OVG Sachsen-Anhalt

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Zitieren als:
OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 19.04.2002 - A 2 S 203/98 - asyl.net: M2084
https://www.asyl.net/rsdb/M2084
Leitsatz:

Zum Erwerb der eritreischen Staatsangehörigkeit; Verlust der äthiopischen Staatsangehörigkeit durch Teilnahme am eritreischen Unabhängigkeitsreferendum; keine beachtliche Rückkehrgefährdung von einfachen Mitgliedern der ELF oder EDJU wegen exilpolitischer Aktivität, wenn sie sich in Eritrea jeglicher oppositioneller Aktivität enthalten; keine Möglichkeit, in Eritrea tatsächlich für die ELF aktiv zu werden; Abschiebungshindernis gem. § 53 Abs. 6 AuslG wegen allgemeinen Gefahren muss anhand der Umstände des Einzelfalls (z.B. Alter, allgemeine Konstitution und Gesundheitszustand, verwandtschaftliche und persönliche Beziehungen, Ortskenntnisse und besondere Qualifikationen) beurteilt werden; keine Gefahr der Vollstreckung der Todesstrafe wegen Wehrdienstentziehung.(Leitsatz der Redaktion)

 

Schlagwörter: Äthiopien, Eritrea, Eritreer, Staatsangehörigkeit, Familienangehörige, ELF, Sippenhaft, Nachfluchtgründe, Wehrdienstentziehung, Subjektive Nachfluchtgründe, Exilpolitische Betätigung, Eritrean Democratic Youth Union, E.D.Y.U. e.V., ELF, Antragstellung als Asylgrund, Situation bei Rückkehr, Abschiebungshindernis, Sicherheitslage, Krieg, Friedensabkommen, Versorgungslage, Existenzminimum, Medizinische Versorgung, Flüchtlingslager, Hilfsorganisationen
Normen: AuslG § 51 Abs. 1; AuslG § 53 Abs. 4; AuslG § 53 Abs. 6
Auszüge:

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Verpflichtung der Beklagten, für ihre Person das Vorliegen eines Abschiebungsverbots gemäß § 51 Abs. 1 AuslG oder, hilfsweise, das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 Abs. 6 AuslG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 sowie Art. 2 Abs. 2 GG für Eritrea festzustellen.

Im Falle der Klägerin ist ausschließlich für den Staat Eritrea festzustellen, ob ihr dort im Sinne des § 51 Abs. 1 AuslG mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung bei einer Rückkehr droht, denn die Klägerin ist aus heutiger Sicht Staatsangehörige des am 24.05.1993 wieder zur Selbständigkeit gelangten Staates Eritrea. Zur Überzeugung des Senats besitzt die Klägerin die eritreische Staatsangehörigkeit; denn Art. 3 der eritreischen Verfassung garantiert allen Personen mit mindestens einem "eritreisch-stämmigen Elternteil" die eritreische Staatsangehörigkeit. Nach der Verbalnote des Staates Eritrea vom 30.09.1993 (siehe Anhang zur Auskunft des Auswärtigen Amtes - AA - vom 30.08.1994 an das VG Berlin) sind alle eritreischen Volkszugehörigen, die die Bedingungen der Art. 2 - 6 der "Eritreischen Staatsangehörigkeitsverordnung Nr. 21/1992", die am 06.04.1992 in Kraft getreten ist, erfüllen, eritreische Staatsangehörige. Art. 2 (1) der zitierten Verordnung sieht vor: "Wer in Eritrea oder im Ausland als Kind eines Vaters oder einer Mutter eritreischer Abstammung geboren ist, ist eritreischer Staatsangehöriger durch Geburt."

