1. Zum Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung wegen Vorliegens eines Kriegsverbrechens und einer schweren nichtpolitischen Straftat (im Anschluss an BVerwG, Urt. v. 16.02.2010 - 10 C 7.09 - BVerwGE 136, 89).
2. Ein tschetschenischer Volkszugehöriger, der im Zweiten Tschetschenienkrieg abseits vom allgemeinen Kampfgeschehen an der Tötung oder Verwundung russischer Soldaten und der Entführung eines russischen Offiziers zum Zwecke der Freipressung eines anderen Tschetschenen beteiligt war, ist in der Russischen Föderation der Gefahr ausgesetzt, der Folter oder zumindest der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung im Sinne von § 60 Abs. 2 AufenthG unterworfen zu werden.
(Amtliche Leitsätze)
[...]
bb) Der Senat geht weiter davon aus, dass dem Kläger auf Grund der Tötung oder zumindest schweren Verletzung der russischen Soldaten und der Entführung des russischen Offiziers politische Verfolgung unmittelbar drohte. [...]
1.2. Die Anwendung des § 60 Abs. 1 AufenthG und eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft scheidet jedoch gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2, Satz 2 AsylVfG i.V.m. § 60 Abs. 8 Satz 2 AufenthG aus. Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG ist ein Ausländer u. a. dann nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er (1.) ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, (2.) vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden. Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG gilt Satz 1 auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.
1.2.1. Der Ausschlussgrund des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylVfG liegt in der Person des Klägers vor.
Die Frage, ob Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylVfG vorliegen, bestimmt sich gegenwärtig in erster Linie nach den im Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17.07.1998 (BGBl 2000 II S. 1394, [IStGH-Statut]) ausgeformten Tatbeständen dieser Delikte. In Art. 8 Abs. 2 IStGH-Statut werden Kriegsverbrechen differenzierend zwischen Taten in internationalen (Buchst. a und b) und innerstaatlichen (Buchst. c bis f) bewaffneten Konflikten definiert. Für den innerstaatlichen bewaffneten Konflikt knüpft Buchst. c an schwere Verstöße gegen den gemeinsamen Art. 3 der vier Genfer Konventionen über den Schutz der Opfer bewaffneter Konflikte vom 12.08.1949 an. Er stellt u. a. Angriffe auf Leib und Leben sowie die Geiselnahme von Personen unter Strafe, die nicht unmittelbar an den Feindseligkeiten teilnehmen, einschließlich der Angehörigen der Streitkräfte, welche die Waffen gestreckt haben, und der Personen, die durch Krankheit, Verwundung, Gefangennahme oder eine andere Ursache außer Gefecht befindlich sind. Die Vorschrift wertet danach auch Handlungen als Kriegsverbrechen, die gegen Soldaten gerichtet sind. Buchst. e erfasst andere schwere Verstöße gegen die innerhalb des feststehenden Rahmens des Völkerrechts anwendbaren Gesetze und Gebräuche im innerstaatlichen bewaffneten Konflikt. So erstreckt sich Buchst. e Nr. IX - XI auf den Schutz gegnerischer Kombattanten im Falle meuchlerischer Tötung oder Verwundung, der Erklärung, dass kein Pardon gegeben wird sowie der körperlichen Verstümmelung von Personen, die sich in der Gewalt einer anderen Konfliktpartei befinden (vgl. zum Ganzen das Revisionsurteil des BVerwG vom 16.10.2010, 10 C 7.09 - , BVerwGE 136, 89 [97], RdNr. 26 ff.).
a) Bei dem Zweiten Tschetschenienkrieg, in dessen Verlauf der Kläger die von ihm geschilderten Taten beging, handelte es sich um einen innerstaatlichen Konflikt.
aa) Art. 8 Abs. 2 Buchst. d und f IStGH-Statut grenzen innerstaatliche bewaffnete Konflikte ab gegenüber Fällen innerer Unruhen und Spannungen wie Tumulten, vereinzelt auftretenden Gewalttaten oder anderen ähnlichen Handlungen. Buchst. f setzt zudem voraus, dass zwischen staatlichen Behörden und organisierten bewaffneten Gruppen oder zwischen solchen Gruppen ein lang anhaltender bewaffneter Konflikt besteht. Diese Regelungen markieren die untere völkerrechtliche Relevanzschwelle für einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt. Verlangt wird ein gewisses Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit des Konflikts, um den Eingriff in die Souveränität des betroffenen Staates zu rechtfertigen (BVerwG, Urt. v. 24.11.2009, a.a.O., S. 265, RdNr. 33). [...]
