VG Saarland

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Zitieren als:
VG Saarland, Urteil vom 22.01.2015 - 3 K 403/14 - asyl.net: M22639
https://www.asyl.net/rsdb/M22639
Leitsatz:

Zum Erwerb der eritreischen Staatsangehörigkeit durch Geburt bei Personen, die nicht über Identitätspapiere verfügen und lange Zeit im Ausland gelebt haben.

Zur doppelten - ätiopischen und eritreischen - Staatsangehörigkeit bei Personen eritreischer Abstammung, die ihren Wohnsitz in Äthiopien hatten, und zur Situation von Eritreern in Äthiopien.

Schlagwörter: Eritrea, Äthiopien, Staatsangehörigkeit, Sudan, Geburtsurkunde, eritreische Staatsangehörigkeit, doppelte Staatsangehörigkeit, Doppelstaatler, deklaratorische Wirkung, Staatsangehörigkeitsbescheinigung, Nationaler Dienst, Militärdienst,
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1, AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1,
Auszüge:

[...]

Zur Überzeugung des Gerichts besitzt der Kläger zu 1. die eritreische Staatsangehörigkeit (vgl. dazu, dass dabei auf die freie richterliche Beweiswürdigung abzustellen ist und es nicht ausschließlich auf die Vorlage entsprechender Papiere dieses Staates ankommt, BVerwG, Urteil vom 08.02.2005 -1 C 29.03-, juris). Die Frage, welche Staatsangehörigkeit eine Person innehat, bestimmt sich nach dem Staatsangehörigkeitsrecht des in Frage kommenden Staates, denn Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit werden grundsätzlich durch innerstaatliche Rechtsvorschriften geregelt.

Der im Januar 1992 geborene Kläger zu 1. konnte ausgehend von seinem Geburtsort im damaligen Gebiet Äthiopiens bis zur Unabhängigkeit des Staates Eritrea am 24. Mai 1993 zunächst nur die äthiopische Staatsangehörigkeit innehaben (Institut für Afrika-Kunde vom 15.07.2003 an das VG Aachen (bis Mai 1993 galten alle Eritreer als äthiopische Staatsangehörige). Mit Eintritts der Unabhängigkeit Eritreas und seines weiteren Aufenthalts dort ist er jedoch eritreischer Staatsangehöriger geworden, ohne dass es hierzu eines Einbürgerungsaktes oder der Verleihung der eritreischen Staatsangehörigkeit bedurfte. Dies ergibt sich aus Folgendem (vgl. hierzu ausführlich VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21.01.2003 -A 9 S 397/00 - zu einem gleich gelagerten Fall, zit. nach juris):

Der Erwerb der eritreischen Staatsangehörigkeit richtet sich nach der Eritrean Nationality Proclamation No. 21/1992 (Eritreische Staatsangehörigkeitsverordnung Nr. 21/1992, vgl. die Übersetzung in der Anlage der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 12.09.1995 an das VG Wiesbaden, im Folgenden bezeichnet als "Verordnung"). Der Erwerb der Staatsangehörigkeit durch Geburt ist geregelt in deren Nr. 2. Diese lautet ausweislich der genannten Übersetzung wie folgt:

Abs. 1: Wer in Eritrea oder im Ausland als Kind eines Vaters oder einer Mutter eritreischer Abstammung geboren ist, ist eritreischer Staatsangehöriger durch Geburt.

Abs. 2: "Eritreischer Abstammung" ist, wer 1933 seinen Aufenthalt in Eritrea hatte.

Abs. 3: Wer in Eritrea als Kind unbekannter Eltern geboren ist, wird bis zum Beweis des Gegenteils als eritreischer Staatsangehöriger durch Geburt betrachtet.

Abs. 4: Wer durch Abstammung oder Geburt Eritreer ist, erhält auf Antrag eine Staatsangehörigkeitsbescheinigung vom Ministerium des Innern.