Die Klägerin besitzt gemäß Art. 2 (1) dieser Verordnung die eritreische Staatsangehörigkeit, da sie nach ihren eigenen Angaben als Kind eritreisch-stämmiger Eltern geboren ist, und sie würde von den eritreischen Behörden auch als Eritreerin betrachtet werden (AA, Auskunft vom 14.02.2001 an das OVG LSA <S. 1>); Institut für Afrika-Kunde - IfA - vom 12.07.2000 an das OVG LSA <S. 2>). Der Einzelne erhält auf Antrag eine entsprechende Staatsangehörigkeitsbescheinigung (Art. 2 4> der genannten Verordnung). Zwar kann nach der Verbalnote der Botschaft des Staates Eritrea jeder Eritreer auf die in Art. 2 bis 6 der Staatsangehörigkeitsverordnung Nr. 21/1992 festgelegte eritreische Staatsangehörigkeit verzichten und eine andere, z. B. äthiopische, Staatsangehörigkeit annehmen. Dass die Klägerin von einem solchen Verzicht Gebrauch gemacht hat, ist nicht ersichtlich und auch von der Klägerin nicht dargetan worden. Sie selbst beruft sich vielmehr von Anfang an darauf, eritreische Staatsangehörige zu sein. Für die Möglichkeit der doppelten Staatsangehörigkeit gibt es noch keine Vereinbarungen zwischen den Regierungen Eritreas und Äthiopiens; sie ist aber nach der Verbalnote nicht auszuschließen, denn die Staatsangehörigkeitsverordnung Nr. 21/1992 erlaubt in Art. 2 (5) die doppelte Staatsangehörigkeit in Eritrea in Ausnahmefällen. Diese muss aber begründet und eigens beantragt werden. Die Klägerin hat einen solchen Antrag allerdings nicht gestellt. Auch der Umstand, dass die Klägerin sich im Ausland aufhält, ändert nichts an ihrer eritreischen Staatsangehörigkeit, denn die Staatsangehörigkeitsverordnung Eritreas enthält für diese Personen keine Sonderregelungen (AA, Auskunft vom 21.11.2001 an VGH BW <S. 1>).