cc) Da der Konflikt innerhalb des Staates der Russischen Föderation in der Teilrepublik Tschetschenien stattfand und sich die Russischen Streitkräfte einerseits und (wenn auch teilweise vom Ausland unterstützte) tschetschenische Rebellen andererseits gegenüberstanden, war der Konflikt innerstaatlich. Angesichts des oben dargestellten Ausmaßes der Kampfhandlungen kann auch nicht von bloßen "inneren Unruhen oder Spannungen wie Tumulten, vereinzelt auftretenden Gewalttaten oder anderen ähnlichen Handlungen" gesprochen werden. Zwischen den staatlichen russischen Behörden und organisierten bewaffneten tschetschenischen Rebellen bestand vielmehr ein lang anhaltender bewaffneter Konflikt. Wie bereits das BVerwG im Revisionsurteil ausgeführt hat, sind auch die Beteiligten in der dortigen mündlichen Verhandlung vom Vorliegen eines solchen (aus Sicht des Revisionsgerichts naheliegenden) innerstaatlichen Konflikts ausgegangen.
b) Der Umstand, dass der Kläger nach seinen Schilderungen nicht Mitglied der organisierten bewaffneten tschetschenischen Rebellen war und damit als Zivilperson anzusehen sein dürfte, schließt nicht aus, dass er Täter eines Kriegsverbrechens nach Art. 8 Abs. 2 IStGH-Statut sein kann (BVerwG, Urt. v. 16.02.2010, a.a.O., RdNr. 30).
aa) Art. 8 Abs. 2 IStGH-Statut definiert nur, welche Handlungen Kriegsverbrechen darstellen und wer geeignetes Opfer sein kann, grenzt jedoch den Täterkreis selbst nicht ein. Nach der Rechtsprechung internationaler Strafgerichtshöfe und nach der völkerstrafrechtlichen Literatur kann grundsätzlich auch eine Zivilperson Täter eines Kriegsverbrechens sein, nicht nur ein Kämpfer der sich gegenüberstehenden Konfliktparteien; es muss aber ein funktionaler Zusammenhang mit dem bewaffneten Konflikt bestehen (BVerwG, Urt. v. 16.02.2010, a.a.O., RdNr. 3 1 , m.w.N.).
Der funktionale Zusammenhang erfordert eine Verbindung zwischen der Tat und dem bewaffneten Konflikt, nicht zwischen dem Täter und einer der Konfliktparteien. Eine Verbindung des Täters zu einer der Konfliktparteien ist zwar ein Indiz für den funktionalen Zusammenhang zwischen Tat und Konflikt, aber keine zwingende Voraussetzung. Das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts muss für die Fähigkeit des Täters, das Verbrechen zu begehen, für seine Entscheidung zur Tatbegehung, für die Art und Weise der Begehung oder für den Zweck der Tat von wesentlicher Bedeutung sein. Für einen funktionalen Zusammenhang spricht es, wenn bestimmte Taten unter Ausnutzung der durch den bewaffneten Konflikt geschaffenen Situation begangen werden. Dies gilt aber nicht für Taten, die nur bei Gelegenheit des gleichzeitigen bewaffneten Konflikts und unabhängig von diesem begangen werden. Zu prüfen ist insoweit, ob die Tat in Friedenszeiten ebenso hätte begangen werden können oder ob die Situation des bewaffneten Konflikts die Tatbegehung erleichtert und die Opfersituation verschlechtert hat. Die persönliche Motivation des Täters ist unerheblich (BVerwG, Urt. v. 16.02.2010, a.a.O., RdNr. 32, m.w.N.).
bb) Der hiernach notwendige Zusammenhang zwischen der vom Kläger verübten Tat und dem innerstaatlichen Konflikt ist gegeben.
Der Zweite Tschetschenienkrieg war jedenfalls für seine Entscheidung zur Tatbegehung von wesentlicher Bedeutung. Nur auf Grund der Tatsache, dass sein Bruder als Mitglied der bewaffneten Rebellen festgenommen worden war, entschloss sich der Kläger, zur Befreiung seines Bruders einen russischen Offizier zu entführen und dabei die ihn begleitenden Soldaten kampfunfähig zu machen, also zu verwunden oder gar zu töten.
