OVG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 03.03.2015 - 14 B 101/15.A - asyl.net: M22692
https://www.asyl.net/rsdb/M22692
Leitsatz:

Die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG darf erst ergehen, wenn ein Duldungsgrund ausgeschlossen ist. Die nicht feststehende Übernahmebereitschaft des Staates, in den abgeschoben werden soll, stellt einen Umstand dar, der einen Duldungsanspruch auslöst.

Schlagwörter: tatsächliche Unmöglichkeit, Abschiebungshindernis, Vollzugshindernis, Vollstreckungshindernis, Duldung, Übernahmebereitschaft, Dublinverfahren,
Normen: AsylVfG § 34a, AsylVfG § 34a Abs. 1 S. 1, AufenthG § 60a, AufenthG § 60a Abs. 1 S. 1, AsylVfG § 26a,
Auszüge:

[...]

Der Senat macht aber von seiner Abänderungsbefugnis Gebrauch, weil es für ein überwiegendes Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung der Klage hinreichend wahrscheinlich ist, dass die Voraussetzungen für die angefochtene Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) nicht vorliegen, wie der Antragsteller zutreffend ausführt. Danach soll dann, wenn der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylVfG) abgeschoben werden soll, die Abschiebung angeordnet werden, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.

Das beschließende Gericht hat aus dem Begriff "sobald" gefolgert, dass die Abschiebungsanordnung dann, aber auch erst dann zu erlassen ist, wenn die Rückführung in allernächster Zeit auch tatsächlich möglich ist. Daher muss die Rücknahmebereitschaft desjenigen Drittstaates, in den abgeschoben werden soll, geklärt sein (OVG NRW, Urteil vom 30.9.1996 - 25 A 790/96.A -, NVwZ 1997, 1141 (1143) = NRWE Rn. 56 ff.).

Mit der Forderung, dass feststehen muss, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann, obliegt dem Bundesamt die Prüfung, dass weder zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisse noch der Abschiebung entgegenstehende inlandsbezogenen Vollzugshindernisse, auch Duldungsgründe nach § 60a Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG), vorliegen (BVerfG, 3. Kammer des Zweiten Senats, Beschluss vom 17.9.2014 - 2 BvR 1795/14 -, juris Rn. 9 f.; Schnell, Die Überstellung in den nach der Dublin II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat, NWVBl. 2013, 218 (226)).

Zu den tatsächlichen Vollzugshindernissen, die einen Duldungsanspruch auslösen, gehört der Umstand, dass die Abschiebung aus tatsächlichen Gründen unmöglich ist (§ 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG). Fehlende Übernahmebereitschaft des Staates, in den abgeschoben werden soll, ist ein solcher Umstand. Da die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nicht etwa nur zu unterlassen ist, wenn ein solcher Duldungsgrund vorliegt, sondern erst ergehen kann, wenn der Duldungsgrund ausgeschlossen ist ("feststeht, dass sie durchgeführt werden kann"), muss die Übernahmebereitschaft positiv geklärt sein (Funke-Kaiser in: GK AsylVfG 1992, Loseblattsammlung (Stand: November 2014), § 34a Rn. 20).

Daran fehlt es hier. Bulgarien hat die Übernahme nach dem Dublin-System abgelehnt und auf einen Übernahmeantrag im Rahmen des Rückübernahmeabkommens verwiesen. Dass dieser positiv beschieden worden wäre, ist nicht erkennbar. Die Antragsgegnerin hat binnen der gesetzten Frist nicht auf den Antrag des Antragstellers reagiert. [...]