VG Sigmaringen

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Zitieren als:
VG Sigmaringen, Beschluss vom 12.06.2014 - A 7 K 615/13 - asyl.net: M22120
https://www.asyl.net/rsdb/M22120
Leitsatz:

Es ist nicht hinreichend sicher festzustellen, ob die erforderliche ärztliche Kontrolle und Förderung für ein hörgeschädigtes Kind in Montenegro sichergestellt ist.

Schlagwörter: einstweilige Anordnung, Montenegro, Roma, Schwerbehinderung, hörbehindert, offensichtlich unbegründet, medizinische Versorgung, aufschiebende Wirkung, Suspensiveffekt, Cochlea-Implantat,
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1,
Auszüge:

[...]

Es bestehen - nunmehr nach Vorlage der Bescheinigungen der Universitätsklinik Tübingen v. 24.01.2014 und der ...-Schule vom 07.02.2014 - ernstliche Zweifel, ob hinsichtlich des Antragstellers Ziff. 2 die Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG zu Recht abgelehnt wurde. Nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine derartige erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben - und damit ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis im Sinne des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG - kann sich dann aus der Krankheit eines Ausländers, unter welcher er bereits in Deutschland leidet, ergeben, wenn diese sich im Heimatstaat verschlimmert, weil die Behandlungsmöglichkeiten dort unzureichend sind. Erheblich ist eine solche Gefahr dann, wenn sich der Gesundheitszustand wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde, konkret ist sie, wenn der Ausländer alsbald nach der Rückkehr in sein Heimatland in diese Lage käme (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.09.1997 - 9 C 40.96 -, BVerwGE 105, 187 und Urteil v. 17.10.2006 BVerwG 1. C 18.05 -). [...]

Ein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG kann sich auch daraus ergeben, dass trotz an sich verfügbarer medikamentöser und ärztlicher Behandlung im Heimatstaat der betroffene Ausländer diese medizinische Versorgung aus finanziellen Gründen nicht erlangen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.10.2002 - l C 1.02 -). Bislang nicht höchstrichterlich geklärt ist die Frage, ob eine Krankheit, deren Behandlung im Heimatstaat eines Asylbewerbers zwar allgemein ohne erhebliche Erhöhung des Gesundheitsrisikos möglich ist, aber vom Asylbewerber aus finanziellen Gründen tatsächlich nicht erlangbar ist, als individuelle, gerade den Asylbewerber betreffende Gefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG oder als Auswirkung einer allgemeinen Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG zu werten ist (für eine individuelle Gefahr: VG Sigmaringen, Urteile vom 13.08.2003 - A 5 K 11176/03 -, juris, und vom 25.03.2004 - A 5 K 10262/03 -; a.A. BayVGH, Beschluss vom 10.10.2000 - 25 B 99.32077 -, juris).

Ausgehend hiervon stellt sich die gesundheitliche Situation des Antragstellers Ziff. 2 derzeit so dar, dass nach den Cochlea-Implantaten zwar die (grundsätzliche) Hörfähigkeit hergestellt ist, dass jedoch die Implantate regelmäßiger ärztlicher Kontrollen bedürfen und daneben eine intensive Förderung des Antragstellers Ziff. 2 erforderlich ist. Dass dies in Montenegro sichergestellt wäre, ist derzeit nicht hinreichend sicher festzustellen. Ggf. sind hierzu im Klageverfahren weitere Ermittlungen erforderlich. [...]