Abs. 5: Wer durch Geburt Eritreer ist, seinen Aufenthalt im Ausland hat und eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzt, hat einen Antrag an das Ministerium des Innern zu richten, wenn er förmlich auf seine ausländische Staatsangehörigkeit zu verzichten und die eritreische Staatsangehörigkeit zu erwerben wünscht oder wenn er wünscht, dass nach Vorlage ausreichender Gründe seine eritreische Staatsangehörigkeit anerkannt wird, während er seine fremde Staatsangehörigkeit beibehält.

Die Eltern und Großeltern des Klägers zu 1. sind, wie die gerichtliche Nachfrage in der mündlichen Verhandlung ergeben hat, jeweils aus Eritrea und eritreischer Abstammung im Sinne der Nr. 2 Abs. 2 der Verordnung. Der Begriff der "eritreischen Abstammung" in Nr. 2 Abs. 2 der Verordnung ist nicht mit der eritreischen Volkszugehörigkeit identisch, sondern verlangt darüber hinaus den Aufenthalt einer Person im Gebiet des heutigen Eritrea im Jahr 1933. Nach Nr. 2 Abs. 1 der Verordnung vermitteln diese Personen die eritreische Staatsangehörigkeit ihren Abkömmlingen. Danach haben die Kläger nach Nr. 2 Abs. 1 der Verordnung durch Geburt die eritreische Staatsangehörigkeit erlangt, denn ihre Vorfahren lebten 1933 im Gebiet des heutigen Eritrea. Nr. 2 Abs. 4 der Verordnung sieht für diesen Fall vor, dass auf Antrag eine Staatsangehörigkeitsbescheinigung erstellt wird. Die Erteilung der Staatsangehörigkeitsbescheinigung setzt die eritreische Staatsangehörigkeit voraus. Die Bescheinigung begründet nicht eine ansonsten nicht bestehende Staatsangehörigkeit, sondern dokumentiert nur ihr Vorhandensein. Sie hat also nur deklaratorische Wirkung. Nach der Auskunftslage, die ausführlich im Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 21.01.2003 - A 9 S 397/00 - dargelegt wird und die sich die Kammer zu eigen macht, besteht die Problematik bei der Ausstellung von Personaldokumenten zum Zwecke der Heimreise an eritreische Staatsangehörige im Wesentlichen im praktischen Bereich, nämlich in der Erbringung des Nachweises über die eritreische Staatsangehörigkeit. Personen, die den Erwerb der eritreischen Staatsangehörigkeit nicht durch Vorlage von Personaldokumenten (z.B. Geburtsurkunde) belegen können, werden danach üblicherweise durch die Botschaft bzw. das Generalkonsulat aufgefordert, drei Zeugen, die ihrerseits nachweislich die eritreische Staatsangehörigkeit besitzen müssen, beizubringen. Nach der Auskunftslage (Auswärtiges Amt vom 21.11.2001 an den VGH Baden-Württemberg) wird faktisch jeder im Ausland lebende Eritreer, auch wenn er eine fremde Staatsangehörigkeit besitzt, als eritreischer Staatsangehöriger anerkannt, wenn er seine Abstammung nachweisen oder gegebenenfalls