VG Potsdam

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Zitieren als:
VG Potsdam, Beschluss vom 06.09.2012 - 8 L 163/12 - asyl.net: M20060
https://www.asyl.net/rsdb/M20060
Leitsatz:

Die Regelung des § 17 Abs. 3 Satz 2 StAG, wonach der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit auch nach der Vollendung des fünften Lebensjahres noch möglich ist, verstößt nicht gegen Art. 3 GG.

Schlagwörter: Scheinvaterschaft, Vaterschaftsanfechtung, Anfechtung durch Behörde, Verlust der Staatsangehörigkeit, deutsche Staatsangehörigkeit, Verlust, Verwurzelung, faktischer Inländer, Verfassungsmäßigkeit, verfassungswidrig,
Normen: EMRK Art. 8, GG Art. 3, AufenthG § 25 Abs. 5, AufenthG § 38 Abs. 1, StAG § 17 Abs. 3 S. 2, BGB § 1600 Abs. 1 Nr. 5, BGB § 1600 Abs. 3,
Auszüge:

[...]

1. Der Antragsteller zu 3. ist Ausländer im Sinne von § 2 Abs. 1 AufenthG, weil er nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt.

a) Zwar hat er die deutsche Staatsangehörigkeit zunächst mit der Geburt erworben, nachdem ein zwischenzeitlich verstorbener deutscher Staatsangehöriger die Vaterschaft für ihn wenige Wochen nach der Geburt anerkannt hat (vgl. zum auf die Geburt rückwirkenden Eintritt der Rechtsfolgen der Vaterschaftsanerkennung Renner/Maaßen in: Hailbronner/Renner/Maaßen, Staatsangehörigkeitsrecht, 5. Auflage 2010, Rz. 39 f. zu § 4 StAG). Die deutsche Staatsangehörigkeit hat er jedoch infolge des der Vaterschaftsanfechtungsklage der Stadt Brandenburg an der Havel stattgebenden Beschlusses des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel - Familiengericht - vom 15. Juni 2011 rückwirkend wieder verloren.

Allerdings berührt nach §§ 17 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 StAG der Verlust nach Abs. 1 Nr. 7 und in den in Abs. 3 Satz 1 genannten Fällen, nicht die kraft Gesetzes erworbene deutsche Staatsangehörigkeit Dritter, sofern diese das fünfte Lebensjahr vollendet haben. Das trifft zwar auf den Antragsteller zu 3. zu, da er in dem insoweit maßgebenden Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft des Beschlusses des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel (vgl. dazu auch BVerwG, Urteil vom 19. April 2011 - 1 C 16.10 -, NVwZ 2012, 58, 61, Rz. 22), dem 2. August 2011, bereits das fünfte Lebensjahr vollendet hatte. § 17 Abs. 2 StAG findet jedoch nach § 17 Abs. 3 Satz 2 StAG bei der hier gegebenen Anfechtung der Vaterschaft nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 3 BGB keine entsprechende Anwendung. Zu Unrecht beruft sich der Antragsteller zu 3. darauf, dass diese Regelung gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 GG verstößt und damit verfassungswidrig ist. Der Antragsteller zu 3. hält es für nicht durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt, dass ein Kind, dessen Eltern die Einbürgerung i.S.v. §§ 17 Abs. 1 Nr. 7, 35 Abs. 1 StAG erschlichen haben, vor den durch eine Rücknahme dieser Einbürgerung eintretenden Folgen mit Vollendung des fünften Lebensjahres geschützt werde, während dies bei einer regelmäßig nicht von vergleichbar gewichtigen Täuschungshandlungen begleiteten unrichtigen und erfolgreich angefochtenen Vaterschaftsanerkennung nicht der Fall sei. Dem kann nicht gefolgt werden. Dabei mag dahinstehen, ob die Argumentation des Antragstellers zu 3., die auf die Vorwerfbarkeit des Verhaltens, das zu der später aufgehobenen oder entfallenen Einbürgerung geführt hat, abstellt, überhaupt geeignet ist, einen Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz darzulegen. Denn jedenfalls findet die (Ausnahme-)Vorschrift des § 17 Abs. 3 Satz 2 StAG eine sachliche Rechtfertigung angesichts der Bestimmung des § 4 Abs. 1 Satz 2 StAG. Danach bedarf es zur Geltendmachung des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit durch Geburt einer nach den deutschen Gesetzen wirksamen Anerkennung oder Feststellung der Vaterschaft, wobei die Anerkennungserklärung abgegeben oder das Feststellungsverfahren eingeleitet worden sein muss, bevor das Kind das 23. Lebensjahr vollendet hat. Demnach können Vaterschaftsanerkennungen, die erst nach Vollendung des fünften Lebensjahres des Kindes abgegeben worden sind, die deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes rückwirkend auf den Zeitpunkt von dessen Geburt begründen. Legt man die Auffassung des Antragstellers zu 3. zugrunde, wäre also § 17 Abs. 2 StAG auch auf diese Fälle anwendbar, würde sich die so erworbene deutsche Staatsangehörigkeit stets gegen eine erfolgreiche Anfechtung der Vaterschaftsanerkennung durchsetzen. Dafür ist ein sachlicher Grund nicht ersichtlich. Vielmehr soll nach dem in § 17 Abs. 3 Satz 2 StAG zum Ausdruck gelangenden Willen des Gesetzgebers die erfolgreiche Anfechtung einer Vaterschaftsanerkennung nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 BGB stets den Verlust der staatsangehörigkeitsrechtlichen Folge der Vaterschaftsanerkennung nach sich ziehen. Das ist aus Gründen der Gleichbehandlung nicht zu beanstanden, schafft vielmehr Gleichbehandlung für alle Fälle, in denen die deutsche Staatsangehörigkeit durch die Anerkennung der Vaterschaft begründet worden ist und kann die behauptete Verfassungswidrigkeit des § 17 Abs. 3 Satz 2 StAG nicht begründen. [...]