Entgegen der Auffassung der Prozessbevollmächtigten ist die Klägerin auch nach dem derzeit geltenden äthiopischen Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22.07.1930, das nach wie vor anwendbar ist (AA, Auskunft vom 08.09.2000 an das OVG LSA <S. 1>), eritreische Staatsangehörige. Zwar hat die Klägerin mit ihrer Geburt in Addis Abeba und damit auf äthiopischem Staatsgebiet zunächst die äthiopische Staatsangehörigkeit erworben und, da sie sich bis zum Zeitpunkt ihrer Ausreise im Wesentlichen auf äthiopischem Staatsgebiet aufgehalten hat, auch behalten. Indes tritt nach Art. 11 des äthiopischen Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 22.07.1930 der Verlust der äthiopischen Staatsangehörigkeit ein, wenn ein äthiopischer Staatsangehöriger "eine andere Staatsangehörigkeit erwirbt" (AA, Auskunft vom 12.09.1995 an das VG Wiesbaden). Die vor Erlass der Eritreischen Staatsangehörigkeitsverordnung Nr. 21/1992 von der Klägerin innegehabte äthiopische Staatsangehörigkeit ist demnach nach Art. 11 des äthiopischen Staatsangehörigkeitsgesetzes mit dem Erwerb der eritreischen Staatsangehörigkeit weggefallen (so auch SaarIOVG, Urt. v. 07.06.2001 - 1 R 2/01 -; VGH BW, Urt. v. 13.12.1995 - A 13 S 363/93 -; a. A. HessVGH, Urt. v. 24.10.1996 - 3 UE 2697/91 <juris>, der sowohl von einer eritreischen als auch einer äthiopischen Staatsangehörigkeit ausgeht). Zudem ist nach den eingeholten Auskünften davon auszugehen, dass auch die äthiopischen Behörden, die bei der Staatsangehörigkeitsprüfung neben der Abstammung von Personen auch voluntative Elemente wie z. B. die Entscheidung von Personen, an dem eritreischen Unabhängigkeitsreferendum teilzunehmen oder an den eritreischen Staat Zahlungen zu leisten, mit einbezieht (AA, Auskunft vom 08.09. 2000 an das OVG LSA <S. 1>; amnesty international - ai -, Auskunft vom 11.12.2000 an das OVG LSA >S. 2>), die Klägerin als eritreische Staatsbürgerin ansehen werden. Die Klägerin hat nämlich nach ihren eigenen Angaben am eritreischen Unabhängigkeitsreferendum im Jahre 1993 teilgenommen und im Rahmen des insoweit notwendigen Registrierungsverfahrens für das Referendum eine eritreische Identitätskarte erhalten. Ihr hierdurch dokumentierter Erwerb der eritreischen Staatsangehörigkeit auf der Grundlage des Art. 3 der Verfassung des unabhängigen Eritrea hat zur Folge, dass in ihrem Fall nicht mehr von einem (Fort-)Bestehen der ursprünglichen äthiopischen Staatsangehörigkeit ausgegangen werden kann.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG bezüglich des allein in Betracht kommenden Verfolgerstaats Eritrea nicht zu. Die exilpolitische Betätigung der Klägerin zu Gunsten der EDJU erfüllt nicht die Voraussetzungen eines selbstgeschaffenen (subjektiven) Nachfluchtgrundes, der einen Abschiebungsschutzanspruch nach § 51 Abs. 1 AuslG eröffnen könnte. Die Frage einer Rückkehrgefährdung einfacher Mitglieder der ELF bzw. EDJU wird von den verschiedenen Stellen nicht einheitlich eingeschätzt. Es besteht aber weitestgehend Übereinstimmung dahingehend, dass Rückkehrer nach Eritrea allein wegen ihrer Mitgliedschaft in der ELF oder wegen exilpolitischer Betätigung von untergeordneter Bedeutung keine Verfolgungsmaßnahmen zu befürchten haben, soweit sie sich nach der Rückkehr jeglicher oppositioneller Aktivitäten enthalten (SaarIOVG, Urt. v. 07.06.2001 - 1 R 2/01 -; VGH BW, Urt. v. 13.12.1995 - A 13 S 363/93 -; HessVGH, Urt. v. 24.10.1996 - 3 UE 2697/91 -, <juris>). Dieser Einschätzung schließt sich der Senat nach Auswertung der vorliegenden Auskünfte sachverständiger Stellen an (so schon OVG LSA, Beschl. v. 12.05. 2000 - A 2 S 175/98 -): Nach Auskunft des Instituts für Afrika-Kunde an das OVG LSA vom 12.07.2000 <S. 2> scheint die Verfolgung eines einfachen Mitglieds der ELF, das sich in der Jugendorganisation der Partei engagiert, nicht sehr wahrscheinlich (so auch IfA, Auskunft vom 09.01.2001 an VG Regensburg <S. 5> und Auskünfte vom 29.11.1999 an VG Köln <S. 1> und vom 18.11.1999 an VG Gießen <S. 2>). Laut Auskunft von ai an das OVG LSA vom 11.12.2000 <S. 3> gibt es zwar immer wieder Berichte aus Eritrea über extralegale Tötungen Oppositioneller aus ungeklärten Umständen, darunter auch von mutmaßlichen oder tatsächlichen ELF-Angehörigen. Konkrete Fälle, die den Schluss zulassen, dass die Teilnahme an Versammlungen der ELF-Jugendorganisation während des Exils in Deutschland zu staatlichen Maßnahmen gegen die Klägerin führen, liegen allerdings auch amnesty international nicht vor (ai, Auskunft vom 18.07.2001 an das VG Regensburg <S. 2>). Auch dem Auswärtigen Amt ist bislang kein Fall bekannt geworden, bei dem die alleinige Mitgliedschaft in der ELF ein Grund für eine Verfolgung durch die staatlichen Organe war; selbst kritische Artikel führten nach Rückkehr bislang regelmäßig nicht zu Repressionen (AA, Auskunft vom 14.02.2001 an das OVG LSA <S. 2>; vom 02.02.2001 an VG Regensburg <S. 4>; vom 07.02.2001 an VG Kassel <S. 1>; Lageberichte vom 14.10. 2001 (S. 7) und 03.04.2000 <S. 7> sowie Auskünfte vom 10.02.2000 an VG Ansbach <S. 2>, vom 12.10.1999 an VG Köln <S. 2> und vom 14.09.1999 an VG München <S. 1>). Verfolgungsmaßnahmen aufgrund exilpolitischer Betätigung sind nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes und nach der o. a. aktuellen politischen Situation in Eritrea nur dann zu befürchten, wenn ein Mitglied der ELF der eritreischen Regierung als gefährlicher bzw. besonders hartnäckiger Oppositioneller oder Kritiker erscheint (AA, Auskunft vom 02.02.2001 an das VG Regensburg <S. 4>). Die vorliegenden Auskünfte gehen in diesem Zusammenhang übereinstimmend davon aus, dass dem eritreischen Staat Informationen darüber vorliegen, welche Eritreer sich in dieser Form exilpolitisch für die Opposition betätigen.