Zeugen für seine Abstammung benennen kann. Üblicherweise werden Eritreer bei der jeweiligen Auslandsvertretung vorsprechen und beispielsweise eine ID-Card oder einen eritreischen Reisepass beantragen. Mit diesem Antrag müssen Nachweise über die eritreische Abstammung eingereicht bzw. Zeugen, die die Abstammung bestätigen können, benannt werden. Die Angaben werden vor Ort in Eritrea überprüft. Sind sie zutreffend und ist die eritreische Abstammung damit belegt, wird der Antragsteller als eritreischer Staatsangehöriger angesehen und das beantragte Dokument ausgestellt. Die in der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 21.11.2001 angesprochene Praxis der eritreischen Behörden steht auch mit dem Wortlaut der Nr. 2 der Verordnung in Einklang, insb. behält deren Abs. 5 auch hiernach einen eigenen Regelungsinhalt: Nach Nr. 2 Abs. 1 und 2 der Verordnung sind eritreische Staatsangehörige durch Geburt nicht alle Personen, die von eritreischen Volkszugehörigen abstammen, sondern nur solche, die von Personen "eritreischer Abstammung" (die also 1933 in Eritrea lebten) abstammen. Wer hingegen "nur" eritreischer Volkszugehöriger ("durch Geburt Eritreer") ist, jedoch nicht das weitere Merkmal der Abkunft von Personen "eritreischer Abstammung" erfüllt, kann unter den weiteren Voraussetzungen des Abs. 5 die Option für die eritreische Staatsangehörigkeit ausüben. Mit dem Begriff "durch Geburt Eritreer" meint Nr. 2 Abs. 5 der Verordnung somit ersichtlich nicht Personen, die durch Geburt eritreische Staatsangehörige (i.S.v. Nr. 1 Abs. 1 der Verordnung) sind, denn mit dieser Auslegung würde Abs. 5 in sich widersprüchlich: Sein Regelungsgehalt läge dann im Erwerb der eritreischen Staatsangehörigkeit durch Personen, die diese schon innehaben. Damit kann Abs. 5 auch nicht als (abschließende) Spezialregelung für Fälle doppelter Staatsangehörigkeit angesehen werden.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Kläger zu 1. zur Überzeugung des Gerichts angesichts seiner Abstammung von eritreischstämmigen Eltern aufgrund der Nr. 2 Abs. 1 bis 4 der Verordnung kraft Gesetzes die eritreische Staatsangehörigkeit erworben hat. Der Umstand, dass die eritreischen Behörden einen Nachweis der eritreischen Abstammung verlangen, steht dem Innehaben der Staatsangehörigkeit nicht entgegen. Insoweit ist zu unterscheiden zwischen dem Bestehen der eritreischen Staatsangehörigkeit und deren Nachweis (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21.01.2003 -A 9 S 397/00 ). Anhaltspunkte dafür, dass die eritreischen Behörden an den Nachweis überzogene Anforderungen stellen würden, um so faktisch die Anerkennung der Staatsangehörigkeit zu vereiteln, bestehen nicht.

Bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland Eritrea unterliegt der Kläger zu 1. einer flüchtlingsrelevanten Verfolgung.

Zwar droht dem Kläger zu 1. nicht unmenschliche Behandlung in Zusammenhang mit der Entziehung vom Wehrdienst. Nach Auffassung der Kammer droht zwar all denen bei einer Rückkehr nach Eritrea unmenschliche Behandlung, die desertiert sind oder im rekrutierungsfähigen Alter Eritrea illegal verlassen haben (die Kammer macht sich dabei die Ausführungen des VG Minden, Urteil vom 13.1.2014 -10 K 2815/13.A- m.w.N., juris, zu eigen). Diese Voraussetzungen liegen beim Kläger zu 1. aber nicht vor, denn er hatte bei seiner Ausreise mit 9 Jahren das rekrutierungsfähige Alter (18 bis 45 Jahre) noch bei weitem nicht erreicht.

Nach seinem Vortrag ist jedoch davon auszugehen, dass er Eritrea im Jahre 2001 ohne das hierfür erforderliche Ausreisevisum (vgl. insoweit Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Eritrea, 15. Oktober 2014, S. 19) verlassen hat und nunmehr seinen Nationalen Dienst ableisten muss. Gemäß Art. 6 der Proklamation Nr. 82/1995 über den Nationalen Dienst (Gesetzblatt Eritrea Nr. 11 vom 23. Oktober 1995, englische Übersetzung: www.refworld.orq/docid/3dd8d3af4.html -) unterliegen Männer und Frauen vom 18. bis zum 50. Lebensjahr einer allgemeinen Dienstpflicht. Diese Dienstpflicht unterteilt sich gemäß Art. 2 Abs. 3 und 4 der Proklamation Nr. 82/1995 in einen aktiven Wehrdienst ("active national service") und einen Reservistendienst ("reserve military service"). Der aktive Wehrdienst besteht aus einer sechsmonatigen Grundausbildung ("training") und einem sich daran anschließenden zwölfmonatigen Wehrdienst ("active military service") und ist von allen eritreischen Staatsbürgern vom 18. bis zum 40. Lebensjahr abzuleisten (Art. 8 der Proklamation Nr. 82/1995). Personen, die den aktiven Dienst beendet haben, sind bis zum Ablauf ihres 50. Lebensjahres zum Reservistendienst verpflichtet (Art. 23 der Proklamation Nr. 82/1995), wobei Angaben von Flüchtlingen darauf hindeuten, dass die Altersgrenze zumindest bei Männern tatsächlich erst bei Ablauf des 55. oder 57. Lebensjahres liegt. Danach unterfällt der 1992 geborene Kläger zu 1. heute der nationalen Dienstpflicht. Die Aufgaben der Reservisten im Rahmen des nationalen Dienstes bestehen u.a. in der Verstärkung der regulären Armee im Falle eines Angriffs, der Abwehr interner Angriffe auf die Einheit und die Souveränität Eritreas sowie der Hilfe in Notfällen (Art. 25 der Proklamation Nr. 82/1995). Tatsächlich werden Reservisten zunehmend beim Bau von Dämmen und Straßen sowie in der Landwirtschaft, aber auch in allen Bereichen der Verwaltung und Wirtschaft, insbesondere der Bauwirtschaft, eingesetzt werden. Es ist zudem gängige Praxis, dass Dienstpflichtige weit länger als die vorgesehenen 18 Monate, zum Teil über zehn Jahre, Dienst leisten müssen (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Eritrea, 15. Oktober 2014, S. 11). Diese Dienstpflicht und deren Ausgestaltung erfüllen im Falle der Rückkehr des Klägers zu 1. die Voraussetzungen einer Verfolgungsmaßnahmen i.S.d. § 3a Abs. 1 und 2 AsylVfG, insbesondere die Anwendung physischer Gewalt (§ 3a Abs. 2 Nr. 1 AsylVfG). [...]

Der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft steht nicht die Regelung des § 27 AsylVfG zur anderweitigen Sicherheit vor Verfolgung entgegen. Der Kläger zu 1. kann daher nicht darauf verwiesen werden, im Sudan (oder Äthiopien) Schutz vor Verfolgung zu suchen. Ob ein Asylbewerber bereits in einem anderen Drittstaat vor politischer Verfolgung sicher war, ist bei der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach dem in § 29 AsylVfG umgesetzten unionsrechtlichen Konzept des ersten Asylstaats (Art. 25 und Art. 26 der Richtlinie 2005/85/EG) nur für die Beachtlichkeit des Asylantrags von Bedeutung. Nach diesem in § 29 AsylVfG umgesetzten Konzept, ist ein Asylantrag i.S. des § 13 Abs. 1 und 2 AsylVfG - und damit auch ein Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft - unbeachtlich, wenn offensichtlich ist, dass der Ausländer bereits in einem sonstigen Drittstaat vor politischer Verfolgung sicher war und die Rückführung in diesen Staat oder in einem anderen Staat, in dem er vor politischer Verfolgung sicher ist, möglich ist. Das AsylVfG knüpft somit an die Offensichtlichkeit, dass der Ausländer in einem sonstigen Drittstaat vor politischer Verfolgung sicher war und die Rückführung in diesen oder einen anderen sicheren Drittstaat möglich ist, ausschließlich die Unbeachtlichkeit des Asylantrags mit der verfahrensrechtlichen Folge, dass eine Abschiebungsandrohung in einen sicheren Drittstaat ohne umfassende Sachprüfung des Asylbegehrens ergehen kann. Macht das Bundesamt von diesem verfahrensrechtlichen Konzept - wie vorliegend - keinen Gebrauch und hat über das Asylbegehren in der Sache entschieden, bleibt bei der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 04.09.2012 -10 C 13.11) für eine materiell-rechtliche Subsidiarität des Flüchtlingsschutzes kein Raum mehr (überholt insoweit Urteil vom 08.02.2005 - BVerwG 1 C 29.03 -, BVerwGE 122, 376).

