LG Göttingen

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Zitieren als:
LG Göttingen, Urteil vom 09.12.2011 - 3 Ns 83/11 - asyl.net: M19391
https://www.asyl.net/rsdb/M19391
Leitsatz:

Bei der Anstiftung zum Einschleusen von Ausländern liegt ein gewerbsmäßiges Handeln im Sinne von § 96 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG nur vor, wenn der Anstifter selbst gewerbsmäßig handelt.

Schlagwörter: Anstiftung, Einschleusen, gewerbsmäßig, Einschleusung
Normen: AufenthG § 96 Abs. 1, AufenthG § 96 Abs. 2
Auszüge:

[...]

3) Der Angeklagte wird unter Verwerfung seiner weitergehenden Berufung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt.

4) Die Vollstreckung dieser Strafe wird zur Bewährung ausgesetzt. [...]

Einige Tage vor dem 05.11.2010 erhielt der Angeklagte von seinem in Syrien lebenden Vater einen Anruf. Dieser teilte ihm mit, dass ein Schwager seiner Tante väterlicherseits aus Syrien geflohen sei und seit ca. 2 Wochen in Italien festsitze. Bei dieser Person handelte es sich um den "Y". Dieser sei in einer schlechten psychischen Verfassung. Sein Vater bat den Angeklagten dafür zu sorgen, dass der ... nach Deutschland gebracht werde. Für die Verbringungskosten wollte die in Syrien lebende Familie aufkommen.

Der Angeklagte, der sich dem Wunsch seines Vaters verpflichtet fühlte, wusste, dass der gesondert Verfolgte ... Ausländer aus Drittstaaten gegen entsprechende Bezahlung nach Deutschland bringt. Deshalb rief er diesen am 05.11.2010 kurz nach 11:00 Uhr an und fragte, wie viel die Verbringung einer Person aus Italien nach Deutschland kosten würde. Nachdem der gesondert Verfolgte ... zunächst entgegnete, dass es sich für eine Person nicht lohnen würde, fragte der Angeklagte nochmals nach, wie hoch der Preis sei. Der ... äußerte nunmehr, dass er 2.000,00 Euro nehmen müsse. Fast 500,00 Euro seien allein zur Deckung der Spritkosten und Autobahngebühren erforderlich. Weitere Absprachen zwischen dem Angeklagten und dem gesondert Verfolgten erfolgten noch am 05.11.2010 sowie in der Zeit zwischen dem 06.11. bis 08.11.2010. Der Angeklagte leistete zudem an den gesondert Verfolgten 500,00 Euro als Anzahlung.

Dieser nahm daraufhin Kontakt zu dem weiteren gesondert Verfolgten ... auf. Letzterer führte aufgrund eines gemeinsamen Tatplans sowie im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem ... in dem Zeitraum vom 06.11.2010 bis zum 08.11.201 eine Schleusungsfahrt von Mailand nach Deutschland durch, wobei der ... in diesem Fall selbst als Fahrer fungierte und - wie vom Angeklagten gewünscht - die illegale Einreise des ... zu einem Preis von 2.000,00 Euro veranlasst wurde. Das Schleusungsfahrzeug - ein Pkw Marke Mercedes, amtliches Kennzeichen ... wurde am 08.11.2010 auf der A 93 bei Kiefersfelden/München von Beamten der ... Fahndung Rosenheim angehalten und kontrolliert. Die gesamte Organisation dieser Schleusung hatte der ... durchgeführt, der dem ... während der Tatausführung laufend telefonisch Anweisungen erteilte. Ebenso bestand auch telefonischer Kontakt zwischen dem ... und dem Angeklagten.

Der eingeschleuste Ausländer ... war weder im Besitz eines erforderlichen Passes oder Passersatzes gemäß § 3 Abs. 1 AufenthG noch besaß er einen nach § 4 Abs. 1 AufenthG erforderlichen Aufenthaltstitel. Er war weder Staatsangehöriger eines Mitgliedstaates der Europäischen Union noch der eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum. Der Angeklagte und die gesondert Verfolgten ... und ... handelten in Kenntnis dieser Umstände, der ... darüber hinaus - wie der Angeklagte wusste - in der Absicht, sich durch wiederholte Begehung von Schleusungen eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang zu verschaffen. Der Angeklagte verfolgte in seinen Gesprächen mit dem gesondert Verfolgten ... das Ziel, bei diesem sowie seinem Mittäter ... den Tatplan zur Durchführung der Schleusung des ... zu wecken, was ihm auch gelang.

IV. Der Angeklagte hat sich dadurch der Anstiftung zum Einschleusen von Ausländern gemäß § 96 Abs. 1 AufenthG schuldig gemacht. Der Angeklagte war hingegen nicht wegen gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern gemäß § 96 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz zu verurteilen. Die dort unter Nr. 1 beschriebene Tatbegehungsweise durch ein gewerbsmäßiges Handeln stellt ein besonders persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 2 StGB dar und ist strafschärfend nur bezüglich desjenigen Tatbeteiligten zu berücksichtigen, der selbst gewerbsmäßig handelt (vgl. BGH wistra 1987, 30). Bei dem Angeklagten selbst war indes kein gewerbsmäßiges Anstiften feststellbar, so dass die Strafe dem Strafrahmen des § 96 Abs. 1 zu entnehmen war.

V. Vor dem Hintergrund, dass der Angeklagte nicht bestraft ist und der Angeklagte voll geständig war, andererseits der Angeklagte eine organisierte Schleusergruppierung zur Durchführung einer Schleusungstat veranlasst hat, erschien der Kammer eine Freiheitsstrafe von fünf Monaten für tat- und schuldangemessen. Die Vollstreckung dieser Strafe konnte noch zur Bewährung ausgesetzt werden, da die Kammer der festen Überzeugung ist, dass der Angeklagte sich diese Verurteilung zur Warnung dienen und auch ohne Vollstreckung der erkannten Strafe künftig keine weiteren Straftaten mehr begehen wird. [...]