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VG Braunschweig

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Zitieren als:
VG Braunschweig, Urteil vom 21.02.2013 - 2 A 126/11 - asyl.net: M20528
https://www.asyl.net/rsdb/M20528
Leitsatz:

1. Die Pflicht des Gerichts, die Streitsache spruchreif zu machen, gilt aus Gründen des effektiven Rechtschutzes auch in Verfahren, in denen das Bundesamt einen Asylantrag zu unrecht als unzulässig abgewiesen hat.

2. Die Situation Asylsuchender in Italien stellt sich wie folgt dar: Bei weitem nicht alle Asylsuchende können in staatlichen Aufnahmeeinreichtungen SPRAR (Sistema di Protezione per Richiedenti Asilo e Rifugiati - staatliches Aufnahmesystem) untergebracht werden. Für Dublin-Rückkehrer besteht ein Anspruch auf Unterbringung nur dann, wenn nicht bereits vor der Ausreise ein solcher Platz in Anspruch genommen wurde. Oftmals finden Dublin-Rückkehrer mangels entsprechender behördlicher Bescheinigungen auch in CARAs (Centri di Accoglienza per Richiedenti Asilo - Erstaufnahmeeinrichtungen) keinen Einlass.

3. Eine hinreichende Gesundheitsversorgung kann nicht als gewährleistet angesehen werden. Asylsuchende ohne Obdach sind von der staatlichen Gesundheitsversorgung ausgeschlossen.

4. Eine Person, die den Glauben der Bahai angenommen hat, hat im Iran Verfolgung zu befürchten.

Schlagwörter: spruchreif, effektiver Rechtsschutz, Asylverfahren, Italien, grundlegende Mängel, unmenschliche Behandlung, erniedrigende Behandlung, borderline-europe, medizinische Versorgung, Gesundheitsversorgung, Selbsteintritt, Selbsteintrittsrecht, Bahai, Iran, Glaubenswechsel, Konvertiten, Konversion, religiöse Verfolgung, Religionsgemeinschaft, Durchentscheiden, Flüchtlingsanerkennung, Anerkennung, Asylanerkennung,
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1, VO 343/2003 Art. 19 Abs. 4, VO 343/2003 Art. 19 Abs. 3, VO 343/2003 Art. 3 Abs. 2, RL 2003/9/EG Art. 13, RL 2003/9/EG Art. 14, RL 2003/9/EG Art. 15,
Auszüge:

[...]

Entscheidungsgründe Die Klage hat in vollem Umfang Erfolg.

Sie ist als Verpflichtungsklage zulässig. Gemäß § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO spricht das Gericht, soweit die Ablehnung oder Unterlassung des begehrten begünstigenden Verwaltungsaktes rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt, die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde zum Erlass dieses Verwaltungsakts aus, wenn die Sache spruchreif ist. Nach § 86 Abs. 1 VwGO hat das Gericht im Rahmen des Klagebegehrens alle für die Entscheidung maßgebenden tatsächlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs in eigener Verantwortung festzustellen. Das Gericht muss danach die Streitsache im Sinne des § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO in vollem Umfang spruchreif machen. Es ist deshalb grundsätzlich nicht zulässig, dass das Verwaltungsgericht bei rechtswidriger Verweigerung des begehrten Verwaltungsakts lediglich die Ablehnung aufhebt und der Behörde mit gewissermaßen zurückverweisender Wirkung die Prüfung und Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen aufgibt. Vielmehr hat es die notwendigen Prüfungen und Feststellungen selbst vorzunehmen und sodann abschließend in der Sache zu entscheiden (stRspr, vgl. BVerwG, Urt. v. 10.02.1998 - 9 C 28.97 - BVerwGE 106, 171 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Die Pflicht des Gerichts, die Streitsache spruchreif zu machen, gilt dabei aus Gründen effektiven Rechtsschutzes auch in Verfahren, in denen das Bundesamt einen Asylantrag zu Unrecht als unzulässig abgewiesen hat (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 -, juris), insbesondere, wenn der Kläger - wie hier - sogar im Rahmen seiner Anhörung beim Bundesamt bereits zu den Gründen seiner Asylantragstellung befragt worden ist.

