LG Traunstein

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Zitieren als:
LG Traunstein, Beschluss vom 21.08.2012 - 4 T 3104/12 - asyl.net: M19988
https://www.asyl.net/rsdb/M19988
Leitsatz:

Die Unterbringung von Personen, die abgeschoben werden sollen, in einer Jugendabteilung ohne Trennung von Straf- bzw. Untersuchungsgefangenen ist rechtswidrig.

Schlagwörter: Abschiebungshaft, Hafteinrichtung, spezielle Hafteinrichtungen, minderjährig, Jugendabteilung, Jugendliche, Trennung von Straf- und Untersuchungsgefangenen, Strafgefangene, Abschiebungshäftling,
Normen: AufenthG § 62a, AufenthG § 62a Abs. 1 S. 1, AufenthG § 62a Abs. 3, RL 2008/115/EG Art. 17,
Auszüge:

[...]

e) Die vollzogene Abschiebehaft war insoweit für rechtswidrig zu erklären, als der Vollzug der Zurückschiebehaft bis 14.08.2012 gegen § 62a AufenthG verstieß. Nach § 62a Abs. 1 Satz 1 AufenthG wird die Abschiebungshaft in speziellen Hafteinrichtungen vollzogen. Sind spezielle Hafteinrichtrichtungen in einem Land nicht vorhanden, kann die Abschiebungshaft in diesem Land in sonstigen Haftanstalten vollzogen werden; die Abschiebungsgefangenen sind dann getrennt von den Strafgefangenen unterzubringen. Die Einhaltung von § 62a AufenthG ist im Verfahren der Beschwerde gegen den Zurückschiebehaftbefehl zu berücksichtigen (vgl. BGH vom 07.03.2012 und 08.05.2012, V ZB 41/12).

Bei minderjährigen Abschiebungsgefangenen sind nach § 62a Abs. 3 AufenthG unter Beachtung der Maßgaben der in Art. 17 der Richtlinie 2008/115/FG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl L 348 vom 24. Dezember 2008, S. 98) alterstypische Belange zu berücksichtigen.

Der Betroffene ist nicht unter Beachtung des § 62a Abs. 3 AufenthG unterzubringen, da es sich bei ihm um keinen Minderjährigen im Sinne von § 62a Abs. 3 AufenthG handelt. Der Betroffene gab zunächst bei der Polizei als Geburtsdatum den … 1995 an, wonach er erst 16 Jahre alt wäre; bei der Anhörung durch das Amtsgerichts Rosenheim gab der Betroffene an, 23 Jahre alt zu sein, bei der Anhörung durch das Landgericht Traunstein gab als Geburtsdatum den … 1995 an, was eine Alter von 17 Jahre entspricht. Der Betroffene ist jedoch mindestens 19 Jahre alt. Ein solches Alter wird durch das Attest des RoMed Klinikums Rosenheim vom 26.07.2012 bestätigt, die eine Skelettaltersbestimmung der linken Hand vornahm; da die Wachstumsfuge zum Radius vollständig geschlossen ist, ergibt sich ein Lebensalter von mindestens 19 Jahren.

Der Betroffene war, was der Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen im Beschwerdeschriftsatz vom 06.08.2012 (Bl. 23/24) rügte und auf eine telefonische Nachfrage des Berichterstatters der 4. Zivilkammer bei der JVA München-Stadelheim am 14.08.2012 (vgl. Aktenvermerk vom 14.08.2012, Bl. 31) bestätigt wurde, dort bis 14.08.2012 in der Jugendabteilung untergebracht, von der gerichtsbekannt ist, dass keine Trennung von Straf- bzw. Untersuchungsgefangenen stattfindet. Auf gerichtlichen Hinweis vom 14.08.2012 (Bl. 29/30), teilte die Bundespolizei mit Schreiben vom 14.08.2012 (Bl. 32/36) mit, dass es sich bei der Aufnahme in der Jugendabteilung um ein Versehen des übernehmenden Beamten der JVA München gehandelt habe; die Verlegung in die Abteilung für erwachsene männliche Abschiebegefangene sei durch die Bundespolizei sofort nach Kenntnis veranlasst worden und sei bereits vollzogen. Der ab 15.08.2012 erfolgte Vollzug in der Abteilung der JVA München für erwachsene männliche Abschiebehäftlinge entspricht den Vorschriften des § 62a AufenthG betreffend die Trennung von Straf- bzw. Untersuchungsgefangenen. Für rechtswidrig zu erklären war daher der Vollzug der Abschiebehaft von 27.07.2012 bis 14.08.2012. [...]