Bei visumsfreier Einreise ist zumindest offen, ob der Spracherwerb in der Bundesrepublik Deutschland noch innerhalb des visumsfreien Zeitraums erfolgen muss. Dies ist daher im Hauptverfahren zu entscheiden.
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Soweit das Verwaltungsgericht auf das Spracherfordernis als Tatbestandsvoraussetzung abgestellt hat (§ 28 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG), macht die Beschwerde zu Recht geltend, dass die Entscheidung der Vorinstanz die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts insoweit nicht hinreichend ausschöpft, als es um aus verfassungs- und menschenrechtlicher Sicht unzumutbare Folgen dieser tatbestandlichen Voraussetzungen wegen der Zumutbarkeit eines Spracherwerbs im Ausland geht. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 30. März 2010 - 1 C 8.09 -; juris Rn 46 NVwZ 2010, 964) wird dabei darauf abgestellt, dass verfassungsrechtlichen Erfordernissen gegebenenfalls durch Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Spracherwerb (§ 16 Abs. 5 AufenthG) Rechnung getragen werden kann. Soweit sich diese Rechtsprechung auf den Nachzug zu Ausländern bezieht, durften im Hinblick auf die Folgen für mit einem Deutschen verheiratete Ehegatten eher geringere Anforderungen an die Unzumutbarkeit zu stellen sein, weil der Deutsche und Unionsbürger (vgl. zu den Unionsbürgerrechten insoweit EuGH, Urteil vom 15. November 2011 - C-256/11 - im Blick auf die Anforderungen nach Art. 8 Abs. 1 EMRK) ein Recht auf Aufenthalt im Staatsgebiet hat und durch die Nachzugsvoraussetzungen für seine Familienangehörigen nicht gezwungen sein darf, auf den Kern seines Familien- und Privatlebens verzichten zu müssen. Auf diesen Gesichtspunkt beruft sich die Antragstellerin indessen, da die Familie gemeinsam aus Costa Rica übersiedelt ist, dort den Hausstand aufgelöst hat, ihre Mittel bei der Übersiedlung aufgezehrt hat und der Ehemann seine Arbeitsstelle in Deutschland für eine Rückkehr nach Costa Rica oder Nicaragua aufgeben müsste. Die Antragstellerin hat im Übrigen geltend gemacht, dass sie mit ihren drei bei der Einreise nach Deutschland noch minderjährigen Töchtern ohne Unterstützung ihres Ehemannes bei einer Rückkehr nach Costa Rica dort keine gesicherte Existenz hätte.
Bei der Überbrückungsfunktion in Härtefällen, die nach der genannten Rechtsprechung das Bundesverwaltungsgerichts der Aufenthaltserlaubnis zum Spracherwerb zukommt, kann nicht davon ausgegangen werden, dass diese von dem Antrag auf Familiennachzug nicht erfasst sei. Für das Hauptsacheverfahren dürfte daher nicht ausgeschlossen sein, dass - sofern die Unzumutbarkeit einer Rückkehr nach Nicaragua oder Costa Rica festzustellen wäre - der Antragstellerin Gelegenheit zum Spracherwerb in der Bundesrepublik Deutschland verschafft werden müsste. Die Zumutbarkeitsfrage dürfte sich für Fälle der vorliegenden Konstellation auch erheblich von derjenigen unterscheiden, wenn Drittstaatsangehörige den Visumzwang umgehen wollen und das Aufenthaltserlaubnisverfahren zum Spracherwerb in Deutschland nutzen wollen. Anders als in diesen Fällen ist bei der visumsfreien Einreise der Positivstaatler offen, ob der Spracherwerb noch innerhalb des visumsfreien Zeitraums erfolgt muss (vgl. beim Sehengen-Visum den Beschluss des Senats vom 30. April 2009, 7 B 10037/09.OVG).
Die Interessenabwägung bei schwieriger Sach- und Rechtslage gebietet es, das Interesse der Antragstellerin an einem Verbleiben bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens zu bevorzugen, zumal der Nachweis der erforderlichen Deutschkenntnisse voraussichtlich in Kürze erfolgen wird. Das weitere Verwaltungsverfahren wird Gelegenheit geben, die für die Zumutbarkeit erheblichen Sachverhaltsumstände einer weiteren Klärung zuzuführen. [...]