Die Klage ist auch begründet. Die Beklagte ist für die Prüfung des Asylantrages des Klägers zuständig, und dieser hat auch einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG. Der Bescheid des Bundesamtes vom 10.05.2011 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

Die Zuständigkeit der Beklagten ergibt sich hier allerdings nicht schon aus einem Ablauf der Überstellungsfrist i.S.v. Art. 19 Abs. 4 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO. Nach Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin II-VO erfolgt die Überstellung des Antragstellers von dem Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag eingereicht wurde, in den zuständigen Mitgliedstaat gemäß den nationalen Rechtsvorschriften des ersteren Mitgliedstaats nach Abstimmung zwischen den beteiligten Mitgliedstaaten, sobald dies materiell möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab der Annahme des Antrags auf Aufnahme oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat. Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, geht die Zuständigkeit gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Dublin II-VO auf den Mitgliedstaat über, in dem der Asylantrag eingereicht wurde. Der Lauf dieser Oberstellungsfrist hat hier jedoch noch nicht begonnen. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass die Frist für die Durchführung der Überstellung erst dann zu laufen beginnt, wenn in der Hauptsache (und nicht bereits im Verfahren zur Aussetzung der Vollziehung) über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids entschieden worden ist (jeweils unter Bezugnahme auf das zu einer sachgleichen Vorschrift ergangene Urteil des EuGH v. 29.01.2009 - C 19/08 -, juris: Hess. VGH, B. v. 23.08.2011 - 2 A 1863/10.Z.A -; VGH Baden-Württemberg, B. v. 19.06.2012 - A 2 S 1355/11 -; Nds. OVG, B. v. 02.08.2012 - 4 MC 133/12 -; jew. juris). Die vorliegende Klage ist ein Rechtsbehelf im Sinne der genannten Vorschriften, dem aufgrund des Beschlusses des erkennenden Gerichts vom 30.05.2011 (2 B 115/11) aufschiebende Wirkung zukommt.

Vielmehr folgt Zuständigkeit der Beklagten für die Prüfung des Asylantrags des Klägers aus Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO.

Nach dieser Vorschrift kann jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist, und wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat im Sinne der Verordnung. Ob ein Mitgliedstaat von seinem sog. Selbsteintrittsrecht Gebrauch macht, steht grundsätzlich in seinem Ermessen, dessen Ausübung integraler Bestandteil des im EU-Vertrag vorgesehenen und vom Unionsgesetzgeber ausgearbeiteten gemeinsamen Europäischen Asylsystems ist (EuGH, Urt. v. 21.12.2011 – C-411/10 und C-493/10 - NVwZ 2012, 417). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urt. v. 21.12.2011, a.a.O.) lässt dieses Asylsystem die Annahme zu, dass alle daran beteiligten Staaten, ob Mitgliedstaaten oder Drittstaaten, die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der Europäischen Menschenrechtskonvention finden. Es gilt daher die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta der Menschenrechte sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention steht. Diese Vermutung kann jedoch widerlegt werden. Sie ist widerlegt, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat grundlegende Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 der Charta implizieren. Der Mitgliedstaat, der die Überstellung vornehmen müsste, ist in einem solchen Fall verpflichtet, den Asylantrag selbst zu prüfen, sofern nicht ein anderer Mitgliedstaat als für die Prüfung des Asylantrags zuständig bestimmt werden kann.

Die bestehende Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in Italien in Einklang mit den Erfordernissen der Charta sowie der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention steht, ist nach Ansicht des erkennenden Gerichts widerlegt worden, da ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Italien grundlegende Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der dorthin überstellten Asylbewerber implizieren. [...]