Die Klägerin gehört indes dieser Gruppe der exponierten Oppositionellen nicht an. Dies gilt auch, soweit die Klägerin im verwaltungsgerichtlichen Verfahren behauptet hat, sie wolle trotz des Verbots durch die Regierungspartei PFDJ versuchen, für die ELF in Eritrea tätig zu werden. Es ist zum jetzigen Zeitpunkt schon zweifelhaft, ob die Klägerin sich im Falle ihrer Rückkehr nach Eritrea überhaupt noch in irgendeiner Form öffentlich oppositionell betätigen wird; denn nach ihren eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung hat sie bereits vor zwei Jahren ihre exilpolitischen Aktivitäten in der EDJU e. V. aufgegeben. Aber selbst wenn davon ausgegangen wird, dass die Klägerin weiterhin an einer politischen Arbeit für die ELF in Eritrea interessiert ist, führt dies nicht zur Feststellung eines Abschiebungsverbots im Sinne des § 51 Abs. 1 AuslG. Zwar lässt sich als gesicherte Erkenntnis nach der aufgezeigten Auskunftslage und der aktuellen politischen Entwicklung feststellen, dass die Klägerin ihre oppositionellen politischen Ansichten in Eritrea nicht wird fortsetzen können, da die Regierungspartei keine Opposition duldet. Ob dies schon die Bejahung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG rechtfertigt, kann jedoch dahinstehen, denn nach den Erkenntnissen des Instituts für Afrika-Kunde (lfA, Auskunft vom 12.07.2000 an das OVG LSA <S. 3>) und des Auswärtigen Amtes (AA, Auskunft vom 14.02.2001 an das OVG LSA <S. 2> und an das VG Ansbach vom 21.11.2001 <S. 1>) gibt es für die Klägerin in Eritrea keine Möglichkeiten, entsprechende Exilaktivitäten für die ELF bzw. deren Ziele fortzusetzen, weil die ELF in Eritrea selbst nicht vertreten ist. Die Wahrscheinlichkeit einer etwaigen Verfolgung der Klägerin in Eritrea wird auch nicht durch die behaupteten Verbindungen ihrer Familie zur ELF erhöht; denn die eritreische Regierung erkennt die militärischen Erfolge der ELF gegen die frühere äthiopische Regierung an und forderte mehrmals ELF-Mitglieder auf, sich der EPLF bzw. PFDJ anzuschließen (lfA, Auskunft vom 12.07.2000 an das OVG LSA <S. 2>); Sippenhaft wird in Eritrea nicht praktiziert (AA, Auskunft vom 14.02.2001 an das OVG LSA <S. 2>). Zwar könnte sich nach der Auskunft von ai an das OVG LSA vom 11.12.2000 <S. 3> aufgrund der militärischen Beteiligung ihres Vaters und Bruders in einer ELF-Organisation eine Gefährdung für die Klägerin ergeben. Indes genügt diese knappe Feststellung nicht, um die für § 51 Abs. 1 AuslG erforderliche beachtliche Wahrscheinlichkeit annehmen zu können.

Wegen der Stellung eines Asylantrages allein droht einem einfachen Mitglied einer ELF-Nachfolgeorganisation ebenfalls keine politische Verfolgung (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 14.10.2001 <S. 7>).

