OVG Rheinland-Pfalz

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Zitieren als:
OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 08.03.2000 - 10 A 10344/00.OVG - asyl.net: M2265
https://www.asyl.net/rsdb/M2265
Leitsatz:

Keine Behandlungsmöglichkeit für Leukämie (lebensnotwendige Ehaltungschemotherapie) in Kongo-Zaire aufgrund fehlendem Krankenversicherungssystem.

(Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: Berufungszulassungsantrag, Grundsätzliche Bedeutung, Abschiebungshindernis, medizinische Versorgung, Finanzierbarkeit
Normen: AsylVfG § 78 Abs. 3 Nr. 1
Auszüge:

Die vom Rechtsbehelf allein als grundsätzlich klärungsbedürftig i.S.d. § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG dargelegte Frage, "ob fehlende finanzielle Möglichkeiten zur Behandlung einer lebensbedrohlichen Krankheit im Zielland ein Abschiebungshindernis i.S.d. § 53 Abs. 6 Satz 1 Aus.1G zu begründen vermögen", rechtfertigt nicht die Zulassung der Berufung. Denn diese Frage ist in der in Anlehnung an die neuere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. z.B. Urteil vom 25. November 1997 - 9 C 58.96 -, BVerwGE 105, 383, 384 ff. m.w.N.) ergangenen Spruchpraxis des Senats geklärt. So hat das beschließende Gericht etwa in dem bereits von der Vorinstanz zitierten Urteil vom 3. April 1998 zur Abschiebung eines - übrigens ebenfalls an Leukämie erkrankten - Ausländers nach Kongo-Zaire u.a. ausgeführt (vgl. UA S. 17):........

Zum anderen wird der Kläger eine solche Behandlung (eine lebensnotwendige Erhaltungschemotherapie, Erg. d. Senats) aller Voraussicht nach auch deshalb in Kongo-Zaire nicht erfahren, weil dort kein Krankenversicherungssystem existiert und in Fällen der vorliegenden Art die Behandlungkosten vom Patienten bzw. dessen Familienmitgliedern aufgebracht werden müssen ... Der Kläger ... und auch dessen Familienmitglieder ... sind offensichtlich nicht in der Lage, die auch für die Erhaltungschemotherapie nötigen hohen Kosten aufzubringen ... Dass die Kosten in einer Größenordnung von 50.000,00 DM an aufwärts vor dem Hintergrund, dass die Mehrzahl der Bevölkerung angesichts des niedrigen Einkommensniveaus in Kongo-Zaire nicht in der Lage ist, die vergleichsweise teuren Medikamente zu bezahlen ..., von dem Kläger und auch von seiner Familie nicht erbracht werden können, liegt auf der Hand und bedarf keiner weitren Erörterung. Damit erfüllt der Kläger die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG.

Diese Rechtsprechung aus Anlass des vorliegenden Verfahrens grundsätzlich zu überdenken, hat der Senat keinen Grund. Auch die zwischenzeitlich ergangenen Entscheidungen geben keinen Anhaltspunkt für eine restriktive Auslegung des § 53 Abs. 6 Satz 1 Aus1G wie sie der Beteiligte vertritt. So hat das Bundesverwaltungsgericht in seinen Entscheidungen (Urteil vom September 1999 - S. 14 und Urteil vom 15. Oktober 1999 - 9 C 7/99 -) in Fortführung seiner bisherigen Rechtsprechung zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse einerseits und inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse andererseits weiter voneinander abgegrenzt. Indessen hat es seine Linie, wonach die Verschlimmerung seiner Krankheit im Heimatstaat, weil die Behandlungsmöglichkeiten für den Ausländer nach einer Abschiebung gerade dort unzureichend sind, ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG darstellt, in dieser allgemeinen Form und ohne Beteiligten befürwortete Einschränkung beibehalten. Maßgebliches Kriterium für das Bundesverwaltungsgericht ist dabei die tatrichterlich zu würdigende Frage gewesen, "ob die Medikamente in (dem Zielstaat) für den Kläger, erhältlich wären" (so ausdrücklich Urteil vom 21. September 1999, a.a.O., UA S. 8). Für diese zielstaatsbezogene Gefahr ist es indessen von untergeordneter und nicht entscheidungserheblicher Bedeutung, ob das Medikament in dem Zielstaat überhaupt nicht - und damit auch nicht für den Kläger - erhältlich ist oder ob es in dem Zielstaat zwar verfügbar, es für den Kläger wegen fehlender finanzieller Möglichkeiten oder fehlender Privilegien aber wegen der Ausgestaltung des Gesundheitswesens dort konkret nicht erhältlich ist. Denn in jedem Fall steht es für ihn nicht zur Verfügung und es droht ihm eine zielstaatsbezogene konkrete Gefahr für Leib oder Leben.

Die gegenteilige Ansicht, wie sie vom BayVGH in dem vom Beteiligten zitierten Beschluss vom 25. November 1996 (10 CS 96.2972) geäußert worden ist, überzeugt den Senat demgegenüber nicht. Dessen Argumentation, die Gewährleistung der notwendigen medizinischen Versorgung für den einzelnen zur Abschiebung anstehenden Ausländer sei eine sozialpolitische Aufgabe des Heimatstaates und diese könne nicht im Wege eines Abschiebungshindernisses auf die Bundesrepublik Deutschland abgewälzt werden, bewegt sich in einem rechtspolitischen Raum, die vom Wortlaut und Sinn des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG losgelöst ist und mit dem gebotenen Verständnis der Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (vgl. dazu bereits das Urteil des BVerwG vom 17. Oktober 1995 - 9 C 9.95 -, UA S. 9) nicht in Einklang steht.