VG Hannover

Merkliste
Zitieren als:
VG Hannover, Urteil vom 27.07.2012 - 12 A 2654/12 - asyl.net: M20430
https://www.asyl.net/rsdb/M20430
Leitsatz:

Auch Angehörige des Volkes der Roma haben in Mazedonien Zugang zum öffentlichen Sozialleistungs- und Gesundheitssystem. Der Zugang zu öffentlichen Leistungen in Mazedonien setzt eine Registrierung voraus. Von einer solchen ist bei Vorliegen eines gültigen Reisepasses auszugehen.

Schlagwörter: Abschiebungsverbot, existenzielle Gefahr, erhebliche individuelle Gefahr, Mazedonien, Existenzgrundlage, Existenzminimum, Zugang zu öffentlichen Leistungen, Registrierung, Reisepass, Roma, familiäre Hilfe, Familienangehörige,
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1,
Auszüge:

[...]

Eine existentielle Gefahr kann das Gericht auch nicht in Anbetracht der Tatsache feststellen, dass die Klägerin seit November 2011 Mutter eines jungen Kindes ist. Denn die Klägerin wäre auch als Mutter eines in der Bundesrepublik Deutschland geborenen Kleinkindes in der Lage, in Mazedonien ihre Existenz zu sichern. In Mazedonien gibt es - wie zutreffend im Bescheid vom 14.02.2012 ausgeführt, auf den insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen gem. § 77 Abs. 2 AsylVfG Bezug genommen wird - ein öffentliches Sozialleistungs- und Gesundheitssystem. Sollte die Klägerin z.B. aufgrund des Alters ihres Kindes nicht in der Lage sein, selbständig für ihren Lebensunterhalt und den ihres Kindes zu sorgen, so wird sie - wie bereits vor ihrer Ausreise - staatliche Hilfe in Anspruch nehmen können. Zwar setzt der Zugang zu öffentlichen Leistungen ebenso wie der Erhalt eines Reisepasses eine Registrierung im Mazedonien voraus (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 19.01.2011). Da die Klägerin in ihrer Anhörung vor der Beklagten aber selbst angab, mit einem Reisepass in die Bundesrepublik Deutschland eingereist zu sein, ist von einer den Zugang zum öffentlichen Sozialleistungs- und Gesundheitssystem eröffnenden Registrierung auszugehen. Im Übrigen haben sowohl Rückkehrer als auch Angehörige des Volkes der Roma Zugang zum öffentlichen Sozialleistungs- und Gesundheitssystem (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 19.01.2011).

Darüber hinaus ist es der Klägerin zumutbar, familiäre Hilfe aus dem In- und Ausland in Anspruch zu nehmen. Der pauschale Einwand, sie könne Hilfe seitens ihrer Familie nicht erwarten, vermag nicht zu überzeugen, zumal die Klägerin bei ihrer Ausreise und ihrem Aufenthalt in Deutschland von ihrer in Deutschland lebenden Tante und ihrer Cousine unterstützt worden ist. So hat sie in ihrer Anhörung angegeben, dass diese ihre Ausreise mit dem Flugzeug finanziert haben und sie zeitweise bei sich haben wohnen lassen. Zudem leben die Mutter und Geschwister der Klägerin in Skopje. Zwar behauptet die Klägerin in ihrer Anhörung, die Mutter sei krank und die Geschwister jung. Dies lässt jedoch nicht darauf schließen, dass sie keinerlei familiären Rückhalt bei einer Rückkehr nach Mazedonien erwarten kann. Immerhin hat sie auch bis zu ihrer Ausreise mit ihrer Mutter und den Geschwistern zusammengelebt. Soweit sie vorträgt, von der Mutter keinerlei Hilfe in Anspruch nehmen zu können, weil sie mittlerweile nach traditioneller Sitte mit dem in Deutschland lebenden Vater ihres Kindes verheiratet ist, so ist sie schließlich auf dessen Hilfe aus dem Ausland zu verweisen.

Soweit die Klägerin in Mazedonien nunmehr auch für den Unterhalt ihres Kindes sorgen muss, ist sie zum einen gehalten, das Kind zum Zwecke der Inanspruchnahme staatlicher Leistungen in Mazedonien registrieren zu lassen und zum anderen auf Unterhaltsleistungen des Kindsvaters zu verweisen. [...]