VG Göttingen

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Zitieren als:
VG Göttingen, Beschluss vom 08.06.2015 - 2 B 117/15 - asyl.net: M22997
https://www.asyl.net/rsdb/M22997
Leitsatz:

Eine Ablehnung als "offensichtlich unbegründet" ist nicht gerechtfertigt, wenn noch nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Eltern der von der Entscheidung betroffenen Person als Asylberechtigte anerkannt werden oder ihnen die Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutz zuerkannt werden wird.

Schlagwörter: offensichtlich unbegründet, Familienasyl, Familienflüchtlingsschutz, Stammberechtigter, Flüchtlingsanerkennung, subsidiärer Schutz, vorläufiger Rechtsschutz, Zweitantrag, Dublinverfahren,
Normen: AsylVfG § 36 Abs. 1, AsylVfG § 34 Abs. 1, AsylVfG § 30 Abs. 1, AsylVfG § 26 Abs. 2, AsylVfG § 26 Abs. 5 S. 1, AsylVfG § 26 Abs. 5 S. 2, AsylVfG § 26 Abs. 5,
Auszüge:

[...]

II. Der Eilantrag ist auch begründet, denn es bestehen bei im Eilverfahren gebotener und nur möglicher summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung ernstliche Zweifel i.S.d. § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG.

Nach §§ 36 Abs. 1, 34 Abs. 1 AsylVfG ist eine (sofort vollziehbare) Abschiebungsandrohung mit kurzer Ausreisefrist (u.a.) in den Fällen der offensichtlichen Unbegründetheit des Asylantrags zu erlassen. Das Bundesamt hat den Asylantrag der Antragstellerin nach § 30 Abs. 1 AsylVfG mit der Begründung für offensichtlich unbegründet gehalten, dass in ihrem Fall offensichtlich weder die Anerkennung als Asylberechtigte (Ziffer 2. des Bescheides) noch die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1. des Bescheides) in Betracht komme. Dieses "Offensichtlichkeitsurteil" ist vorliegend nicht gerechtfertigt. Denn es erscheint nicht ausgeschlossen, dass die Eltern der Antragstellerin (...), welche die Kläger des Verfahrens 2 A 114/15 und Antragsteller des Verfahrens 2 B 115/15 sind, als Asylberechtigte anerkannt werden oder ihnen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt werden wird. In diesen Fällen könnte der Antragstellerin Familienasyl (§ 26 Abs. 2 AsylVfG) oder Familienflüchtlingsschutz (§ 26 Abs. 5 Sätze 1 und 2, Abs. 2 AsylVfG) gewährt werden. Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Antragstellerin nach der letztgenannten Alternative aufgrund der Neufassung des § 26 Abs. 5 AsylVfG auch dann einen abgeleiteten Schutzstatus erlangen könnte, wenn ihren Eltern zwar nicht mindestens die Flüchtlingseigenschaft, aber jedenfalls der subsidiäre (internationale) Schutz nach § 4 AsylVfG zugebilligt werden sollte. Dass der Ausgang der Asylverfahren der Eltern in diesem Sinne offen ist, ergibt sich aus den Gründen des heutigen Beschlusses im Verfahren 2 B 115/15, mit dem der Einzelrichter die Ablehnung der Asylanträge der Eltern als Zweitanträge (§ 71a AsylVfG) durch das Bundesamt für rechtswidrig gehalten und deshalb die zugehörige Abschiebungsandrohung suspendiert hat. Diese Ausführungen sind den Beteiligten des vorliegenden Eilverfahrens bekannt. [...]