Dem funktionalen Zusammenhang steht auch nicht entgegen, dass die Aktion abseits vom allgemeinen Kampfgeschehen auf einem Markt durchgeführt wurde; denn die Aktion war gegen eine der Konfliktparteien gerichtet. Sie wurde mit Hilfe der gegnerischen Konfliktpartei realisiert. Die persönliche Motivation des Klägers, seinen Bruder aus russischer Haft zu befreien, steht dem nicht entgegen, da die spezifische Gefährdungssituation des bewaffneten Konflikts die Tat erst ermöglichte (BVerwG, Urt. v. 16.02.2010, a.a.O., RdNr. 33).
c) Auch sind die beiden getöteten oder verwundeten russischen Soldaten als Opfer eines Kriegsverbrechens nach Art. 8 Abs. 2 IStGH-Statut anzusehen.
aa) Der Kläger hat den Tatbestand der "meuchlerischen Tötung" der beiden russischen Soldaten nach Art. 8 Abs. 2 Buchst. e Nr. IX IStGH-Statut erfüllt.
a) Die meuchlerische Tötung und Verwundung feindlicher Kombattanten (sog. Perfidieverbot) wird seit der Verabschiedung von Art. 23 Buchst. b der Haager Landkriegsordnung von 1907 (RGBl 1910, 132) als Kriegsverbrechen angesehen. Während dieses Kriegsverbrechen im internationalen bewaffneten Konflikt auch gegenüber Zivilpersonen begangen werden kann (vgl. Art. 8 Abs. 2 Buchst. b Nr. XI IStGH-Statut), sind taugliche Opfer im nicht internationalen bewaffneten Konflikt nur Kämpfer der gegnerischen Partei (Art. 8 Abs. 2 Buchst. e Nr. IX IStGH-Statut) (BVerwG, Urt. v. 16.02.2010, a.a.O., RdNr. 37). Da die beiden Personen, an deren Tötung der Kläger beteiligt war, russische Soldaten waren, kommt der Kläger als Täter einer "meuchlerischen Tötung" in Betracht.
b) Im Einzelfall sind verbotene Perfidie und erlaubte Kriegslist schwer voneinander abzugrenzen. Zur näheren Bestimmung der Voraussetzungen der "meuchlerischen Tötung" kann auf das Verbot der Heimtücke im internationalen bewaffneten Konflikt nach Art. 37 Abs. 1 des am 08.06.1977 unterzeichneten Zusatzprotokolls I zu den Genfer Abkommen vom 12.08.1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte (Zusatzprotokoll I - BGBl 1990 II S. 1551) zurückgegriffen werden, das auch für den innerstaatlichen bewaffneten Konflikt gilt (BVerwG, Urt. v. 16.02.2010, a.a.O., RdNr. 38). Diese Bestimmung lautet:
"Art 37 Verbot der Heimtücke (1) Es ist verboten, einen Gegner unter Anwendung von Heimtücke zu töten, zu verwunden oder gefangen zu nehmen. Als Heimtücke gelten Handlungen, durch die ein Gegner in der Absicht, sein Vertrauen zu missbrauchen, verleitet wird, darauf zu vertrauen, dass er nach den Regeln des in bewaffneten Konflikten anwendbaren Völkerrechts Anspruch auf Schutz hat oder verpflichtet ist, Schutz zu gewähren. Folgende Handlungen sind Beispiele für Heimtücke:
a) das Vortäuschen der Absicht, unter einer Parlamentärflagge zu verhandeln oder sich zu ergeben;
b) das Vortäuschen von Kampfunfähigkeit infolge Verwundung oder Krankheit,
c) das Vortäuschen eines zivilen oder Nichtkombattantenstatus;
d) das Vortäuschen eines geschützten Status durch Benutzung von Abzeichen, Emblemen oder Uniformen der Vereinten Nationen oder neutraler oder anderer nicht am Konflikt beteiligter Staaten."
Völkerrechtswidrig ist danach nicht jede Irreführung des Gegners, sondern nur die Ausnutzung eines durch spezifische - insbesondere in Art. 37 Abs. 1 Zusatzprotokoll I beschriebene - Handlungen geschaffenen Vertrauenstatbestandes. Entscheidend ist, dass der Täter den Gegner gerade über das Bestehen einer völkerrechtlichen Schutzlage getäuscht hat. Das gilt auch im innerstaatlichen bewaffneten Konflikt. Insoweit ist allerdings zu berücksichtigen, dass es für Guerilla- bzw. Widerstandskämpfer keine völkerrechtliche Pflicht zum Tragen einer Uniform gibt. Mithin ist der Tatbestand des Vortäuschens eines zivilen oder Nichtkombattantenstatus nur unter besonderen Voraussetzungen erfüllt. Für Widerstandskämpfer im innerstaatlichen bewaffneten Konflikt besteht jedoch die Pflicht zum offenen Tragen der Waffe als Unterscheidungsmerkmal zwischen Kämpfern und Zivilpersonen. Das lässt sich aus der Vorschrift des Art. 44 Abs. 3 Zusatzprotokoll I ableiten, wonach Kombattanten nicht gegen das Verbot perfiden Verhaltens verstoßen, wenn sie ihre Waffen bei jeder militärischen Handlung einschließlich der Vorbereitung von Angriffen offen tragen. Diese Wertung ist auch für die Anwendung des Perfidieverbots im innerstaatlichen bewaffneten Konflikt zu berücksichtigen (BVerwG, Urt. v. 16.02.2010, a.a.O., RdNr. 39 f., m.w.N.).
