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LG Leipzig

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Zitieren als:
LG Leipzig, Beschluss vom 20.09.2011 - 07 T 104/11 - asyl.net: M19185
https://www.asyl.net/rsdb/M19185
Leitsatz:

Die Unterbringung eines Abschiebungshäftlings zusammen mit Untersuchungs- oder Strafgefangenen verstößt gegen Art. 16 Abs. 1 d Richtlinie 2008/115/EG (Rückführungsrichtlinie) und führt zur Rechtswidrigkeit der Haft.

Schlagwörter: Haftbedingungen, Abschiebungshaft, Rückführungsrichtlinie, Strafgefangene, Untersuchungsgefangene, Rechtswidrigkeit
Normen: RL 2008/115/EG Art. 16 Abs. 1 Bst. d, AufenthG § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 5
Auszüge:

[...]

Die sofortige Beschwerde war gemäß § 106 AufenthG i.V.m. §§ 68, 63, 64 FamFG zulässig. Nachdem sie sich durch die Entlassung des Betroffenen aus der Haft erledigt hat, konnte dieser seinen Antrag in zulässiger Weise dahingehend umstellen, festzustellen, dass die verhängte Abschiebehaft rechtswidrig war sowie beantragen, die Kosten des Beschwerdeverfahrens und des Verfahrens dem Antragsteller aufzuerlegen (BVerfGE 104, 220).

Der Feststellungsantrag ist allerdings nur insoweit begründet, als der Vollzug der Haft gegen Art. 16 Abs. 1 d Rückführungsrichtlinie 2008/115/EG verstoßen hat. Wie der Leiter der Vollzugsanstalt Leipzig mitgeteilt hat, war der Betroffene In der Zeit von 11.02.2011 bis 14.02.2011 mit einem Untersuchungsgefangenen in einem Haftraum, in der Zeit vom 14.02.2011 bis 28.02.2011 mit einem Strafgefangenen in einem Haftraum untergebracht. Dies verstößt unzweifelhaft gegen den auch in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Art. 16 Abs. 1 der Rückführungsrichtlinie 2008/115/EG, weshalb der Vollzug der Haft rechtswidrig war. Dass eine Notlage aufgrund einer unvorhersehbaren Überlastung der Haftanstalt bestanden hätte, ist weder ersichtlich noch auch nur anzunehmen. Aufgrund der einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gilt diese nach Ablauf der gem. Art. 20 dem nationalen Gesetzgeber gesetzten Umsetzungsfrist am 24.10.2010 unmittelbar als nationales Recht.

Die Anordnung der Haft dagegen war rechtmäßig. Insoweit kann auf die überzeugenden Ausführungen des Amtsgerichts Bezug genommen werden, das ausführt, dass sich der Betroffene in die Illegalität begab, als er erfahren haben musste, dass das von ihm angestrengte verwaltungsgerichtliche Verfahren keinen Erfolg hatte. Damit bestand gemäß § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 der begründete Verdacht, dass sich der Betroffene der Abschiebung entziehen wollte. Der Betroffene durfte zur Sicherung der Abschiebung inhaftiert werden. [...]