Die bereits im Eilverfahren (2 B 115/11) bestehenden Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Kernanforderungen des europäischen Asylrechts gemäß Art. 13, 14 und 15 der Richtlinie 2003/9/EG vom 27.01.2003 (Gewährung materieller Aufnahmebedingungen, welche die Grundbedürfnisse der Asylbewerber nach Unterkunft, Nahrung und medizinischer Versorgung decken) in Italien gegenwärtig nicht gewährleistet sind, sieht das Gericht durch das von Judith Gleitze ("borderline europe e.V.") u.a. aufgrund umfangreicher Recherchen vor Ort erstellte Gutachten (im Folgenden "Gutachten Gleitze") als bestätigt an. Insbesondere können danach bei weitem nicht alle Asylsuchende in Italien in staatlichen Aufnahmeeinrichtungen untergebracht werden. Für die Aufnahme in eines der SPRARs existieren lange Wartelisten (vgl. Gutachten Gleitze, S. 43). Für die Dublin-Rückkehrer besteht außerdem das Problem, dass ein Anspruch auf Unterbringung in einem SPRAR ohnehin nur dann gegeben ist, wenn nicht bereits vor der Ausreise ein solcher Platz in Anspruch genommen wurde. Oftmals finden Dublin-Rückkehrer mangels entsprechender behördlicher Bescheinigungen auch in CARAs keinen Einlass (vgl. Gutachten Gleitze, S. 41). Nach den Angaben von Frau Gleitze haben in den Jahren 2011 und 2012 nur zwischen 6 und 12 % der nach Rom überstellten Dublin-Rückkehrer eine Unterkunft in einer der staatlichen Aufnahmeeinrichtungen erhalten (vgl. im Einzelnen Gutachten Gleitze, S. 59f.). Dass wegen des Wegfalls der Notstandszentren in Zukunft sogar ein noch größerer Unterbringungsmangel zu erwarten sein dürfte (vgl. Gutachten Gleitze, S. 66), liegt auf der Hand.

Auch eine hinreichende Gesundheitsversorgung kann nicht als gewährleistet angesehen werden. Insbesondere die psychosoziale Versorgung von mental kranken und traumatisierten Asylsuchenden beschreibt die Gutachterin als absolut unzureichend (vgl. Gutachten Gleitze, S. 48). Körperliche oder psychische Erkrankungen von Dublin-Rückkehrern würden nach Auskunft verschiedener italienischer Stellen (Präfektur, SPRAR) oftmals nicht einmal an die zuständigen Behörden weitergegeben. Gesundheitsversorgung fände zudem ausschließlich gegen Vorlage einer sog. Gesundheitskarte (und Zahlung einer Praxisgebühr) statt, deren Erteilung wiederum einen festen Wohnsitz voraussetzt (vgl. Gutachten Gleitze, S. 47f.). Asylsuchende ohne Obdach sind somit von der staatlichen Gesundheitsversorgung ausgeschlossen.

Soweit das Gutachten damit von Auskünften des Auswärtigen Amtes (Auswärtiges Amt, Auskünfte vom 09.12.2011 und vom 01.08.2012 an das VG Braunschweig und vom 11.07.2012 an das VG Freiburg) abweicht, ist zu bemerken, dass diese die umfangreichen Recherchen der Gutachterin keineswegs zu entkräften vermögen, da sie lediglich allgemeine Hinweise auf die in Italien herrschende Gesetzeslage in Asylsachen enthalten (vgl. insbesondere S. 2 der in diesem Verfahren eingeholten Auskunft vom 01.08.2012, Bl. 142 d. Gerichtsakte). Nachweise dafür, dass sich die zitierten Gesetze von den betroffenen Flüchtlingen in der Praxis durchsetzen lassen, fehlen hingegen ebenso wie Ausführungen oder Nachweise zu der in Italien de facto gegenwärtig herrschenden Situation in den Bereichen Unterkunft, Verpflegung und medizinische Versorgung.

