VG Karlsruhe

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Zitieren als:
VG Karlsruhe, Beschluss vom 24.10.2011 - 9 K 1393/11 - asyl.net: M19152
https://www.asyl.net/rsdb/M19152
Leitsatz:

In Dublin-Verfahren ist das BAMF für die Prüfung inlandsbezogener und zielstaatsbezogener Vollzugshindernisse zuständig.

Schlagwörter: Dublin II-VO, Dublinverfahren, vorläufiger Rechtsschutz, Italien, einstweilige Anordnung, sachliche Zuständigkeit, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis, inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis, Ausländerbehörde, sichere Drittstaaten, Duldung
Normen: AsylVfG § 27a, AsylVfG § 34a Abs. 2, VwGO § 123, AsylVfG § 26a
Auszüge:

[...]

Der Antrag, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zu verpflichten, Maßnahmen zum Vollzug der Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (im folgenden BAMF) vom 19.05.2011 vorläufig auszusetzen, ihm also eine Duldung zu erteilen, ist abzulehnen. Die Gründe, die der Antragsteller gegen seine vorgesehene Abschiebung ins Feld führt, sind nicht im vorliegenden Verfahren gegen den Antragsgegner zu prüfen, sondern vom BAMF, bzw. gegebenenfalls in einem gegen dessen Entscheidung erhobenen Rechtsschutzverfahren, soweit dieses statthaft und zulässig ist (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 31.05.2011 - A 11 S 1523/11 -, InfAuslR 2011, 310).

Der Antragsteller soll nach dem Bescheid des BAMF vom 19.05.2011 nach Italien als einen sicheren Drittstaat gemäß § 26a AsylVfG abgeschoben werden. Die Gründe, die vom Antragsteller gegen eine Abschiebung nach Italien vorgebracht werden, sind jedoch in einem Verfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland zu prüfen, da dem BAMF nach § 34a AsylVfG bei Abschiebungen in einen sicheren Drittstaat nach § 26a AsylVfG die Zuständigkeit für eine Prüfung des Vorliegens von Abschiebungshindernissen, -verboten oder Duldungsgründen obliegt. Dieser Prüfungsumfang des BAMF umfasst sowohl inlandsbezogene, als auch zielstaatsbezogene Vollzugshindernisse (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 31.05.2011, a.a.O.; VG Karlsruhe, Urteil vom 28.02.2001 - A 10 K 13155/98 - [juris]). Aufgrund dieser umfassenden Prüfungs- und Entscheidungskompetenz des BAMF im Rahmen des Erlasses einer Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylVfG über die Zulässigkeit der Abschiebung sind Abschiebungsverbote und Duldungsgründe nicht nochmals von der mit dem Vollzug der Abschiebungsanordnung betrauten Ausländerbehörde, hier dem Regierungspräsidium Karlsruhe, zu prüfen (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 31.05.2011, a.a.O.). Eine Zuständigkeit der mit dem Vollzug der Abschiebung betrauten Behörde ist schon vor dem Hintergrund der Vermeidung von Doppelzuständigkeiten nicht gegeben (OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 29.11.2004 - 2 M 299/04 - [juris]). Der Antragsteller macht vorliegend gegenüber dem Antragsgegner zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse geltend, die jedoch vom Regierungspräsidium Karlsruhe nicht geprüft werden, da sie, wie dargelegt, in die alleinige Prüfungskompetenz des BAMF bei Erlass der Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylVfG fallen. Dementsprechend ist vorläufiger Rechtsschutz zur Geltendmachung dieser Hindernisse auch nicht gegenüber dem hierfür nicht passivlegitimierten Antragsgegner, sondern vielmehr der Bundesrepublik Deutschland zu suchen, sofern § 34a Abs. 2 AsylVfG dem nicht entgegensteht.

Dass im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 32 BVerfGG zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse in Verfahren gegen die jeweilige Ausländerbehörde durch das Bundesverfassungsgericht geprüft wurden, ist vor dem Hintergrund einer in diesen Verfahren gegebenen besonderen Eilbedürftigkeit und einer daraus erwachsenden Notwendigkeit der Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG zu betrachten. Rückschlüsse für das vorliegende Verfahren sind daraus nicht zu ziehen.

Ein solcher Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gegen die Bundesrepublik Deutschland als Rechtsträgerin des BAMF entspricht auch dem Rechtsschutzbegehren des Antragstellers, eine vorläufige Aussetzung von Maßnahmen zum Vollzug der Abschiebungsanordnung zu erreichen. Dem BAMF kann zur Sicherung effektiven Rechtsschutzes im Erfolgsfalle entsprechend § 80 Abs. 5 S. 3 VwGO aufgegeben werden, dem Regierungspräsidium Karlsruhe als der nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 AAZuVO für die Durchführung der Abschiebung zuständigen Ausländerbehörde die Aussetzung der Abschiebung mitzuteilen (vgl. VG Freiburg, Beschluss vom 24.01.2011 - A 1 K 117/11 -, InfAuslR 2011, 215). Ein direktes Vorgehen im Wege einstweiligen Rechtsschutzes gegen den Antragsgegner als Rechtsträger des Regierungspräsidiums Karlsruhe als Vollstreckungsbehörde ist daher nicht geboten. [...]