V) Der Kläger hat im Sinne von Art. 8 Abs. 2 Buchst. e Nr. IX IStGH-Statut "meuchlerisch" gehandelt, in dem er den getöteten oder verwundeten Soldaten einen zivilen bzw. Nichtkombattantenstatus vortäuschte. [...]
(3) Dem Kläger ist auch ein vorsätzliches und wissentliches Verhalten im Sinne von Art. 30 IStGH-Statut vorzuhalten.
Gemäß § 30 Abs. 1 IStGH-Satut ist, sofern nichts anderes bestimmt ist, eine Person für ein der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegendes Verbrechen nur dann strafrechtlich verantwortlich und strafbar, wenn die objektiven Tatbestandsmerkmale vorsätzlich und wissentlich verwirklicht werden. Gemäß § 30 Abs. 2 IStGH-Statut liegt "Vorsatz" im Sinne dieses Artikels vor, wenn die betreffende Person a) im Hinblick auf ein Verhalten dieses Verhalten setzen will, b) im Hinblick auf die Folgen diese Folgen herbeiführen will oder ihr bewusst ist, dass diese im gewöhnlichen Verlauf der Ereignisse eintreten werden. "Wissen" im Sinne dieses Artikels bedeutet gemäß § 30 Abs. 3 StGH-Statut das| Bewusstsein, dass ein Umstand vorliegt oder dass im gewöhnlichen Verlauf der Ereignisse eine Folge eintreten wird; "wissentlich" und "Wissen" sind entsprechend auszulegen.
Der Kläger handelte hiernach in Bezug auf die Tatbestandsmerkmale "Tötung" bzw. "Verwundung" und "meuchlerisch" im Sinne von Art. 8 Abs. 2 Buchstabe e Nr. IX IStGH-Statut vorsätzlich.
Er und sein Freund schossen nach seinen eigenen Angaben mit Waffen, die er als "moderne Form der Kalaschnikow" bezeichnet hat, gezielt auf die Soldaten, um sie kampfunfähig zu machen und die Entführung des Offiziers als Austauschperson für seinen Bruder durchführen zu können. Das Verhalten, das Abgeben von Schüssen auf die Soldaten, wollte der Kläger damit ersichtlich setzen. Ihm war auch bewusst, dass als Folge der gezielten Schüsse im gewöhnlichen Verlauf die Soldaten verwundet werden und sie ihren Verletzungen - möglicherweise oder wahrscheinlich - erliegen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 28.11.2008 gab er zwar an (Bl. 93 GA), er habe keine Tötungsabsicht gehabt, er habe aber die russischen Soldaten außer Gefecht setzen müssen, um seinen Bruder zu befreien. Tötungsabsicht setzt Art. 30 IStGH-Statut indes nicht voraus. Da der Kläger und sein Freund aus einer Entfernung von ca. 5 bis 6 m gezielte Schüsse abgaben, musste der Kläger allerdings davon ausgehen, dass diese für die Soldaten tödlich sein werden. Zudem bejahte er im Rahmen seiner Anhörung durch das Bundesamt die Frage, ob er zur Rettung seines Bruders "zum Mörder geworden" sei, was gegen ein bloß fahrlässiges Handeln spricht (BVerwG, Urt. v. 16.02.2010, a.a.O., RdNr. 42). Im Übrigen genügt gemäß Art. 8 Abs. 2 Buchstabe e Nr. IX IStGH-Statut auch die bloße "meuchlerische Verwundung" des Kombattanten für die Annahme eines Kriegsverbrechens. Vorsatz ist auch in Bezug auf die "meuchlerische" Form der Tötung oder Verwundung zu bejahen. Denn durch das verdeckte Tragen der Waffen wollte der Kläger bei den Soldaten, die sich auf dem Markt in keiner unmittelbaren Bedrohungssituation sahen, keinen Argwohn wecken und sie durch einen überraschenden Angriff kampfunfähig machen.