3. Die auf Zuerkennung des Flüchtlingsschutzes gerichtete Klage der Klägerin zu 2. ist unbegründet.

Die in Addis Abeba geborene Klägerin zu 2., die sich nie in Eritrea aufgehalten hat und bis zu ihrer Ausreise in den Sudan in Äthiopien auch 15 Jahre durchgängig ansässig war, ist zur Überzeugung des Gerichts selbst bei einer eritreischen Abstammung äthiopische Staatsangehörige. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen: Mit Blick auf eine eritreische Staatsangehörigkeit waren für die äthiopischen Behörden seinerzeit Fragen von Bedeutung wie die, ob die betreffende Person am eritreischen Unabhängigkeitsreferendum vom 24. Mai 1993 teilgenommen hatte - was die Klägerin zu 2. schon aufgrund ihres Alters nicht getan hat - oder ob sie Geldzahlungen an den eritreischen Staat erbracht oder diesen sonst unterstützt hatte - was die Klägerin zu 2. für ihre Person ebenfalls nicht vorgetragen hat. Im Übrigen wurden nach dem Unabhängigkeitsreferendum in Äthiopien residierende Personen eritreischer Abstammung durch den äthiopischen Staat weiterhin als äthiopischen Staatsangehörige angesehen, einschließlich der Personen, die Inhaber eritreischer ID-Karten und damit Doppelstaatler wurden (gl. hierzu nur VG Düsseldorf, Urteil vom 23.05.2013 -6 K 357113.A- m.w.N., juris).

