Personen in Abschiebungshaft sind getrennt von allen anderen Häftlingen unterzubringen, unabhängig davon, ob es sich um Strafgefangene oder Untersuchungshäftlinge handelt. Die Unterbringung mit anderen Häftlingen führt zur Unverhältnismäßigkeit und damit zur Rechtswidrigkeit.
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b) Neben der Verletzung des rechtlichen Gehörs war die Haft im konkreten Fall auch nicht verhältnismäßig. Der Vollzug der Abschiebehaft erfolgte unter Verstoß gegen § 61a Abs. 1 S. 2 AufenthG. Danach sind Abschiebungsgefangene getrennt von Strafgefangenen unterzubringen.
(1) Entgegen der Stellungnahme der Beschwerdegegnerin ist vorliegend die konkrete Ausgestaltung des Vollzugs der Abschiebehaft nicht mit dem Rechtsbehelf gem. § 422 Abs. 4 FamFG i.V.m. §§ 171, 109 StVoIIzG anzugreifen. Die Frage, ob die Abschiebehaft getrennt von der Strafhaft erfolgt, betrifft nicht einzelne Maßnahmen zum Haftvollzug, sondern generell die Frage, ob der Vollzug der Abschiebehaft in seinen Grundbedingungen gesetzeskonform ausgestaltet ist. Dafür spricht auch die Tatsache, dass die Regelung der getrennten Unterbringung systematisch dem Aufenthaltsgesetz und eben nicht dem Strafvollzugsgesetz zugeordnet wird.
(2) § 62 a Abs.1 S. 2 AufenthG schreibt die getrennte Unterbringung von "Abschiebungsgefangenen" und "Strafgefangenen" vor. Diese Unterscheidung zielt auf Häftlinge in Abschiebungshaftsachen und Häftlinge in Strafsachen ab und trifft keine Unterscheidung zwischen verurteilten Strafgefangenen und Untersuchungshäftlingen dahingehend, dass eine gemeinsame Unterbringung mit Untersuchungshäftlingen zulässig wäre.
Dies ergibt sich bereits durch eine Auslegung des Wortlauts. Es ist zwar zutreffend, dass für den Untersuchungshaftvollzug andere Bedingungen gelten als für den Vollzug der Freiheitsstrafe. Jedoch spricht auch § 1 StVollzG vom "Vollzug der Freiheitsstrafe" und nicht von Strafgefangenen. Insofern führt es zu weit anzunehmen, dass durch die Verwendung des Wortes "Strafgefangene" zwangsläufig lediglich auf Häftlinge im Freiheitsvollzug abzustellen wäre. Vielmehr ist davon auszugehen, dass in dieser ausländerrechtlichen Vorschrift eine Unterscheidung zwischen Häftlingen in Abschiebehaftsachen und Häftlingen in Strafsachen - sei es im Vollzug der Untersuchungshaft oder im Vollzug der Freiheitsstrafe - getroffen werden sollte. Dafür spricht auch der Zusammenhang. Ziel ist, dass eine Unterbringung in speziellen Hafteinrichtungen stattfindet. Die Unterbringung in sonstigen Haftanstalten stellt eine Notlösung dar. Aus diesem Zusammenhang ergibt sich, dass die getrennte Unterbringung auf eine von allen anderen Häftlingen gesonderte Unterbringung der Abschiebungshäftlinge abstellt.
Diese Schlussfolgerung ergibt sich zwingend bei der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung des § 62a AufenthG. Die Wirkung von Richtlinien ist mit deren Umsetzung in nationales Recht nicht beendet. Aufgrund der Höherrangigkeit des Gemeinschaftsrechts ist das nationale Recht unter Beachtung der Inhalte und der Regelungsziele der einschlägigen Richtlinien und damit richtlinienkonform auszulegen (Grabitz/Hilf, Das Recht der EU, Grundzüge Rn. 29). In den Erwägungsgründen der Richtlinie 2008/115/EG (Rückführungsrichtlinie) wird auf die "20 Leitlinien zur Frage der erzwungenen Rückkehr" vom 04.05.2005 des Europarats Bezug genommen. Darin heißt es in der 10. Leitlinie unter Punkt 4: "Persons detained pending their removal from the territory should not normally be held together with ordinary prisoners, whether convicted or on remand." Hier wird ausdrücklich darauf abgestellt, dass eine gesonderte Unterbringung auch von Untersuchungshäftlingen gewährleistet sein soll. Die durch diesen Erwägungsgrund gestützte Auslegung wird durch die Heranziehung anderer Sprachfassungen von Art. 16 Abs. 1 der Rückführungsrichtlinie bestätigt. In der französischen Fassung heißt es eindeutig, die Abschiebungshäftlinge "sont separés des prisonniers de droit commun", in der spanischen Fassung die Abschiebungshäftlinge "estarán separados de los presos ordinarios".
Die Betroffene war nach ihren eigenen Angaben, die in der Stellungnahme der JVA München bestätigt wurden, in einer Zelle gemeinsam mit Untersuchungshäftlingen untergebracht. Die Vollziehung der Haft war daher unverhältnismäßig und damit rechtswidrig. [...]