgelegte Dauer in Orientierung an die bisher erteilten Erlaubnisse unter Beachtung aller erkennbaren Umstände sinnvoll und angemessen erscheinen. Anderenfalls wäre unter besonderer Berücksichtigung der angesprochenen zeitlichen Komponente im Falle der Trennung eines Kleinkindes von einem Elternteil eine die Elternrechte des Antragstellers verletzende und auch für die Entwicklung und das Wohl des Kindes schädliche Entfremdung des Kindes von dem Antragsteller zu besorgen.
Die Antragsgegnerin hat als Unterlegene gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 und 2, 53 Abs. 2 Nr. 1, 63 Abs. 2 Satz 1 GKG, wobei das Gericht für das von dem Antragsteller verfolgte Begehren von dem im Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwert in Höhe des sog. Auffangstreitwertes von 5.000,- Euro ausgeht, welcher wegen Vorwegnahme der Hauptsache im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ausnahmsweise hier nicht einer Halbierung unterliegt. [...]