VG Göttingen

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Zitieren als:
VG Göttingen, Beschluss vom 09.02.2016 - 4 B 53/16 (= ASYLMAGAZIN 6/2016, S. 170) - asyl.net: M23589
https://www.asyl.net/rsdb/M23589
Leitsatz:

Eine chronische, dialysepflichtige Nierenerkrankung ist im Kosovo nicht behandelbar.

Schlagwörter: Kosovo, Dialyse, medizinische Versorgung, Krankheit, Nierenerkrankung, ernstliche Zweifel, Suspensiveffekt, aufschiebende Wirkung, offensichtlich unbegründet,
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1,
Auszüge:

[…]

Der zulässige Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat in der Sache Erfolg. Die im Rahmen der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Lasten der Antragsgegnerin aus. Die von der Antragsgegnerin auf der Grundlage der §§ 34, 36 Abs. 1 AsylG, 59 AufenthG erlassene Ausreiseaufforderung mit Abschiebungsandrohung wird sich als rechtswidrig erweisen und keinen Bestand haben können, da sich die Antragsteller auf ein Abschiebungsverbot nach§ 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG berufen können. Insoweit bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 12. Januar 2016 bezüglich der dortigen Entscheidungen unter den Ziffern 4. bis 7. Auch wenn die ablehnenden Entscheidungen des Bundesamtes bzgl. der Anträge der Antragsteller auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, auf Asylanerkennung und Gewährung subsidiären Schutzes nicht zu beanstanden sein werden, so unterliegt aber die Entscheidung über das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG ernstlichen Zweifeln. Der Antragsteller zu 1. leidet nach den vorgelegten fachärztlichen Stellungnahmen [...] an einer chronischen dialysepflichtigen terminalen Niereninsuffizienz (im Endstadium V). Der Antragsteller zu 1. benötigt derzeit dreimal wöchentlich eine Hämodialysebehandlung und wird eine Nierentransplantationsnotwendigkeit geprüft. Die derzeitige Behandlung ist lebensnotwendig und unaufschiebbar. Diese für den Antragsteller zu 1. lebenswichtige Behandlung wird er im Kosovo nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen nicht erlangen können und würde auf eine Behandlung im Ausland zu verweisen sein (vgl. Stellungnahme der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Pristina an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 17. August 2015). Es ist auch nicht ersichtlich, dass eine solche Behandlung durch das kosovarische Gesundheitsministerium übernommen werden würde, geschweige denn vom Antragsteller selbst finanziert werden könnte. Für die Antragsteller zu 2. bis 4. wird voraussichtlich ebenfalls ein in ihrer Person begründetes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG bzgl. des Kosovo bestehen. Da der Antragsteller zu 1. zur Bestreitung eines Lebensunterhaltes im Kosovo ausfällt, wären die Antragsteller zu 2. bis 4. im Kosovo auf sich alleine gestellt. Insoweit vermag das Gericht nicht zu erkennen, dass die Antragstellerin zu 2. den Lebensunterhalt für sich und ihre Kinder angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Situation und Arbeitsmarktlage im Kosovo (insbesondere für Frauen) bestreiten könnte. Nach Aktenlage ist auch nicht dargetan und ersichtlich, dass die Antragsteller zu 2. bis 4. auf eine familiäre Unterstützung zur Existenzsicherung im Kosovo zurückgreifen könnten. Nach alledem wird den Antragstellern ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG bzgl. des Kosovo zur Seite stehen und werden·sich damit die Entscheidungen unter den Ziffern 4. bis 7. des Bescheides vom 12. Januar 2016 als rechtswidrig erweisen. Somit war dem vorläufigen Rechtsschutzbegehren der Antragsteller zu entsprechen. [...]