(4) Der Kläger kann sich ferner nicht - strafausschließend - darauf berufen, dass er mit der Verwundung bzw. der (in Kauf genommenen) Tötung der Soldaten (letzten Endes) die Befreiung seines Bruders habe erreichen wollen, dem unmittelbar Gewalt gedroht habe. Strafausschließungsgründe sind am Maßstab von Art. 31 Abs. 1 IStGHStatut zu messen (BVerwG, Urt. v. 16.02.2010, a.a.O., RdNr. 43).
Nach dieser Vorschrift ist neben anderen in diesem Statut vorgesehenen Gründen für den Ausschluss der strafrechtlichen Verantwortlichkeit strafrechtlich nicht verantwortlich, wer zur Zeit des fraglichen Verhaltens
a) wegen einer seelischen Krankheit oder Störung unfähig ist, die Rechtswidrigkeit oder Art seines Verhaltens zu erkennen oder dieses so zu steuern, dass es den gesetzlichen Anforderungen entspricht;
b) wegen eines Rauschzustands unfähig ist, die Rechtswidrigkeit oder Art seines Verhaltens zu erkennen oder dieses so zu steuern, dass es den gesetzlichen Anforderungen entspricht, sofern er sich nicht freiwillig und unter solchen Umständen berauscht hat, unter denen er wusste oder in Kauf nahm, dass er sich infolge des Rausches wahrscheinlich so verhält, dass der Tatbestand eines der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegenden Verbrechens erfüllt wird;
c) in angemessener Weise handelt, um sich oder einen anderen oder, im Fall von Kriegsverbrechen, für sich oder einen anderen lebensnotwendiges oder für die Ausführung eines militärischen Einsatzes unverzichtbares Eigentum, vor einer unmittelbar drohenden und rechtswidrigen Anwendung von Gewalt in einer Weise zu verteidigen, die in einem angemessenen Verhältnis zum Umfang der ihm, dem anderen oder dem geschützten Eigentum drohenden Gefahr steht. Die Teilnahme an einem von Truppen durchgeführten Verteidigungseinsatz stellt für sich genommen keinen Grund für den Ausschluss der strafrechtlichen Verantwortlichkeit nach diesem Buchstaben dar;
d) wegen einer ihm selbst oder einem anderen unmittelbar drohenden Gefahr für das Leben oder einer dauernden oder unmittelbar drohenden Gefahr schweren körperlichen Schadens zu einem Verhalten genötigt ist, das angeblich den Tatbestand eines der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegenden Verbrechens erfüllt, und in notwendiger und angemessener Weise handelt, um diese Gefahr abzuwenden, sofern er nicht größeren Schaden zuzufügen beabsichtigt als den, den er abzuwenden trachtet. Eine solche Gefahr kann entweder
i) von anderen Personen ausgehen oder
ii) durch andere Umstände bedingt sein, die von ihm nicht zu vertreten
sind.
In Betracht zu ziehen ist allenfalls eine Anwendung der Buchstaben c und d. Der Kläger verfolgte nach eigenen Angaben das Ziel, seinen Bruder aus einer als unrechtmäßig angesehenen Inhaftierung zu befreien, in deren Verlauf er Übergriffe bis hin zu Folter oder gar Tötung befürchtete. Damit wollte er eine - aus seiner Sicht - dem Bruder unmittelbar drohende Gefahr abwenden. Er hat aber nicht in einer im Sinne der genannten Vorschrift angemessenen Weise gehandelt, weil die meuchlerische Tötung oder Verwundung der beiden Soldaten in keinem angemessenen Verhältnis zum Umfang der seinem Bruder drohenden Gefahr stand.
bb) Damit bedarf keiner Vertiefung, ob in der Geiselnahme des russischen Offiziers ebenfalls ein Kriegsverbrechens nach Art. 8 Abs. 2 Buchst. c Nr. III IStGH-Statut zu sehen ist.
1.2.2. Eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft scheidet auch gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG i.V.m. § 60 Abs. 8 Satz 2 AufenthG aus, weil die Tötung oder Verwundung der beiden russischen Soldaten eine schwere nichtpolitische Straftat darstellt.
a) Ob einer Straftat das von § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG geforderte Gewicht zukommt, bestimmt sich nach internationalen und nicht nach nationalen Maßstäben. Es muss sich um ein Kapitalverbrechen oder eine sonstige Straftat handeln, die in den meisten Rechtsordnungen als besonders schwerwiegend qualifiziert ist und entsprechend strafrechtlich verfolgt wird (BVerwG, Urt. v. 16.02.2010, a.a.O., RdNr. 47, m.w.N.).
