VG Saarland

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Zitieren als:
VG Saarland, Urteil vom 22.01.2015 - 6 K 813/13 - asyl.net: M22640
https://www.asyl.net/rsdb/M22640
Leitsatz:

Es bestehen keine tragfähigen Anknüpfungspunkte für die Annahme, dass in Bangladesch die Gefahr einer unmittelbaren oder mittelbaren Gruppenverfolgung allein aufgrund der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Biharis besteht.

Schlagwörter: Bangladesch, Bihari, Gruppenverfolgung,
Normen: AsylVfG § 3, AsylVfG § 3 Abs. 1,
Auszüge:

[...]

Davon ausgehend ist dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylVfG schon deshalb nicht zuzuerkennen, weil er sich nicht aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Zur Begründung wird entsprechend § 77 Abs. 2 AsylVfG vollinhaltlich auf die Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 22.05.2013 Bezug genommen. Zu Recht ist die Beklagte davon ausgegangen, dass allein die angebliche Zugehörigkeit des Klägers zur Volksgruppe der Biharis die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylVfG nicht rechtfertigt. Es bestehen keine tragfähigen Anknüpfungspunkte für die Annahme, dass die Gefahr einer unmittelbaren oder mittelbaren Gruppenverfolgung allein aufgrund der Volkszugehörigkeit des Klägers in Bangladesch besteht (ebenso VG Gelsenkirchen, Urteile vom 29.03.2012, 2a K 4589/10.A, und vom 15.08.2014, 20 K 1913/14.A, VG Düsseldorf, Urteil vom 26.03.2010, 1 K 6554/09.A, VG Minden, Urteil vom 11.09.2014, 1 K 1940/14.A, VG Aachen, Urteil vom 1A6.01.2014, 5 K 2027/12.A sowie VG Saarlouis, Urteil vom 11.12.2014, 6 K 284/14, jeweils in juris).

Die Volkszugehörigen der sog. Biharis kamen im Zuge der Teilung Britisch-Indiens im Jahre 1947 aus Bihar und anderen indischen Landesteilen in das damalige Ost-Pakistan, das 1971 unter dem Namen Bangladesch seine Unabhängigkeit erlangte. Von den heute noch in Bangladesch lebenden ca. 250.000 Biharis wohnen etwa 151.000 in einem der 116 Lager, die in verschiedenen Teilen des Landes errichtet wurden. Hier wurden alle Biharis untergebracht, die 1972 die Staatsangehörigkeit Bangladeschs verweigert hatten und sich weiterhin zu Pakistan bekannten. Der Teil der Biharis, der sich während der Repatriierungsverhandlungen unmittelbar nach der Unabhängigkeit Bangladeschs nicht im Bereich dieser Lager ansiedelte, führt in der bangladeschischen Gesellschaft ein normales Leben ohne erkennbare Diskriminierungen. Diejenigen Biharis, die in den Lagern verblieben, befinden sich in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht in einer nicht wesentlich von den Verhältnissen der Bewohner anderer Armenviertel in Bangladesch unterschiedlichen Situation. Bei diesen Lagen handelt es sich dabei nicht um Flüchtlingslager im eigentlichen Sinne, sondern um geschlossene Gemeinschaften in slumähnlichen Armenvierteln. Die in den Lagern lebenden Biharis unterliegen keinen Beschränkungen bei der Arbeitsaufnahme und können, wenn auch unter erschwerten Bedingungen, Arbeit finden. Ungeachtet ihrer wirtschaftlich schlechten Lebensbedingungen sind sie als Minderheit in der jüngeren Vergangenheit keinen Übergriffen und Anfeindungen seitens des Staates oder durch die bengalische Mehrheitsbevölkerung ausgesetzt. Vielmehr hat sich ihre Situation seit einer Entscheidung des High Court im Jahre 2008 sogar verbessert, da die noch offene Staatsangehörigkeitsfrage geklärt wurde. Das Gericht stellte am 18.05.2008 fest, dass alle Biharis die Staatsangehörigkeit Bangladeschs besitzen, die nach 1972 geboren wurden oder zu diesem Zeitpunkt minderjährig waren. Seither haben eine Vielzahl von Angehörigen der Volksgruppe der Biharis Pässe erhalten bzw. wurden in die Wählerverzeichnisse eingetragen (vgl. zu Vorstehendem Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch vom 01.07.2008, 508-516.80/3 BGD, sowie Auskunft an VG Düsseldorf vom 14.12.2009, 508-516.80/46 287; ferner Kooperation Asylwesen Deutschland - Österreich - Schweiz, Factsheet Bangladesch, vom April 2013, sowie VG Gelsenkirchen, Urteil vom 29.03.2012, 2a K 4589/10.A, a.a.O., m.w.N., VG Saarlouis, Urteil vom 11.12.2014,6 K 284/14). [ ...]