Soweit der äthiopische Staat ab 1998 im Zuge der gewaltsamen Auseinandersetzungen mit Eritrea und der Deportationen eritreischstämmiger Personen dorthin davon ausging, Personen mit eritreischer Abstammung hätten ihre äthiopische Staatsbürgerschaft aufgegeben, betraf dies in der Regel diejenigen Personen, die eine eritreische ID-Karte zur Teilnahme am Unabhängigkeitsreferendum im Jahre 1993 erworben hatten. Diese Rechtsauffassung liegt auch Artikel 20 Absatz 2 und 3 des in Äthiopien geltenden Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 23. Dezember 2003 und den ergänzenden Direktiven zugrunde. Nach Absatz 2 des Gesetzes wird jeder Äthiopier, der eine fremde Staatsangehörigkeit dadurch erwirbt, dass einer seiner beiden Eltern diese Staatsangehörigkeit besitzt, oder dadurch, dass er im Ausland geboren wird, so angesehen, als ob er freiwillig auf seine äthiopische Staatsangehörigkeit verzichtet hat, sofern er nicht der Behörde gegenüber seinen Wunsch erklärt, diese beizubehalten, indem er auf die fremde Staatsangehörigkeit innerhalb eines Jahres nach Erreichen der Volljährigkeit verzichtet [...]. Gemäß Absatz 3 wird ein Äthiopier, der aus einem anderen Grund als dem in Abs. 2 genannten ohne eigenes Dazutun eine fremde Staatsangehörigkeit auf rechtlichem Wege erwirbt, so angesehen, als ob er freiwillig auf seine äthiopische Staatsangehörigkeit verzichtet hat, wenn er a) beginnt, Rechte aus einer derart erworbenen Staatsangehörigkeit auszuüben, oder b) es versäumt, innerhalb eines Jahres der Behörde den Wunsch zu erklären, durch Verzicht auf die fremde Staatsangehörigkeit die äthiopische beizubehalten. In Ergänzung des äthiopischen Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 23. Dezember 2003 sind die Direktiven zur Bestimmung des Aufenthaltsstatus von Eritreern in Äthiopien ("Directives issued to determine the residence status of Eritreans living in Ethiopia 2004") - in Kraft seit 16. Januar 2004 - erlassen worden. Sie finden nur Anwendung auf Personen, die zum Zeitpunkt ihrer Verkündung seit Mai 1991 ununterbrochen ihren Aufenthalt in Äthiopien hatten (vgl. Ziffer 1 Satz 2, Ziffer 2). Nach Ziffer. 4.1 wird jede Person eritreischer Abstammung, die einen eritreischen Pass oder ein anderes Dokument besitzt, aus welchem die eritreische Staatsangehörigkeit hervorgeht, als Eritreer angesehen. Dies soll auch der Fall sein, wenn die Person für die eritreische Regierung gearbeitet hat. Von diesen Regelungen wird die Kläger zu 2. nicht erfasst. Demgegenüber wird Personen, die sich - wie die in Äthiopien geborene Klägerin zu 2. - nicht für die Annahme der eritreischen Staatsangehörigkeit entschieden haben, ein Anspruch auf die äthiopische Staatsangehörigkeit garantiert (Ziffer 4.2). Berücksichtigt man, dass diese Direktiven in der Folgezeit grundsätzlich fair umgesetzt wurden und die überwiegende Zahl der in Äthiopien verbliebenen Personen mit eritreischer Herkunft tatsächlich als äthiopische Staatsbürger anerkannt wurden bzw. die äthiopische Staatsangehörigkeit wiedererlangen konnten, hat sich die Situation für Äthiopier eritreischer oder gemischt äthiopisch-eritreischer Abstammung entschärft (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9. Februar 2010 - 8 A 72/08.A - unter Hinweis auf Schweizerische Flüchtlingshilfe, Äthiopien: Eritreische Herkunft, vom 11. Mai 2009, S. 3, und Update: Aktuelle Entwicklungen bis Juni 2009, vom 11. Juni 2009, S. 17, sowie die Auskünfte des Auswärtigen Amtes vom 16. Juni 2009 und des Instituts für Afrika-Studien (LIGA) vom 13. August 2009, jeweils an das VG Sigmaringen sowie Schröder vom 16.062004 an den VGH München und Institut für Afrika-Kunde vom 28.05.2004 an den VGH München).

Die Klägerin zu 2. unterliegt in Äthiopien keiner flüchtlingsrelevanten Bedrohung. Eine solche ist ihrem Vortrag nicht zu entnehmen und liegt auch aufgrund einer zu befürchtenden Einreiseverweigerung durch die äthiopischen Auslandsvertretungen nicht vor. Zwar können nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts "Aussperrungen" und "Ausgrenzungen" in Gestalt von Rückkehrverweigerungen politische Verfolgung darstellen, wenn sie wegen asylerheblicher Merkmale des Betroffenen erfolgen wie etwa der Rasse, der Religion, der Nationalität oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (Urteile vom 12. Februar 1985 -9 C 45.84- und vom 15. Oktober 1985 -9 C 30.85 -, Buchholz 402.25 1 AsylVfG Nrn. 30 und 39). Die Annahme, dass Staatsangehörigen ein Recht auf Wiedereinreise tatsächlich verwehrt wird, setzt jedoch überdies die Feststellung voraus, dass sich die Betroffenen nachweislich ernsthaft und erfolglos um die Wiedererlangung der verweigerten Rechte bemüht haben. Werden solche zumutbaren Bemühungen unterlassen, fehlt es an der erforderlichen Schwere der Rechtsverletzung (BVerwG, Urteil vom 26. Februar 2009 -10 C 50.07-, BVerwGE 133, 203, juris )

