VG Trier

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Zitieren als:
VG Trier, Urteil vom 07.08.2013 - 5 K 314/13.TR - asyl.net: M21693
https://www.asyl.net/rsdb/M21693
Leitsatz:

Hindus und Sikhs sind in Afghanistan keiner landesweiten Gruppenverfolgung ausgesetzt.

Schlagwörter: Hindu, Sikhs, Afghanistan, Gruppenverfolgung, Religionsgemeinschaft, religiöse Verfolgung, Diskriminierung, Schutzfähigkeit, Schutzbereitschaft,
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1, AsylVfG § 3,
Auszüge:

[...]

Die Kläger haben auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG. Die von den Klägern in der mündlichen Verhandlung geschilderten Belästigungen wiegen nicht so schwer, dass sie als asylrechtlich erhebliche Verfolgungshandlung gelten könnten. So haben die Kläger sowohl vor dem Bundesamt als auch in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, sie hätten den Tempel sowohl zur Feier ihrer Hochzeit als auch einige Male zuvor und danach besuchen können. Zwar hat der Kläger zu 1) in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, sie seien von anderen wegen ihrer Religion belästigt und auch nicht gern gesehen worden. Sie hätten in ständiger Angst gelegt. Konkrete Begebenheiten konnte der Kläger zu 1) jedoch - mit Ausnahme des Ereignisses im Jahre 2005 - nicht nennen. Das Ereignis im Jahre 2005 war jedoch ersichtlich nicht Grund für die Ausreise der Kläger. Ferner hat der Kläger zu 1) in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, man habe ihm als Hindu böse Blicke zugeworfen, die voll des Hasses gewesen seien. Eine asylrechtlich erhebliche Verfolgungshandlung wird jedoch hierdurch nicht belegt. Gegen die Verfolgung der Kläger spricht auch, dass der Kläger zu 1) über Jahre zusammen mit seinem Vater einen Laden geführt hat. Auch die Klägerin zu 2) konnte in der mündlichen Verhandlung konkrete Verfolgungshandlungen nicht darlegen. Sie hat hier ausgeführt, sie sei mit ihrem Mann im Taxi zum Tempel gefahren. Dabei sei aber nichts passiert. Sie hätten gebetet. Das einzige Problem beim Erreichen des Tempels waren offenbar die schlechten Straßenverhältnisse in Afghanistan.

In Übereinstimmung mit der Beklagten geht das Gericht auch davon aus, dass eine politische Verfolgung der Kläger bei einer Rückkehr in ihr Heimatland unwahrscheinlich ist. Insbesondere führt auch nach Ansicht des Gerichts die Zugehörigkeit der Kläger zur Gemeinschaft der Hindus allein nicht zu einer landesweiten Verfolgungsgefahr. Die Beklagte hat in ihrem Bescheid hierzu bereits umfangreiche Ausführungen gemacht. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die dort angestellten Erwägungen Bezug genommen. Nach dem aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 4. Juni 2013 ist im Vergleich zur Zeit unter der Taliban-Herrschaft die staatliche Diskriminierung von Hindus und Sikhs in Afghanistan stark zurückgegangen. Gelegentlich werde - was nach Ansicht der Botschaft glaubhaft sei - von Diskriminierung von Hindus und Sikhs im Hinblick auf den Zugang zu öffentlichen Ämtern berichtet, wenngleich einige Hindus und Sikhs solche Ämter bekleideten. Sie äußerten sich jedoch nicht immer offen über ihre Glaubenszugehörigkeit. Hindus und Sikhs würden aber von großen Teilen der Bevölkerung als Außenseiter wahrgenommen. Kinder von Hindus und Sikhs, die afghanische Schulen besuchten, würden laut AIHRC oftmals gehänselt. Die muslimische Bevölkerung verurteile die Feuerbestattung, die im Hinduismus das zentrale Begräbnisritual darstellte. Die afghanische Regierung habe auf diesen Standpunkt reagiert, indem sie den Hindus einen dafür gewidmeten Ort zur Verfügung gestellt habe. Dem vorgenannten Lagebericht kommt nach Überzeugung des Gerichts wegen seiner Aktualität erhebliches Gewicht zu. Der Auskunft der Internationalen Organisation für Migration (Beantwortung des Fragenkatalogs zu Hindus in Afghanistan, juris) vom 20. September 2011, ist zu entnehmen, dass die Hindus innerhalb der Tempel und innerhalb ihrer Wohnbezirke in Afghanistan ihre Religion frei ausüben können. Religiöse Feste können danach gefeiert werden, jedoch nur innerhalb der Tempel. Nach der vorgenannten Auskunft ist die Regierung auch grundsätzlich in der Lage und willens, Hindus im Falle von Übergriffen zu schützen. Die vom Klägerbevollmächtigten vorgelegten Gutachten und Auskünfte datieren demgegenüber aus dem Jahre 2006. Den vom Klägerbevollmächtigten vorgelegten Unterlagen lassen sich daher aktuelle Informationen nicht entnehmen. Das Gericht misst daher dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes sowie der Auskünfte der internationalen Organisation für Migration höheren Beweiswert bei. Aufgrund der vorgenannten Informationen kann sich das Gericht keine ausreichende Überzeugung davon verschaffen, dass Hindus landesweit einer politischen Verfolgung ausgesetzt sind.

Die Kläger haben auch keinen Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 2 - 7 AufenthG. Die Beklagte hat in ihrem Bescheid bereits ausführlich dargestellt, dass keine nationalen oder europarechtlichen Abschiebungsverbote vorliegen. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 77 Abs. 2 AsylVfG auf die dort angestellten Erwägungen Bezug genommen. Ergänzend ist hervorzuheben, dass insbesondere auch kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG vorliegt. Bei den Klägern handelt es sich um ein junges Paar. Sie verfügen über Verwandte in ihrem Heimatland. So hat der Kläger zu 1) im Rahmen seiner Anhörung vor dem Bundesamt ausgeführt, in Afghanistan lebten seine Eltern, seine Großmutter und seine Schwiegereltern. Ferner lebten dort noch Bekannte, mit denen sie durch den Hindu-Glauben verbunden seien. Es spricht vieles dafür, dass die vorgenannten Personen den Klägern im Falle einer Rückkehr in ihr Heimatland bei der Wiedereingliederung behilflich sein werden. Vor diesem Hintergrund kann sich das Gericht keine Überzeugung davon bilden, dass die Kläger im Falle einer Rückkehr in ihr Heimatland zeitnah in eine existentielle Notlage geraten würden. [...]