LG Landshut

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Zitieren als:
LG Landshut, Beschluss vom 01.09.2011 - 62 T 1528/11 - asyl.net: M18971
https://www.asyl.net/rsdb/M18971
Leitsatz:

1. Rechtmäßige Abschiebungshaft für Staatsangehörigen von Côte d'Ivoire, der nach unerlaubter Einreise aus Griechenland bei einer lageabhängigen Kontrolle der Bundespolizei am Flughafen München festgenommen wurde. Die Haftentlassung erfolgte lediglich, weil das BAMF nicht innerhalb der Frist des § 14 Abs. 3 AsylVfG über den Asylantrag entschieden hatte.

2. Auch der Umstand, dass im Freistaat Bayern keine gesonderten Anstalten für Abschiebungs- bzw. Zurückschiebungshäftlinge bestehen, macht den Vollzug der Zurückschiebungshaft nicht unverhältnismäßig oder gar rechtswidrig. Sofern spezielle Hafteinrichtungen in einem Land nicht vorhanden sind, ist es grundsätzlich ausreichend, wenn die Abschiebungsgefangenen getrennt von den Strafgefangenen untergebracht werden.

Schlagwörter: Abschiebungshaft, Zurückschiebungshaft, Dublin II-VO, unerlaubte Einreise, Entziehungsabsicht, Griechenland, Côte d' Ivoire, sichere Drittstaaten, Asylantrag, Sicherungshaft, Beschleunigungsgebot, Verhältnismäßigkeit
Normen: AufenthG § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, AufenthG § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, AufenthG § 14 Abs. 1, AufenthG § 14 Abs. 3 S. 1 Nr. 6, AufenthG § 57 Abs. 3
Auszüge:

[...]

1. Nach den vorliegenden Unterlagen ist der Betroffene ivorischer Staatsangehöriger. Er wurde am 02.06.2011 gegen 08.35 Uhr am Flughafen München aus Athen kommend durch die Bundespolizei Flughafen München einer lageabhängigen Kontrolle unterzogen, wobei er sich mit einem französischen Reisepass auswies, welcher für eine andere Person ausgestellt war.

Obwohl der Betroffene zur rechtmäßigen Einreise und zum rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland einen gültigen Reisepass und einen gültigen Aufenthaltstitel benötigt hätte, hatte er beides nicht, was dem Betroffenen auch bewußt war.

Das Amtsgericht Landshut hat daher zu Recht ausgeführt, dass die Einreise des Betroffenen unerlaubt war im Sinne des § 14 Abs. 1 Nr. und Nr. 2 AufenthG und der Betroffene somit nach § 58 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AufenthG vollziehbar ausreisepflichtig war und dass die Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AufenthG erfüllt waren.

Weiterhin lagen auch die Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 AufenthG vor. Es bestand nämlich der begründete Verdacht, dass der Betroffene sich der Abschiebung entziehen will. Ein solcher Verdacht setzt konkrete Umstände voraus, insbesondere Äußerungen oder Verhaltensweisen des Ausländers, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit darauf hindeuten bzw. nahelegen, der Ausländer beabsichtige unterzutauchen oder die Abschiebung in einer Weise zu behindern, die nicht durch einfachen, keine Freiheitsentziehung bildenden Zwang überwunden werden kann (BHGZ 98, 109).

Hierbei bleibt festzuhalten, dass der Betroffene sich zunächst von der Türkei nach Griechenland schleusen ließ und sich sodann bei der unerlaubten Einreise eines Passes bediente, der nicht für seine Person ausgestellt war. Dieses Verhalten begründet grundsätzlich den Verdacht, dass sich der Betroffene der Abschiebung durch Untertauchen entziehen werde.

