VGH Baden-Württemberg

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Zitieren als:
VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 01.02.2002 - A 13 S 1730/97 - asyl.net: M2166
https://www.asyl.net/rsdb/M2166
Leitsatz:

Die Stellung eines Asylantrags in der Bundesrepublik Deutschland, ein längerer Auslandsaufenthalt, die Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Bakongo und eine exilpolitische Betätigung für die MAKO begründen für angolanische Staatsangehörige keine Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 1-4 AuslG (im Anschluss an die Senatsurteile vom 6.9.1995 - A 13 S 665/93 - und vom 29.2.1996 - A 13 S 3264/94 -). (Amtlicher Leitsatz)

 

 

Schlagwörter: Angola, Bakongo, Nachfluchtgründe, Subjektive Nachfluchtgründe, Exilpolitische Betätigung, MAKO, Funktionäre, UNITA, Verdacht der Unterstützung, Situation bei Rückkehr, Abschiebungshindernis, Menschenrechtswidrige Behandlung, Extreme Gefahrenlage, Versorgungslage, Duldung, Kinder
Normen: AuslG § 53 Abs. 6 S. 1; AuslG § 53 Abs. 4
Auszüge:

Schließlich lässt sich ein Abschiebungshindernis aus § 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 3 EMRK auch nicht daraus herleiten, dass der Kläger als Bakongo der MAKO (Bewegung für die Selbstverwaltung des Kongo im Norden Angolas) angehört und für diese Organisation im Exil in der von ihm glaubhaft dargelegten Weise politisch tätig ist (zur Fage einer Verfolgungsgefahr wegen Zugehörigkeit zur MAKO vgl. bereits das Senatsurteil vom 29.2.1996, a.a.O.). Nach einem vom Kläger in seiner Eigenschaft als (...) der MAKO-Bewegung in Europa und als (...) der MAKO-Bewegung in Deutschland unterzeichneten Informationsschreibens vom (...) arbeitet die MAKO für die Errichtung eines selbstverwalteten Kongostaates innerhalb der Republik Angola und für das Wohlbefinden von vier Millionen Bakongos, die in diesem Land leben. Eine Abtrennung von der Republik Angola wird nicht angestrebt. Die angolanische Regierung wird in diesem Informationsblatt in scharfer Form für die Ausbeutung des Landes und für die Zerstörung der Demokratie in Angola und in den Nachbarstaaten verantwortlich gemacht.

Nach Auffassung des Senats rechtfertigen die vorliegenden Erkenntnisquellen bei zusammenfassender Würdigung nicht die Prognose, der Kläger werde als exilpolitisch aktiver Bakongo im Falle seiner Rückkehr nach Angola mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit staatlicherseits menschenrechtswidrig behandelt werden. Es kann dahinstehen, ob der im Senatsurteil vom 29.2.1996 (a.a.O.) zitierten damaligen Einschätzung der Botschaften der EU-Mitgliedstaaten in Angola auch heute noch zu folgen wäre, dass Organisationen wie die MAKO hauptsächlich der Begründung von Asylbegehren dienen. Welche Motivation dem exilpolitischen Engagement des Klägers zugrunde liegt, ist für die Frage der Verfolgungsgefahr ohnehin unerheblich, es sei denn, wofür freilich keine Anhaltspunkte vorliegen, eine etwaige sachfremde Motivation wäre nach außen erkennbar. Die Möglichkeit, dass die angolanische Vertretung in Deutschland und damit auch die Regierung in Luanda Kenntnis von dem exilpolitischen Engagement des Klägers innerhalb der MAKO erfahren haben, lässt sich zwar nicht von der Hand weisen, denn dieses Engagement ist - jedenfalls bezogen auf die MAKO - als hervorgehoben zu qualifizieren, was sich bereits aus den von ihm bekleideten Ämtern ergibt.

Referenzfälle für eine Verfolgung von exilpolitisch tätigen Mitgliedern der MAKO liegen aber nicht vor, was auch das Institut für Afrika-Kunde einräumt, und was für die Einschätzung der Verfolgungsgefahr von umso größerem Gewicht ist, als offenbar auch Mitglieder der deutschen MAKO in den letzten Jahren in beträchtlicher Zahl nach Angola abgeschoben worden sind, was der Kläger in der Berufungsverhandlung eingeräumt hat.

Der Senat verkennt nicht, dass die derzeitige angolanische Regierung vom Kläger in seiner Eigenschaft als Informationssekretär der MAKO-Bewegung in Europa und als Vorsitzender der MAKO-Bewegung in Deutschland in scharfen Worten angegriffen wird. Gleichwohl fehlt es an Anhaltspunkten dafür, dass die mit massiven bürgerkriegsbedingten Schwierigkeiten im eigenen Land konfrontierte angolanische Regierung eine regimekritische exilpolitische Betätigung wie die des Klägers als ernstliche Bedrohung ihrer Machtstellung empfindet und hiergegen vorzugehen bereit ist.

Ebenfalls ohne Erfolg bleibt das von den Klägern hilfsweise verfolgte Verpflichtungsbegehren zu § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG. Für individuelle Gefahren, die die Gewährung von Abschiebungsschutz in unmittelbarer Anwendung des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG rechtfertigen könnten, legen die Kläger nichts dar. Sie berufen sich vielmehr auf existenzielle Gefahren, denen die angolanische Bevölkerung oder jedenfalls die Bevölkerungsgruppe, der sie angehören, allgemein ausgesetzt ist. Derartige allgemeine Gefahren werden gem. § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG bei Entscheidungen nach § 54 AuslG berücksichtigt. Zwar käme bei Annahme einer extremen allgemeinen Gefahrenlage und bei Fehlen einer politischen Leitentscheidung nach § 54 AuslG nach ständiger Rechtsprechung die Gewährung von Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 53 Abs. 6 AuslG in Betracht. Selbst bei Fehlen eines Abschiebestopps nach § 54 AuslG ist die verfassungskonforme Anwendung des § 53 Abs. 6 AuslG aber auch dann nicht geboten, wenn eine aus individuellen Gründen erteilte Duldung dem betroffenen Ausländer einen vergleichbar wirksamen Schutz vor Abschiebung vermittelt (BVerwG, Urteil vom 12.7.2001 - 1C 2.01 -, DVBl. 2001, 1531).

So verhält es sich hier, so dass die Kläger bei einer Rückkehr nach Angola wegen Kriegseinwirkungen, der damit einhergehenden schlechten Versorgungslage und wegen gesundheitlicher Risiken einer extremen allgemeinen Gefahrenlage ausgesetzt wären. Insbesondere kommt es - nach Klärung der Rechtslage durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 12.7.2001 - a.a.O. - nicht auf das Ergebnis der Beweisaufnahme des Senats zur Frage "extremer" Gesundheitsgefahren an, denen die Kläger bei einer Rückkehr nach Angola ausgesetzt wären.

Das Regierungspräsidium Stuttgart hat die untere Ausländerbehörde beim Landratsamt Ludwigsburg am 4.1.1999 angewiesen, den Klägern mit Rücksicht auf das ihren Kindern rechtskräftig zuerkannte Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 AuslG Duldungen zu erteilen. Dieser Anweisung hat das Landratsamt auch entsprochen und den Klägern zuletzt am 2.1.2002 bis zum 1.7.2002 befristete Duldungen erteilt.