Solche Bemühungen sind hier nicht ersichtlich. Dass sie von vorne herein aussichtslos und daher unzumutbar wären, kann ebenfalls nicht festgestellt werden. So geht das Institut für Afrika-Studien davon aus, dass Personen eritreischer Abstammung, die ihre Staatsangehörigkeit während der Kriegsjahre nicht verloren haben, Pässe für eine Rückkehr nach Äthiopien ausgestellt werden (1nstitut für Afrika-Studien (GIGA) vom 13. August 2009, S. 2.vgl. auch VG München, Urteil vom 17. Juli 2012 - M 12 K 12.30374 -, juris). Im Falle der Klägerin zu 2. spricht vieles dafür, dass sie in Äthiopien registriert ist; da sie in Addis Adeba geboren wurde, dürfte ein entsprechender Eintrag der Klägerin zu 2. im dortigen Familienregister noch vorhanden sein. Dass die Klägerin zu 2. nicht in der Lage wäre, erforderliche Identitätsdokumente über Beauftragte in Äthiopien zu beschaffen, ist im Übrigen nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich.

Mit Blick auf die im Sudan am 01.06.2013 geschlossene Ehe mit dem Kläger zu 1. ergibt sich auch unter Berücksichtigung des § 26 AsylVfG ("Familienasyl und internationaler Schutz für Familienangehörige") keine andere rechtliche Bewertung. Eine Anerkennung der Klägerin zu 2. als Flüchtling nach § 26 Abs. 1, Abs. 5 AsylVfG scheitert daran, dass die Ehe oder Lebensgemeinschaft mit dem Kläger zu 1., als stammberechtigten Inhaber der Flüchtlingseigenschaft, nicht schon in dem Staat bestanden hat, in dem dieser politisch verfolgt wird, nämlich in Eritrea (vgl. § 26 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG).

Die Klage ist weiterhin unbegründet, soweit die Klägerin zu 2. subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 AsylVfG und die Feststellung von (nationalen) Abschiebeverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG begehrt, da die dort genannten Voraussetzungen nicht vorliegen.

Dies gilt insbesondere mit Blick auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, wonach von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden soll, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Insoweit muss es sich um Gefahren handeln, die den einzelnen Ausländer in konkreter und individualisierbarer Weise betreffen. Erfasst werden dabei nur zielstaatsbezogene Gefahren. Diese müssen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 08.02.2011 - 10 B 1.11 -, juris). Eine solche Gefährdungslage ist vor dem Hintergrund der sicherlich harten Existenzbedingungen in Äthiopien nicht anzunehmen. Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist in Äthiopien nicht in allen Landesteilen und zu jeder Zeit gesichert. Die Existenzbedingungen in Äthiopien, einem der ärmsten Länder der Welt, sind für große Teile insbesondere der Landbevölkerung äußerst hart und, bei Ernteausfällen, potentiell lebensbedrohend. In diesen Fällen ist das Land auf die Unterstützung internationaler Hilfsorganisationen angewiesen. Die Regierung prognostiziert für 2013, dass ca. 2,7 Mio. Äthiopier auf direkte Nahrungsmittelhilfe angewiesen sein werden. Hinzu kommen ca. 7,8 Mio. Äthiopier, die Unterstützung im Rahmen des Productive Safety Net Pogram (AA, Lagebericht vom 08.04.2014 ). Anhaltspunkte dafür, dass Rückkehrer keine Nahrungsmittelhilfe erhalten, bestehen nicht. Für Rückkehrer bieten sich schon mit geringem Startkapital Möglichkeiten zur bescheidenen Existenzgründung. Vor allem für Rückkehrer, die über Qualifikationen und Sprachkenntnisse verfügen, besteht die Möglichkeit, Arbeit zu finden. Es ist für die Kläger sicher nicht leicht, in Äthiopien wieder Fuß zu fassen. Die Klägerin zu 2. hat aber in Äthiopien immerhin 15 Jahre gelebt, so dass ihr zugemutet werden kann, dort einfache Tätigkeiten auszuüben.

Damit gibt der Bescheid des Bundesamtes auch hinsichtlich seiner Ziffer 5, wonach die Klägerin zu 2. unter Androhung der Abschiebung nach Äthiopien zur Ausreise aufgefordert worden ist, keinerlei Anlass zu Bedenken. [...]