VG Trier

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Zitieren als:
VG Trier, Beschluss vom 26.08.2014 - 5 L 1498/14.TR - asyl.net: M22201
https://www.asyl.net/rsdb/M22201
Leitsatz:

Es ist zweifelhaft, dass die aufgrund unrichtiger Sachverhaltsdarstellung durch die deutsche Behörde abgegebene Übernahmeerklärung der niederländischen Behörden als Grundlage eines ablehnenden Bescheid ausreicht. Es stellt sich die Frage, ob ein Betroffener sich nicht ausnahmsweise dann auf Art. 19 ABs. 2 Dublin III-VO berufen kann, wenn die Zuständigkeitsentscheidungen auf offensichtlich falschen Tatsachen oder falscher Tatsachenübermittlung beruhen.

Schlagwörter: Dublinverfahren, Dublin III-Verordnung, Niederlande, El Salvador, Übernahmeerklärung, Zustimmung, Übernahmeersuchen, falsche Tatsachen, falscher Sachverhalt, Verlassen des Hoheitsgebiets, Abwesenheit, Erlöschen der Zuständigkeit,
Normen: VO 604/2013 Art. 3 Abs. 1, VO 604/2013 Art. 19 Abs. 2,
Auszüge:

[...]

Ausgehend hiervon muss der vorliegende Antrag Erfolg haben, denn die Entscheidung der Antragsgegnerin stellt sich nicht aller Wahrscheinlichkeit nach als rechtmäßig dar.

Die Antragsgegnerin hat den Asylantrag des Antragstellers in rechtlich zweifelhafter Weise als unzulässig angesehen. Insoweit ist zunächst zu sehen, dass nach Art. 3 Abs. 1 Dublin III-VO die Mitgliedstaaten zwar grundsätzlich jeden Asylantrag prüfen, den ein Drittstaatsangehöriger im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaates stellt. Der Antrag wird allerdings nur von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels 3 Dublin III-VO als zuständiger Staat bestimmt ist.

Vorliegend hat zwar die Niederlande ihre Zuständigkeit nach Anfrage durch die Antragsgegnerin bejaht. Diese Zustimmung beruht aber offenkundig auf falscher Sachverhaltsübermittlung durch die Antragsgegnerin. Der Antragsteller hat glaubhaft dargelegt, dass er im Mai 2013 das Gebiet, in dem die Dublin-Verordnungen gelten, verlassen hat. Er ist nach durchgeführter Abschiebung nach El Salvador zurückgekehrt und erst im Mai 2014 wieder in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und hat hier Anfang Juni 2014 den vorliegenden Asylantrag gestellt. Von daher ist gemäß Art. 19 Abs. 2 Dublin III-VO ein neues Asylverfahren durchzuführen. Die Zuständigkeit der Niederlande ist erloschen. Diese Umstände waren der Antragsgegnerin aufgrund der am 17. Juni 2014 durchgeführten Befragung zur Bestimmung des zuständigen Staates bekannt. Die hieraufhin erfolgte Anfrage am 22. Juni 2014 an die niederländischen Behörden, bei der unter Ziffer 12 angegeben wurde, der Asylbewerber habe erklärt, das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten des Dublin-Abkommens seit der ersten Entscheidung im Asylverfahren durch die niederländischen Stellen nicht verlassen zu haben, ist - bewusst oder unbewusst - offenkundig fehlerhaft.

Die Kammer hat deshalb Zweifel, dass die aufgrund unrichtiger Sachverhaltsdarstellung durch die Antragsgegnerin abgegebene Übernahmeerklärung der niederländischen Behörden als Grundlage der Entscheidung vom 4. August 2014 ausreicht. Von daher stellt sich auch die Frage, ob ein Antragsteller sich nicht ausnahmsweise dann auf Art. 19 Abs. 2 Dublin III-VO berufen kann, wenn die Zuständigkeitsentscheidungen auf offensichtlich falschen Tatsachen und falscher Tatsachenübermittlung beruhen. Da diese Fragen von grundsätzlicher Bedeutung sind, bedürfen sie der abschließenden Klärung in einem Hauptsacheverfahren.

Stellt sich demnach die Entscheidung der Antragsgegnerin einschließlich der ihre Rechtsgrundlage in § 34a AsylVfG findenden Abschiebungsanordnung zumindest als zweifelhaft dar, erscheint es der Kammer interessengerecht, vorliegend die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen. [...]