LG Hannover

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Zitieren als:
LG Hannover, Beschluss vom 19.12.2011 - 8 T 72/11 - asyl.net: M19279
https://www.asyl.net/rsdb/M19279
Leitsatz:

Auch bei illegaler Einreise ist vor Abschiebung eine Rückkehrentscheidung zu treffen; ohne eine solche Entscheidung ist die Abschiebungshaft nicht zulässig.

Schlagwörter: Beschwerde, Rückkehrentscheidung, unerlaubte Einreise, vollziehbar ausreisepflichtig
Normen: RL 2008/115/EG Art. 6, AufenthG 58 Abs. 1
Auszüge:

[...]

Die gem. § 58 FamFG statthafte Beschwerde ist, da form- und fristgerecht eingelegt, zulässig. Sie ist auch begründet. Das Amtsgericht hätte die Haft nicht anordnen dürfen, weil es an einer Rückkehrentscheidung der Ausländerbehörde fehlt.

Zunächst, bei Eingang der Beschwerdesache, hat die Kammer zwar die Ansicht vertreten, im Falle der illegalen Einreise (hier: Einreise mit gefälschten Reisepass) genüge es im Hinblick auf die gesetzlichen Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes, wenn dem Ausländer durch einen Abschiebungs-Sicherungshaftantrag deutlich gemacht wird, dass die Ausländerbehörde seine Rückkehr in sein Heimatland anstrebt. Die Kammer hat diese Überlegung auf Art. 6 Abs. 6 der Richtlinie 2008/115/EG gestützt; danach können, sofern die innerstaatlichen Bestimmungen dies erlauben, die Rückkehrentscheidung und eine Entscheidungen über eine Abschiebung in einer einheitlichen Entscheidung ergehen.

An jenen Überlegungen hält die Kammer aber nicht weiter fest. Schon nach der Richtlinie, die zwischen dem 25.12.2010 und dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex vom 22.11.2011 (BGBl. 2011 Teil I S. 2258 ff.) am 26.11.2011 unmittelbar anzuwendendes Recht gewesen ist, ist es erforderlich gewesen, über die Rückkehr und eine Frist für eine freiwillige Ausreise durch förmlichen Verwaltungsakt zu entscheiden. Dies folgt aus Art. 12 der Richtlinie.

Die Richtlinie findet seit dem 26.11.2011 allerdings nicht mehr unmittelbar Anwendung, weil nunmehr das Aufenthaltsgesetz durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex geändert worden ist. § 68 Abs. 1 und § 59 AufenthG sind neu gefasst. Nunmehr ist es im Rahmen einer Abschiebungsentscheidung stets erforderlich, dass die Ausländerbehörde eine (zur Rückkehrentscheidung im Sinne von Art. 6 der Richtlinie gehörende, vgl. Art. 7 der Richtlinie) Entscheidung über die Gewährung einer Ausreisefrist getroffen haben muss. Daran fehlt es hier. Ohne eine förmliche Rückkehrentscheidung liegen die Voraussetzungen für einen Antrag auf Sicherungshaft nicht vor. [...]