2. Der Haftanordnung stand auch nicht der Asylantrag des Betroffenen entgegen. Gegen den Betroffenen wurde am 02.06.2011 vom Amtsgericht Landshut Haft zur Sicherung der Zurückschiebung angeordnet. Der förmliche Asylantrag des Betroffenen ging erst später beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein. Nachdem der Asylantrag nämlich im Rahmen der richterlichen Anhörung am 02.06.2011 gestellt wurde, wurde er im weiteren Verlauf laut Mitteilung des Landratsamtes Erding vom 06.06.2011 (Bl. 67 d.A.) weitergeleitet. Erst nach Erlass des Sicherungshaftbefehles ist der förmliche Asylantrag des Betroffenen somit beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge eingegangen. Der Betroffene stellte den förmlichen Asylantrag somit, während er sich bereits in Sicherungshaft gemäß § 57 Abs. 3 i.V.m. § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 AufenthG befunden hat. In diesem Falle gilt der Asylantrag mit dem Datum als gestellt, an dem er beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2 AsylVfG eingeht. Entgegen der Auffassung des anwaltlichen Vertreters des Betroffenen ist im vorliegenden Falle eindeutig, dass der Betroffene aus einem sicheren Drittstaat unerlaubt eingereist war. Er kam aus Griechenland. Bei der im Rahmen der Einreise durchgeführten polizeilichen Kontrolle, nach erfolgter Einreise mit Flug LH 1755 aus Athen, legte er einen Ausweis vor, weicher nicht für ihn ausgestellt war. Dies bedeutet folgendes: Da der Betroffene aus einem sicheren Drittstaat unerlaubt eingereist war, wird für die Aufenthaltsgestaltung gemäß § 55 Abs. 1 S. 3 AsylVfG ein förmlicher Asylantrag im Sinne von § 14 AsylVfG vorausgesetzt, den der Betroffene jedoch erst nach der Haftanordnung gestellt hat (BGH NVWZ 2003, 893). Damit steht der Asylantrag der Aufrechterhaltung der Sicherungshaft gemäß § 14 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 AsylVfG nicht entgegen.

Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Asylantrag von Seiten der Ausländerbehörde oder des Gerichts unzulässigerweise nicht sofort weitergeleitet würde. Hierbei bleibt festzuhalten, so wie es auch das Landratsamt Erding ausführte, dass nach der einschlägigen Rechtsprechung die Weiterleitung des Asylantrags an das BAMF lediglich im normalen Geschäftsgang vorgenommen werden muss. Die Behörde ist dabei nicht zu außerordentlichen Maßnahmen oder besonderer Eile verpflichtet. Insbesondere muss die Weiterleitung auch nicht sofort per Fax erfolgen. Ein Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot liegt somit nicht vor.

3. Auch bestanden zum damaligen Zeitpunkt, als das Landratsamt Erding am 02.06.2011 den Antrag auf Erlass der Zurückschiebungshaft stellte und am selben Tag dann der Zurückschiebehaftbeschluss erging, keine Erkenntnisse dahingehend, dass die beabsichtigte Zurückschiebung in die Elfenbeinküste nicht innerhalb der Zeit von 3 Monaten würde erfolgen können.

Zwar ist es zutreffend, wie von Seiten des anwaltlichen Vertreters auch ausgeführt wurde, dass über die letzten Monate hinweg in der Elfenbeinküste Unruhen waren, welche teils zu bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen führten. Auf der anderen Seite ist auch davon auszugehen, wie es auch das Landratsamt Erding ausführte, dass sich die politische Lage im Land soweit besserte, auch damals bereits zum Zeitpunkt des Erlasses des Zurückschiebehaftbeschlusses, dass davon ausgegangen werden konnte, dass Einreisescheine in absehbarer Zeit zu erhalten waren. Insbesondere bleibt auch hervorzuheben, dass regelmäßig verkehrende Flugverbindungen durch renommierte Fluggesellschaften, wie z.B. der Air France und der Air Brüssels bestanden, wie es auch das Landratsamt Erding ausführte.

Zusammengefasst ergaben sich insoweit keine konkreten Anhaltspunkte, dass die Zurückschiebung in die Elfenbeinküste nicht innerhalb der 3 Monate zu bewerkstelligen gewesen wäre.

Andere Zurückschiebungshindernisse waren nicht bekannt. Insbesondere erklärte sich nach dem Antrag des Landratsamtes Erding vom 02.06.2011 auch die zuständige Staatsanwaltschaft mit der beabsichtigten Zurückschiebung einverstanden.

4. Auch der Umstand, dass im Freistaat Bayern keine gesonderten Anstalten für Abschiebe- bzw. Zurückschiebehäftlinge bestehen macht den Vollzug der Zurückschiebehaft nicht unverhältnismäßig oder gar rechtswidrig. Sofern spezielle Hafteinrichtungen in einem Land nicht vorhanden sind, ist es grundsätzlich ausreichend, wenn die Abschiebungsgefangenen getrennt von den Strafgefangenen untergebracht werden.

Zusammengefaßt ergaben sich somit keine Anhaltspunkte, dass die Zurückschiebehaft rechtswidrig angeordnet worden wäre. Die Entlassung des Betroffenen erfolgte lediglich deswegen, weil das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht innerhalb der Frist des § 14 Abs. 3 AsylVfG über den Asylantrag entschied.

Zusammengefaßt konnte daher die Beschwerde des Betroffenen keinen Erfolg haben.

[...]