VGH Baden-Württemberg

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Zitieren als:
VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 02.07.2014 - A 11 S 1196/14 - asyl.net: M22102
https://www.asyl.net/rsdb/M22102
Leitsatz:

Zulassung der Berufung zur Klärung der Fragen, ob § 34a Abs. 1 AsylVfG mit den Vorgaben des Unionsrechts vereinbar ist, und ob eine unionrechtskonforme Handhabung durch die vollziehende Ausländerbehörde möglich ist.

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: zuständiger Mitgliedstaat, Überstellung, Zurückschiebung, Abschiebungsanordnung, Dublinverfahren, Unionsrecht, freiwillige Ausreise, Dublin III-Verordnung, Berufungszulassung, Grundsätzliche Bedeutung,
Normen: VO 604/2013 Art. 29 Abs. 1, VO 1560/2003 Art. 7 Abs. 1, AsylVfG § 27a, AsylVfG § 34a Abs. 1,
Auszüge:

[...]

Der Kläger hat in Bezug auf die Ziffer 2 des angegriffenen Bescheids dem gesetzlichen Darlegungserfordernis genügend begründet, dass die Sache grundsätzliche Bedeutung hat (vgl. § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG).

Die grundsätzliche Bedeutung liegt auch in der Sache vor. Es ist grundsätzlich klärungsbedürftig, ob der Erlass einer Abschiebungsanordnung, der nach den Tatbestandsvoraussetzungen des § 34a Abs. 1 AsylVfG voraussetzt, dass eine Abschiebung, d.h. eine Durchsetzung der Ausreisepflicht mit den Mitteln des unmittelbaren Zwangs zulässig ist und durchgeführt werden soll und kann, mit den Vorgaben des Unionsrechts vereinbar ist (vgl. hierzu GK-AsylVfG, § 27a Rn. 252 und 257; § 34a Rn. 53). Das Unionsrecht geht von drei möglichen Modalitäten der Aufenthaltsbeendigung aus, nämlich der Überstellung (1) auf Initiative des Asylbewerbers innerhalb einer vorgegebenen Frist, (2) in Form der kontrollierten Ausreise, wobei der Asylbewerber bis zum Besteigen des Beförderungsmittels von einem Bediensteten des ersuchenden Staates begleitet wird und dem zuständigen Staat Ort, Datum und Uhrzeit seiner Ankunft bis zu einer vereinbarten Frist vor der Ankunft mitgeteilt wurden oder (3) in Begleitung, wobei der Asylbewerber von einem Bediensteten des ersuchenden Staates oder einem Vertreter einer von dem ersuchenden Staat zu diesem Zweck beauftragten Einrichtung eskortiert und den Behörden des zuständigen Staats überstellt wird (vgl. Art. 29 Abs. 1 UA 2 VO Dublin III i.V.m. Art. 7 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1560/2003 vom 02.09.2003 (ABl. L Nr. 222, 3) i.d.F. DVO (EU) Nr. 118/2014 vom 30.01.2014 (ABl. L Nr. 39, 1). Der im nationalen Recht angelegte, eine Prüfung der Umstände des Einzelfalls ausschließende Automatismus begegnet unionsrechtlichen Bedenken. Im Berufungsverfahren wird insbesondere auch zu klären sein, ob ggf. § 34a AsylVfG einer unionsrechtskonformen Auslegung oder Handhabung zugänglich ist. [...]