LG Frankfurt/Oder

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Zitieren als:
LG Frankfurt/Oder, Beschluss vom 19.06.2012 - 15 T 73/12 - asyl.net: M19986
https://www.asyl.net/rsdb/M19986
Leitsatz:

Die vollständige Übersetzung und Aushändigung des Haftantrags bilden die Voraussetzung dafür, dass ein Betroffener in die Lage versetzt wird, sich vollumfänglich zu der Angaben der Behörde zu äußern. Lässt sich dies der Akte nicht mit letzter Sicherheit entnehmen, war die Haftanordnung rechtswidrig.

Schlagwörter: Haftanordnung, rechtliches Gehör, Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs, Aushändigung des Haftantrags, Übersetzung, Haftantrag,
Normen: AufenthG § 106 Abs. 2 S. 1, FamFG § 429 Abs. 2, FamFG § 58 Abs. 1, FamFG § 59 Abs. 1, FamFG § 63, FamFG § 64,
Auszüge:

[...]

Die Beschwerde des Betroffenen ist statthaft und zulässig gemäß §§ 106 Abs. 2 S. 1 AufenthG, 429 Abs. 2, 58 Abs. 1, 59 Abs. 1, 63, 64 FamFG. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht bei dem Gericht eingelegt worden, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Auch nach Erledigung kann das Verfahren fortgesetzt werden, wenn der Betroffene - wie hier geschehen - einen entsprechenden Antrag stellt. Das erforderliche Rehabilitierungsintcresse liegt bei Freiheitsentziehungen vor (vgl. BGH FGPrax 2010, 154).

Die Haftanordnung war rechtswidrig, weil der Betroffene [ist] in seinem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt worden ist. Es lässt sich nämlich nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen, dass ihm der Haftantrag zuvor vollumfänglich in seine Muttersprache übersetzt worden ist.

Die vollständige Übersetzung und Aushändigung des Haftantrags bilden die Voraussetzung dafür, dass ein Betroffener in die Lage versetzt wird, sich vollumfänglich zu den Angaben der Behörde zu äußern (vgl. BGH Beschl. v. 1.12.2011, V ZB 179/11; BGH FGPrax 2011, 257). Dass dies erfolgt ist, lässt sich der Akte nicht mit letzter Sicherheit entnehmen.

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Soweit das Amtsgericht ihn ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 18.5.2012 lediglich "über den Zweck der Anhörung informiert" hat, ist dies unzureichend (vgl. BGII Beschl. v. 30.3.2012. V ZF3 196/11, juris).

Auch der nachträglich am 14.6.2012 von Mitarbeitern der Beteiligten frei von erläuternden Details gefertigte Aktenvermerk, nach welchem dem Betroffenen der Antrag durch einen Dolmetscher übersetzt worden sei, gebietet Zweifeln daran, dass dies in einer über den durch das Amtsgericht protokollierten Umfang hinausgehenden Weise vollumfänglich, insbesondere einschließlich der vollständigen Begründung erfolgt ist, nicht Schweigen.

Soweit im Fließtext des Haftantrags vom 30.04.2012 ausgeführt wird, dass dieser dem Betroffenen durch Dolmetscher eröffnet und ausgehändigt worden sei, handelt es sich offenkundig nicht um die Feststellung eines bereits erfolgten Ereignisses. Denn ein vollständiger, wirksamer Haftantrag war erst mit Leistung der Unterschrift rechtswirksam geworden, die zugleich bestätigen soll, dass der Antrag dem Betroffenen eröffnet worden sein soll. Zu diesem Zeitpunkt hat dem Betroffenen mit anderen Worten ein wirksamer Antrag noch gar nicht übersetzt worden sein können. Die Erklärung geht deshalb ins Leere, weil sie sich denknotwendig nur auf ein künftiges Ereignis bezogen haben kann, dessen Eintritt im Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung noch ungewiss war. [...]