Die vom Kläger begangene Tötung oder Verwundung der beiden Soldaten und die Geiselnahme eines Offiziers sind schwere Straftaten in diesem Sinne, insbesondere weil sie nicht durch einen Kombattantenstatus legitimiert sind; etwas anderes könnte sich nur dann ergeben, wenn der Kläger nicht vorsätzlich gehandelt hätte oder sich auf Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe berufen könnte (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.02.2010, a.a.O., RdNr. 47). Dies ist nach den oben getroffenen Feststellungen nicht der Fall.
b) Die vom Kläger begangene Tat ist auch eine nichtpolitische gewesen.
Die Frage, ob eine Tat politisch oder nichtpolitisch ist, beurteilt sich nach dem Delikttypus sowie den der konkreten Tat zugrunde liegenden Motiven und den mit ihr verfolgten Zielen. Nichtpolitisch ist eine Tat, wenn sie überwiegend aus anderen Motiven, etwa aus persönlichen Beweggründen oder Gewinnstreben begangen wird. Besteht keine eindeutige Verbindung zwischen dem Verbrechen und dem angeblichen politischen Ziel oder ist die betreffende Handlung in Bezug zum behaupteten politischen Ziel unverhältnismäßig, überwiegen nichtpolitische Beweggründe und kennzeichnen die Tat damit insgesamt als nichtpolitisch (BVerwG, Urt. v. 16.02.2010, a.a.O., RdNr. 48; Urt. v. 24.11.2009, a.a.O., RdNr. 42).
Der Beweggrund des Klägers für die Tötung oder Verwundung der beiden Soldaten und für die Geiselnahme des Offiziers lag nach seinem Vorbringen allein in der Befreiung seines Bruders aus der russischen Gefangenschaft. Er verfolgte damit ein persönliches und kein politisches Ziel. Für die politische Qualität der Straftat genügt es nicht, dass sich das Handeln des Klägers aus der Sicht der russischen Sicherheitskräfte (möglicherweise) als Engagement des Klägers für die "tschetschenisch-separatistische Sache" darstellte; vielmehr kommt es insoweit maßgeblich auf die tatsächliche Motivation des Klägers an (BVerwG, Urt. v. 16.02.2010, a.a.O., RdNr. 49). Seinem Vorbringen lässt sich gerade nicht entnehmen, dass er Widerstandskämpfer war und die Aktion den Zielen des tschetschenischen Widerstands dienen sollte. Der Kläger gab vielmehr an, dass er nicht Mitglied der Widerstandskämpfer gewesen sei. Nach den Gründen des Revisionsurteils hat der Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgehoben, dass sich der Kläger nicht mit den Zielen des tschetschenischen Widerstands identifiziere, sondern lediglich eine Einzelaktion mit deren Unterstützung durchgeführt habe. Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 26.07.2012 hat der Kläger nochmals bestätigt, dass er seinen Bruder habe retten wollen und er zu anderen Gründen nichts weiter vorzutragen habe.
c) In seinem Urteil vom 09.11.2010 (C-57/09 und C-101/09, NVwZ 2011, 285) hat die Große Kammer des der EuGH nunmehr klargestellt, dass der Ausschluss von der Anerkennung als Flüchtling nach der mit § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG inhaltsgleichen Regelung des Art. 12 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2004/83 nicht voraussetzt, dass von der betreffenden Person eine gegenwärtige Gefahr für den Aufnahmemitgliedstaat ausgeht und eine auf den Einzelfall bezogene Verhältnismäßigkeitsprüfung durchgeführt wurde. [...]
2.1. Der Kläger hat einen Anspruch auf Feststellung, dass das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG vorliegt. Danach darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem für diesen Ausländer die konkrete Gefahr besteht, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Mit diesem durch das Richtlinienumsetzungsgesetz ergänzten Abschiebungsverbot, das bereits in § 53 Abs. 1 AuslG 1990 und § 53 Abs. 4 AuslG 1990 i.V.m. Art. 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (BGBl 1952 II 685) - EMRK - enthalten war, wird Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG umgesetzt. Die Europäische Kommission hat sich bei der Formulierung dieser Richtlinienbestimmung an Art. 3 EMRK orientiert und in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) Bezug genommen (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.04.2010 - 10 C 5.09 - a.a.O., RdNr. 15). Dadurch soll die inhaltliche Orientierung an der EMRK für den subsidiären Schutz festgeschrieben werden, so dass die einschlägige Rechtsprechung des EGMR übernommen werden soll (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, A 1 § 60 RdNr. 107, m.w.N.).