Auch die auf den Angaben der Liaisonbeamtin in Italien basierende Einschätzung des BAMF vom 21.02.2013 (vgl. BI. 195-199 d. Gerichtsakte), die dem Gericht erst während der mündlichen Verhandlung per Fax übermittelt wurde, vermag das Gutachten von Judith Gleitze nicht substantiiert zu widerlegen. Insbesondere wird nicht dargelegt, ob bzw. wie viele Flüchtlinge tatsächlich einen Platz in einer der Unterbringungsformen bekommen haben. Hinsichtlich der SPRAR sind die angegeben Zahlen völlig unverständlich. Vor allem erschließt sich dem Gericht nicht, wie - ohne Doppelbelegung - bei 3.000 vorhandenen Plätzen 6.000 Personen bzw. bei 5.000 vorhandenen Plätzen 8.000 bis 10.000 Personen untergebracht werden können sollen. Es mag zutreffen, dass, wie das BAMF behauptet, alle Dublin-Rückkehrer eine Adresse zugewiesen bekommen. Frau Gleitze hat jedoch nachgewiesen, dass zahlreiche Flüchtlinge an den zugewiesenen Adressen abgewiesen werden müssen, weil die Kapazitäten erschöpft sind. Das Bemühen, obdachlosen Flüchtlingen durch "virtuelle Wohnsitznahme" den Zugang zum Asylverfahren zu ermöglichen, entbindet nicht von der Verpflichtung, Asylsuchenden eine menschenwürdige Unterkunft zu gewähren. Zwar trifft es zu, dass in dem Gutachten auch die Schicksale einzelner Asylsuchender beispielhaft geschildert werden. Entgegen der Einschätzung des BAMF hat die Gutachterin dabei jedoch keine Einzelschicksale verallgemeinert. Hinsichtlich der Gesundheitsversorgung geht das BAMF sogar selbst davon aus, dass eine Registrierung nur mit Aufenthaltserlaubnis, d.h. unter Angabe einer festen Adresse, möglich ist. Wie obdachlosen Flüchtlingen der Zugang zur Gesundheitsfürsorge eröffnet sein soll, wird hingegen nicht erläutert.

Nach alldem muss die Bundesrepublik Deutschland hier von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen. Die vom erkennenden Gericht vorzunehmende inhaltliche Prüfung des Asylbergehrens des Klägers ergibt dabei, dass für ihn die Voraussetzungen einer Flüchtlingsanerkennung gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG gegeben sind. [...]

Nach diesen Maßstäben ist das Gericht davon überzeugt, dass der Kläger einen ernsthaften, nicht nur taktisch motivierten Glaubenswechsel vollzogen hat und seine heutige religiöse Identität vom Bahaitum geprägt ist. Bereits bei seiner ersten informatorischen Anhörung am 07.06.2012 machte der Kläger einen außerordentlich glaubhaften Eindruck, der sich bei der Fortsetzung der mündlichen Verhandlung erneut bestätigt hat.

Sowohl seinen Reiseweg als auch sein Verfolgungsschicksal schilderte er stringent und nahezu widerspruchsfrei, Die Ausführungen des Klägers in Bezug auf die Religionsgemeinschaft der Baha'i gingen über eine Schilderung der Grundprinzipien weit hinaus. Sie waren detailliert, anschaulich und von persönlichen Eindrücken geprägt. Auf Nachfragen des Gerichts reagierte der Kläger stets prompt und nachvollziehbar und verwies u.a. auf sein intensives Studium der Schriften des Baha'ullah. Die erkennende Einzelrichterin hat auch keinen Zweifel daran, dass er sich bereits im Iran für die Glaubensgemeinschaft der Baha'i interessiert hat und dort aus diesem Grund massiven Anfeindungen ausgesetzt war.

