LG Tübingen

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Zitieren als:
LG Tübingen, Beschluss vom 29.12.2015 - 3 T 3/15 - asyl.net: M23566
https://www.asyl.net/rsdb/M23566
Leitsatz:

Die Anordnung von Haft darf nicht ergehen, wenn dem Antrag der Ausländerbehörde statt der (kompletten) Ausländerakte lediglich ausgewählte Dokumente beigefügt sind. Auf einer derart unsicheren Tatsachengrundlage darf weder eine endgültige noch eine einstweilige Haftanordnung ergehen.

Schlagwörter: Abschiebungshaft, Überstellungshaft, Abschiebung, Haftbeschluss, Haftantrag, einstweilige Anordnung, Akten,
Normen: FamFG § 427,
Auszüge:

[...]

Entscheidend ist hier aber, und dies führt dazu, dass eine Anordnung der Haft nicht hätte ergehen dürfen, dass dem Antrag der Ausländerbehörde zur Begründung nur ausgewählte Dokumente beigefügt waren, die Akten für den Betroffenen als solche jedoch nicht, und diese erst im Beschwerdeverfahren nach ausdrücklicher Aufforderung mit Begleitschreiben vom 16. Juni 2015 übersandt wurden. Denn das Amtsgericht hat von Amts wegen den gesamten Sachverhalt zu ermitteln und zu würdigen. Hierzu gehört, dass es sich von der Sachlage ein umfassendes Bild machen kann, um auf der daraus gewonnenen Tatsachenbasis entscheiden zu können. Dies ist hier nicht geschehen. Der angefochtene Beschluss vom 06. Mai 2015 berücksichtigt zwar die Tatsache, dass die Akten für den Betroffenen nicht vorlagen, durchaus, indem nur eine einstweilige Anordnung erlassen und Haft nur für die Dauer von zwei Wochen - die antragstellende Behörde hielt eine Dauer von drei Wochen für gerechtfertigt - angeordnet wurde. Der Unterschied ist jedoch nicht maßgeblich. Für den Eingriff in die Grundrechte des Betroffenen ist es ohne Belang, ob die Haftanordnung gewissermaßen endgültig oder nur vorläufig als einstweilige Anordnung ausgesprochen wurde. In beiden Fällen wurde ohne genügende Kenntnis der Tatsachenbasis entschieden. Die Haftanordnung hätte folglich nicht ergehen dürfen. [...]