LG Frankfurt a.M.

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Zitieren als:
LG Frankfurt a.M., Beschluss vom 08.01.2016 - 2-29 T 3/16 - asyl.net: M23482
https://www.asyl.net/rsdb/M23482
Leitsatz:

Die Anforderungen an die Überstellungshaft im Dublin-Verfahren (Vorliegen einer "Fluchtgefahr") sind in Art. 28 Abs. 2 Dublin-III-VO abschließend geregelt und gelten auch für die Zurückweisungshaft (am Flughafen) gem. § 15 Abs. 5 AufenthG, ungeachtet der hier fehlenden Verweisung auf Haftgründe gem. § 62 Abs. 3 AufenthG.

Schlagwörter: Abschiebungshaft, Sicherungshaft, Dublinverfahren, Fluchtgefahr, Überstellungshaft, Haftgründe, Haftgrund, Zurückweisungshaft, Visum, Besuchsvisum, Schengen-Visum, Dublin III-Verordnung,
Normen: VO 604/2013 Art. 28 Abs. 2, AufenthG § 15 Abs. 5, AufenthG § 2 Abs. 15 S. 2, AufenthG § 2 Abs. 15 S. 2, AufenthG § 2 Abs. 15, AufenthG § 2 Abs. 14,
Auszüge:

[...]

Es liegt bereits kein Haftgrund vor. Der Betroffene verfügt über ein echtes französisches Visum, sodass die Dublin III-VO auf den vorliegenden Fall anzuwenden ist und gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO Frankreich für das Asylverfahren zuständig ist.

Die Gründe für die Anordnung von Haft zur Sicherung einer Aufnahme oder Wiederaufnahme eines Betroffenen durch einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union (Überstellungshaft) regelt Art. 28 Abs. 2 der Dublin III-Verordnung mit unmittelbarer Geltung in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union eigenständig und abschließend. Zugelassen ist die Haft nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschritt nur, wenn Fluchtgefahr besteht, nicht aus anderen Gründen (BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2014 - V ZB 124/14 -, Rn. 6, juris).

Dies gilt auch für die Zurückweisungshaft gemäß § 15 Abs. 5 AufenthG. Ungeachtet der fehlenden Verweisung in § 15 Abs. 5 AufenthG auf Haftgründe gemäß § 62 Abs. 3 AufenthG ist daher aus unionsrechtlichen Gründen bei der Frage, ob zwecks Durchführung der Dublin III-VO Abschiebungshaft in welcher Form auch immer angeordnet werden darf, § 2 Abs. 15 AufenthG zu beachten (Marx, Aufenthalts-, Asyl- und Flüchtlingsrecht 5. Aufl. 2015, § 8 Rdn. 34).

Konkrete Anhaltspunkte gemäߧ 2 Abs. 15 S. 2 AufenthG liegen nicht vor. Der Betroffene hat keinen anderen Mitgliedsstaat trotz laufendem Asylverfahren verlassen, sondern ist in Deutschland erstmals in einen Mitgliedsstaat eingereist. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 2 Abs. 15 S. 2 AufenthG begründet das Verhalten des Betroffenen keine konkreten Anhaltspunkte für eine Fluchtgefahr i.S.d. Art. 28 Abs. 2 der Dublin III-VO.

Andere konkrete Anhaltspunkte gemäߧ 2 Abs. 15 i.V.m. 2 Abs. 14 AufenthG sind nicht vorgetragen oder ersichtlich. Der Umstand, dass der Betroffene nach dem Vortrag der antragstellenden Behörde das Visum durch falsche Angaben erschlichen hat, ist keinem der in § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AufenthG aufgeführten Gründe zuzuordnen. Insbesondere ist das Verhalten des Betroffenen keine sonstige konkrete Vorbereitungshandlung von vergleichbarem Gewicht gemäß § 2 Abs. 14 Nr. 6 AufenthG. [...]