2.1.1. Die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG scheidet nicht deshalb aus, weil der Kläger den Ausschlussgrund des § 60 Abs. 8 Satz 2 AufenthG i.V.m. § 3 Abs. 2 AsylVfG erfüllt hat. Dieser Ausschlussgrund gilt nach dem eindeutigen Wortlaut nur für das flüchtlingsrechtliche Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 AufenthG, nicht hingegen für die sonstigen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG (BVerwG, Urt. v. 07.09.2010 - 10 C 11.09 Buchholz 451.902 Europ. Ausl- u Asylrecht Nr. 42, S. 181, RdNr. 13). [...]
2.1. Der Kläger hat einen Anspruch auf Feststellung, dass das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG vorliegt. Danach darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem für diesen Ausländer die konkrete Gefahr besteht, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Mit diesem durch das Richtlinienumsetzungsgesetz ergänzten Abschiebungsverbot, das bereits in § 53 Abs. 1 AuslG 1990 und § 53 Abs. 4 AuslG 1990 i.V.m. Art. 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (BGBl 1952 II 685) - EMRK - enthalten war, wird Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG umgesetzt. Die Europäische Kommission hat sich bei der Formulierung dieser Richtlinienbestimmung an Art. 3 EMRK orientiert und in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) Bezug genommen (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.04.2010 - 10 C 5.09 - a.a.O., RdNr. 15). Dadurch soll die inhaltliche Orientierung an der EMRK für den subsidiären Schutz festgeschrieben werden, so dass die einschlägige Rechtsprechung des EGMR übernommen werden soll (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, A 1 § 60 RdNr. 107, m.w.N.).
2.1.1. Die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG scheidet nicht deshalb aus, weil der Kläger den Ausschlussgrund des § 60 Abs. 8 Satz 2 AufenthG i.V.m. § 3 Abs. 2 AsylVfG erfüllt hat. Dieser Ausschlussgrund gilt nach dem eindeutigen Wortlaut nur für das flüchtlingsrechtliche Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 AufenthG, nicht hingegen für die sonstigen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG (BVerwG, Urt. v. 07.09.2010 - 10 C 11.09 Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u Asylrecht Nr. 42, S. 181, RdNr. 13). [...]
2.1.4. Im konkreten Fall ist zunächst davon auszugehen, dass der Kläger wegen seiner Beteiligung an der Entführung und Tötung bzw. Verwundung russischer Militärangehöriger abseits vom allgemeinen Kampf geschehen vor seiner Ausreise aus Tschetschenien von Folter und unmenschlicher erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unmittelbar bedroht war, so dass dem Kläger die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG zugute kommt.
Wie oben (1.1, a) bb)) bereits ausgeführt, gehörten Folter und Erzwingung von Geständnissen bereits geraume Zeit vor der Ausreise des Klägers aus der Russischen Föderation zu den üblichen Praktiken der russischen Sicherheitskräfte. Nach verschiedenen Auskünften wurde von zahlreichen menschenrechtswidrigen Übergriffen berichtet. In sog. Filtrationslagern, die dazu dienen sollten, tschetschenische Terroristen aufzuspüren, kam es im großen Stil, abgeschirmt von der Öffentlichkeit, zu systematischen Folterungen (vgl. zum Ganzen: BayVGH, Urt. v. 24.10.2007 - 11 B 03.30710 Juris, m. w. Nachw.).