Die Beklagte ist auch nicht verpflichtet, ein Abschiebungshindernis im Sinne des § 53 Abs. 6 AuslG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 sowie Art. 2 Abs. 2 GG festzustellen, da dessen Voraussetzungen nicht vorliegen. Für Staatsangehörige aus Eritrea hat die Rückkehr keine konkrete Lebensgefahr zur Folge, die durch die allgemeinen Lebensumstände bedingt ist. Die Versorgungslage mit Nahrungsmitteln ist nach Ansicht des Instituts für Afrika-Kunde in ganz Eritrea vor dem Hintergrund der erst Ende 2000 beendeten Kriegshandlungen als sehr kritisch zu bezeichnen (lfA, Auskunft vom 12.07.2000 an das OVG LSA <S. 4>). Auch das Auswärtige Amt stellt fest, dass die Nahrungsmittelproduktion, die auch zu normalen Zeiten nicht voll ausreichte, durch eine Dürreperiode im Jahr 2000 fast völlig ausgefallen ist, so dass die internationale Gebergemeinschaft etwa 60 % der Bevölkerung als bezugsberechtigt für Nahrungsmittelhilfe identifiziert hat (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 14.10.2001 <S. 3>). Für mittellose Eritreer sorgt derzeit die "Eritrean Refugee and Relief Commission (ERREC)", die die Versorgung mit den zum Überleben notwendigen Grundnahrungsmitteln sicherstellt; eine Krisensituation konnte bisher verhindert werden (AA, Auskunft vom 14.02.2001 an das OVG LSA <S. 2>). Die medizinische Grundversorgung ist in Eritrea weitgehend sichergestellt. Ausgehend von diesen Erwägungen ist für die Klägerin eine erhebliche konkrete Gefahr für deren Leib und Leben im Sinne von § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG zu verneinen. Zwar ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin, die seit ihrem 7. Lebensjahr in Äthiopien gelebt hat, in Eritrea keine persönlichen Beziehungen und familiäre Bindungen haben dürfte, die generell eine Existenzsicherung dort erleichtern könnten. Aber selbst wenn mit ai (Auskunft vom 11.12.2000 an das OVG LSA <S. 4>) davon auszugehen wäre, dass es für die Klägerin in Eritrea in den nächsten Jahren kaum eine Möglichkeit geben wird, sich ohne den Rückhalt einer Familie und ohne finanzielle Mittel eine wirtschaftliche Existenz aufzubauen, stände ihr noch die Möglichkeit offen, auf die Unterstützung der in Eritrea tätigen Hilfsorganisationen zurückzugreifen, durch die - wie oben bereits erläutert - eine Versorgung mit den zum Überleben notwendigen Grundnahrungsmitteln sichergestellt ist (AA, Auskunft vom 14.02. 2001 an das OVG LSA <S. 2>). Die Möglichkeit einer Arbeitsaufnahme ist kein Erfordernis einer Existenzsicherung im Sinne des Asylrechts, wenn jedenfalls humanitäre Hilfseinrichtungen - wie hier - ausreichende Unterstützung gewährleisten (in diesem Sinne auch: BVerwG, Urt. v. 15.07.1997 - BVerwG 9 C 2.97 -, BayVBI. 1998, 250; OVG LSA, Urt. v. 06.12.2001 - 1 L 2/01 -, für Flüchtlinge aus dem Irak; Nds- OVG, Urt. v. 28.09.1995 - 12 L 2034/95 <juris>; a.A. BayVGH, Urt. v. 10.01.2002 - 23 B 01.31285 -, UA S. 14 f.).

Auch andere Gefahren, deren Eintritt die Regelung des § 53 AuslG verhindern soll, liegen nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vor. Für die Klägerin besteht insbesondere kein Abschiebungshindernis gemäß § 53 Abs. 2 AuslG wegen der von ihr behaupteten Wehrdienstentziehung; denn nach den vorliegenden Erkenntnismitteln besteht deswegen für sie nicht die Gefahr der Todesstrafe, da Kriegsdienstverweigerer und Fahnenflüchtlinge, denen die Klägerin im Falle des Nichterfüllens ihrer Wehrpflicht zuzurechnen ist, im Regelfall (nur) mit Gefängnisstrafen rechnen müssen. Aber selbst wenn davon auszugehen wäre, dass die Klägerin einen der mit der Todesstrafe bedrohten Straftatbestände des von Eritrea übernommenen äthiopischen Strafrechts von 1957 (z. B. Art. 300) wegen Verletzung der Wehrpflicht erfüllen sollte, führt dies nicht zur Annahme eines Abschiebungshindernisses gemäß § 53 Abs. 2 AuslG, weil seit der Machtübernahme durch die PFDJ im Mai 1991 kein Fall einer vollzogenen Todesstrafe bekannt geworden ist (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 14.10.2001 <S. 7, 8>; IfA, Auskunft vom 09.01.2001 an VG Regensburg <S. 3, 4>).

Schließlich besteht auch kein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 4 AuslG i. V. m. Art. 3 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 04.11.1950 - EMRK - (BGBI 1952 II 686, 953; 1968 II 1116, 1120; 1989 II 547). Die zur Grundlage der Entscheidung gemachten Unterlagen rechtfertigen die Annahme nicht, Mitglieder der ELF seien bei ihrer Einreise oder nach durchlaufener Kontrolle landesweit staatlichen oder dem Staat zurechenbaren Maßnahmen i. S. des Art. 3 EMRK ausgesetzt. Die notwendige beachtliche Wahrscheinlichkeit, dass ein Rückkehrer in solcher Weise betroffen werden könnte, lässt sich insbesondere nicht aufgrund von "Präzedenzfällen" gewinnen.