Seine offizielle Aufnahme in die Gemeinschaft der Baha'i hat der Kläger zudem durch Vorlage seines Mitgliedausweises im Original sowie eine Bestätigung des Nationalen Geistigen Rats der Baha'i in Deutschland vom 19.02.1013 nachgewiesen. Nach der Auskunft des Nationalen Geistigen Rates der Baha'i in Deutschland an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 16. November 2011 wird bei einem Aufnahmegesuch jeder Fall einzeln sorgfältig geprüft. Dabei werde in einem persönlichen Gespräch zwischen zwei Beauftragten und dem Bewerber versucht, die Person kennenzulernen und ihre Motive einzuschätzen. So werde in Erfahrung gebracht, wie und wo die Person den Baha'i-Glauben kennengelernt habe, wie die Lebensumstände und der Aufenthaltsstatus seien oder ob über einen längeren Zeitraum hinweg das Interesse am Glauben deutlich geworden sei, ob Kenntnisse über den Glauben vorhanden seien und eine regelmäßige Teilnahme an den Baha'i-Aktivitäten vorliege. Ziel sei es weiterhin, sich ein Bild von der Aufrichtigkeit und Rechtschaffenheit des Verhaltens zu machen. So würden Einkünfte vor Ort eingeholt. Eine Aufnahme in die Gemeinde erfolge nur dann, wenn keinerlei Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Glaubensüberzeugung bestünden und der Nationale Geistige Rat sich von der Aufrichtigkeit der Motive habe überzeugen können. Es müsse deutlich erkennbar sein, dass der Beweggrund ausschließlich die Anerkennung des Bahau'llah sei. Andere Beweggründe würden nicht akzeptiert. Wo dies nicht eindeutig der Fall sei, seien Anträge auf Aufnahme in die Gemeinde abgelehnt oder zur erneuten Prüfung nach mehreren Monaten zurückgestellt worden (vgl. auch Auskunft des Nationalen Geistigen Rates der Baha'i in Deutschland vom 05.09.2012 an das VG Regensburg). Ausgehend davon hat der Kläger auf ein solches Aufnahmegespräch hingewiesen, für das er nach Hamburg reisen musste, und dieses glaubhaft geschildert. Seine Schilderungen decken sich mit den soeben zitierten Auskünften.

Das Gericht hat angesichts seiner Ausführungen im Rahmen der mündlichen Verhandlung und der vorgelegten Lichtbilder auch keinen Zweifel, dass der Kläger ein fester Bestandteil der Gemeinschaft der Baha'i in Deutschland ist und an deren Treffen teilnimmt, soweit ihm dies möglich ist. Besonders zu erwähnen ist zudem der Umstand, dass der Kläger seinen Glauben nicht nur öffentlich und nach außen hin lebt, sondern dass er sich auch in der Öffentlichkeit für seinen Glauben engagiert, indem er z. B. In einen Vortrag über die Gemeinschaft der Baha'i und deren Verfolgung gehalten hat (vgl. die von ihm vorgelegte Bescheinigung der Laizistischen Bewegung für demokratischen Pluralismus im Iran).

Aufgrund der aktuellen Lage besteht im Iran für Mitglieder der Baha'i - insbesondere für Konvertiten -- die beachtliche Gefahr von Verfolgungshandlungen. Das Verwaltungsgericht Würzburg hat dazu in einer aktuellen Entscheidung vom 21.11.2012 (W 6 K 12.30117, juris) wie folgt ausgeführt:

"So enthalten schon die Lageberichte des Auswärtigen Amtes der letzten Jahre durchweg die Aussage, dass die Situation der Baha'i problematisch ist, da diese im Iran diskriminiert werden und Repressionen unterliegen. Auch in den Erkenntnissen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Informationszentrum Asyl und Migration) der letzten Jahre werden immer wieder Übergriffe gerade gegen Mitglieder der Baha'i dokumentiert. Nach den vorliegenden Erkenntnissen ist das Gericht überzeugt, dass Baha'i mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung bei einer Rückkehr in den Iran droht. Dies gilt erst recht für Konvertiten, die vom Islam zu den Baha'i konvertiert sind. Denn die Baha'i gelten als eine vom Islam abgefallene Sekte. Das Gericht folgt insoweit der Rechtsprechung, die jedenfalls den konvertierten Mitgliedern der Gemeinschaft der Baha'i die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gewährt (vgl. VG Düsseldorf, U. v. 11.10.2011, Az: 2 K 4175/10.A; VG Ansbach vom 31.03.2011, Az: AN 18 K 11.30040; VG Meiningen, U. v. 11.06.2008, Az: 5 K 20406/04 Me)." [...]