Das Europäische Komitee für die Verhinderung von Folter und unmenschlicher und erniedrigender Behandlung (CPT) besuchte vom 23. bis 29.5.2003 bereits zum sechsten Mal Tschetschenien und stellte fest, dass es dort weiterhin zu Rückgriff auf Folter und andere Formen von Misshandlung durch Sicherheitskräfte und föderale Truppen komme. Generell würden in Russland häufig Methoden der Folter und unmenschlicher Behandlung beim Vorgehen von Polizei und Sicherheitskräften angewandt. Gemäß Berichten von NROs, aber auch eingeräumt von offizieller Seite wie dem Menschenrechtsbeauftragten der Russischen Föderation, kommt es bei Verhaftungen, Polizeigewahrsam und Untersuchungshaft immer wieder zu Folter sowie grausamer und erniedrigender Behandlung durch Polizei und Ermittlungsbehörden. Besonders kritisch sei die Situation vor Beginn von Strafverfahren im Rahmen der sog. "Operativen Ermittlungstätigkeit": Dabei würden die Untersuchungsbehörden auch Methoden der Folter anwenden, um erste Informationen zu einem Verbrechen zu erhalten, bevor sie das offizielle Verfahren und weitere prozessrechtlich sanktionierte Untersuchungsschritte einleiteten. Der VN-Menschenrechtsausschuss (Schlussfolgerungen zum 5. Staatenbericht der RF zum Zivilpakt, November 2003) zeigte sich über die "wiederholten Berichte über die Anwendung von Folter und Misshandlung während informeller Befragungen in Polizeistationen" besorgt. Menschenrechtsorganisationen weisen darauf hin, dass nur ein geringer Teil dieser Misshandlungen disziplinarisch oder strafrechtlich verfolgt werde. Dies, wie die auf allen Ebenen wahrgenommene Korruption, unterminiere auch das Vertrauen der Bevölkerung in die Strafverfolgungsbehörden (vgl. zum Ganzen den Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 26.03.2004).
Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass der Kläger vor seiner Ausreise aus der Russischen Föderation befürchten musste, von den russischen Sicherheitskräften, wenn sie seiner habhaft geworden wären, gefoltert zu werden, um ggf. Widerstandskämpfer aufspüren zu können. Wegen der Beteiligung an der Befreiung seines bei den Widerstandskämpfern aktiven Bruders lag es aus Sicht der russischen Sicherheitskräfte nahe, dass der Klägers sich am tschetschenischen Widerstand beteiligte und/oder Kenntnisse über die Rebellenorganisation(en) hatte. Zudem musste er wegen der Tötung oder Verwundung der russischen Soldaten und der Geiselnahme des Offiziers mit Vergeltung durch unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, insbesondere körperliche Bestrafung, wenn nicht sogar mit seiner Tötung rechnen.
2.1.5. Es liegen keine stichhaltigen Gründe vor, die dagegen sprechen könnten, dass der Kläger im Fall seiner Rückkehr in die Russische Föderation erneut von Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung bedroht wird.
a) Ein stichhaltiger Grund ist insbesondere nicht darin zu erkennen, dass nach der Auskunft des Auswärtigen Amts an den Senat vom 21.04.2011 (Bl. 272 GA) laut Interpol Moskau nach dem Kläger in der Russischen Föderation nicht gefahndet werde und auch keine Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass Personen, welche nicht zur Fahndung ausgeschrieben seien, im Fall ihrer Rückkehr nach Tschetschenien oder in andere Teile der Russischen Föderation staatliche Maßnahmen drohen würden.
Das Auswärtige Amt hat im Lagebericht vom 07.03.2011 zur Behandlung von Rückkehrern ausgeführt (S. 35 ff.), solange der Tschetschenien-Konflikt nicht endgültig gelöst sei, sei davon auszugehen, dass abgeschobene Tschetschenen besondere Aufmerksamkeit durch russische Behörden erführen. Dies gelte insbesondere für solche Personen, die sich gegen die gegenwärtigen Machthaber engagiert hätten bzw. denen die russischen Behörden ein solches Engagement unterstellten. Vor diesem Hintergrund spricht Überwiegendes dafür, dass der Kläger im Fall seiner Rückkehr in die Russische Föderation festgenommen wird, wenn den russischen Behörden die Schilderungen des Klägers in dem von ihm betriebenen Asylverfahren bekannt werden. Für Letzteres spricht die Publizität, die das Verfahren mittlerweile gewonnen hat. Es kann insbesondere nicht davon ausgegangen werden, dass die im Zweiten Tschetschenienkrieg begangenen Taten nicht mehr verfolgt werden. Die am 22.06.2006 von der Duma beschlossene Amnestieverordnung, erfasst keine schweren Verbrechen wie Mord und Geiselnahme (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 07.03.2011, S. 23). [...]
Vor diesem Hintergrund und der Tatsache, dass der Kläger - für den Senat glaubhaft - geschildert hat, in welcher Weise er abseits vom allgemeinen Kampfgeschehen an der Verwundung oder Tötung russischer Soldaten sowie der Geiselnahme eines Offiziers beteiligt war, lassen sich keine stichhaltigen Gründe für die Annahme finden, dem Kläger drohe im Fall seiner Verhaftung nicht erneut Folter oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung. Auch besteht der erforderliche innere Zusammenhang zwischen dem dem Kläger vor der Ausreise drohenden Schaden und dem befürchteten künftigen Schaden. [...]