VG Oldenburg

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Zitieren als:
VG Oldenburg, Beschluss vom 30.09.2011 - 3 B 2891/10 - asyl.net: M19217
https://www.asyl.net/rsdb/M19217
Leitsatz:

Es bestehen ernstliche Zweifel an der Ablehnung eines Asylantrag als offensichtlich unbegründet, wenn die Klägerin die noch ungeklärte, aber möglicherweise deutsche Staatsangehörigkeit besitzt.

Schlagwörter: Schlagwörter: Suspensiveffekt, Anordnung der aufschiebenden Wirkung, deutsche Staatsangehörigkeit, Geburt, Staatsangehörigkeitsrecht, Feststellungsverfahren, Anerkennung der Vaterschaft, unwirksam
Normen: AsylVfG § 75, AsylVfG § 36 Abs. 3 S. 1, VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, VwGO § 80 Abs. 5 S. 1, StAG § 4 Abs. 1 S. 2, StAG § 4 Abs. 1 S. 2, BGB § 1592 Nr. 2, BGB § 1595 Abs. 1, BGB § 1598 Abs. 1
Auszüge:

[...]

Nach § 4 Abs. 1 Sätze 1 und 2 Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) erwirbt ein Kind durch die Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil Deutscher ist. Ist dies nur der Vater und ist zur Begründung der Abstammung nach den deutschen Gesetzen die Anerkennung oder Feststellung der Vaterschaft erforderlich, so bedarf es zur Geltendmachung des Erwerbs einer wirksamen Anerkennung oder Feststellung der Vaterschaft. Die Anerkennungserklärung muss abgegeben oder das Feststellungsverfahren muss eingeleitet sein, bevor das Kind das 23. Lebensjahr vollendet hat. Gemäß § 1592 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist Vater eines Kindes der Mann, der die Vaterschaft anerkannt hat, und nach § 1595 Abs. 1 BGB bedarf die Anerkennung der Zustimmung der Mutter, wobei Anerkennung und Zustimmung schon vor der Geburt des Kindes zulässig sind (siehe § 1594 Abs. 4 BGB und - hinsichtlich der Zustimmung - § 1595 Abs. 3 i.V.m. § 1594 Abs. 4 BGB). Der deutsche Staatsangehörige ... erkannte am 28. April 2008 an, der Vater des Kindes zu sein, das von Frau ... voraussichtlich am ... 2008 geboren werde, und die Mutter des Kindes erklärte unter dem zuletzt genannten Namen am 23. Mai 2008 vor einem Notar die Zustimmung zur Vaterschaftsanerkennung.

Eine Anerkennung ist aber nach § 1598 Abs. 1 BGB unwirksam, wenn sie den Erfordernissen der vorstehenden Vorschriften nicht genügt. § 1594 Abs. 2 BGB bestimmt, dass eine Anerkennung der Vaterschaft nicht wirksam ist, solange die Vaterschaft eines anderen Mannes besteht, und dies ist u.a. dann der Fall, wenn die Mutter des Kindes zum Zeitpunkt der Geburt mit diesem anderen Mann verheiratet war (siehe § 1592 Nr. 1 BGB). Solange eine nicht allen Wirksamkeitsvoraussetzungen genügende und somit (noch schwebend) unwirksame Anerkennung vorliegt, ist die Anerkennung so zu behandeln als ob sie nicht vorhanden wäre (vgl. Wellenhofer in Münchener Kommentar zum BGB - MünchKommBGB -, 5. Aufl. 2008, § 1598 Rn. 19). Wird die Anerkennung wirksam, wird der Anerkennende allerdings rückwirkend gesetzlicher Vater (vgl. Seidel in MünchKommBGB, a.a.O., § 1592 Rn. 91).

Hier ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt offen, ob die von der Antragstellerin erhobene Klage gegen die Abschiebungsandrohung Erfolg haben wird. Dies ist davon abhängig, ob während des Klageverfahrens die Vaterschaft des oben genannten deutschen Staatsangehörigen positiv geklärt werden kann, wobei Voraussetzung ist, dass die Mutter der Antragstellerin am ... 2008 nicht verheiratet war. Es ist zwar bisher mehrfach in verwaltungsgerichtlichen Verfahren - teilweise sinngemäß - festgestellt worden, dass die am 1. August 2007 über den Flughafen München in die Bundesrepublik Deutschland eingereiste Mutter der Antragstellerin in ihrem Heimatland geheiratet habe und nicht ledig sei (s. VG Oldenburg, Beschlüsse vom 16. Dezember 2008 - 11 B 3086/08 - und vom 26. November 2009 - 11 B 3009/09 - sowie Urteil vom 15. September 2010 - 11 A 3008/09 -; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 13. Januar 2011 - 4 LA 303/10 -). In diesem auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutz gerichteten Verfahren kann die entscheidungserhebliche Frage aber nicht beantwortet werden. Zwar ist der Antrag der Antragstellerin auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit mit Bescheid der Stadt Oldenburg - Ausländerbüro - vom 10. Mai 2011 abgelehnt worden mit der Begründung, sie habe die gebotene Mitwirkung verweigert. Auf Nachfrage habe das für die Geburtsbeurkundung zuständige Standesamt mitgeteilt, dass zur Prüfung einer nach deutschem Recht wirksamen Vaterschaftsanerkennung die kamerunischen Dokumente der Kindesmutter im Original vorzulegen seien, um diese einer Echtheitsüberprüfung zuführen zu können. Der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin habe jedoch jeder Weitergabe der mit Schriftsatz vom 11. Februar 2011 übersandten Originaldokumente der Mutter der Antragstellerin an andere Dienststellen - u.a.. das Standesamt - oder an andere Behörden widersprochen. Die Weigerung lasse die nötige Prüfung der Dokumente und somit den möglichen Ausschluss der Regelung des § 1594 Abs. 2 BGB nicht zu. Es erscheint allerdings möglich, dass die Antragstellerin während des Verfahrens 11 A 1342/11, in dem die Feststellung der Staatsangehörigkeit der Antragstellerin Streitgegenstand ist, ihrer Mitwirkungspflicht noch so rechtzeitig im erforderlichen Umfang nachkommen wird, dass die Frage der Vaterschaft des oben genannten deutschen Staatsangehörigen endgültig geklärt werden kann. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin in diesem Verfahren auszugsweise die Kopie eines ihrer Mutter am 28. Dezember 2010 ausgestellten Reisepasses vorgelegt hat, nach dem diese heißt. Der in dem am 31. Juli 2007 mitgeführten kamerunischen Reisepass enthaltene Zusatz "epse" wird nicht genannt. Der Zusatz "epse" hat dabei die Bedeutung, dass eine Frau verheiratet ist (vgl. VG Oldenburg, Beschluss vom 16. Dezember 2008, a.a.O.). Die Begründung der Mutter der Antragstellerin, der Zusatz sei vermutlich durch die Schlepper veranlasst worden, deren Hilfe sie sich bedient habe, klingt zwar nicht überzeugend. Gleichwohl kann in diesem Verfahren insbesondere nicht geklärt werden, ob der Inhalt des kamerunischen Reisepasses zutreffend ist und ob dem im Reisepass genannten Namen auch schon Bedeutung für den Zeitpunkt der Geburt der Antragstellerin zukommt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Reisepass bisher ausreichend überprüft wurde. [...]