Keine Anordnung eines Einreiseverbots welches legale Arbeitsmigration aus dem "Westbalkan" vereitelt:
1. Die Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 7 AufenthG ist ermessensfehlerhaft, wenn die Aufnahme eines Beschäftigungsverhältnisses in Deutschland nicht berücksichtigt wurde und dadurch die Möglichkeit der legalen Arbeitsmigration aus dem Westbalkan nach § 26 Abs. 2 BeschV vereitelt würde.
2. Bei verzögerter Asylantragstellung, die der Antragsteller nicht zu vertreten hat, ist er so zu stellen, als hätte er den Asylantrag innerhalb des Zeitraums des § 26 Abs. 2 S. 4 BeschV gestellt.
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Zwar ist es dem Grunde nach nicht zu beanstanden, wenn das Bundesamt bei der Ermessensausübung dem Zweck der Ermächtigung des § 11 Abs. 7 AufenthG, aus generalpräventiven Erwägungen einer Überlastung des Asylverfahrens durch offensichtlich nicht schutzbedürftige Personen entgegenzuwirken und die entsprechenden Kapazitäten vielmehr für die Prüfung der Asylanträge tatsächlich schutzbedürftiger Personen einzusetzen (vgl. BT-Drs. 18/4097, Seite 38), dahingehend Rechnung trägt, dass sämtliche Ausländer, die - wie hier der Antragsteller - den Tatbestand des § 11 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllen, mit einem Einreise- und Aufenthaltsverbot belegt werden (vgl. Beck'scher Online-Kommentar Ausländerrecht, Kluth/Heusch-Maor, Stand: 1. November 2015, Rn. 52). Auch hat das Bundesamt in dem angefochtenen Bescheid zutreffend festgestellt, dass der Antragsteller im Bundesgebiet über keine wesentlichen Bindungen verfügt, die im Rahmen der Ermessensprüfung zu berücksichtigen gewesen wären. Im Rahmen seiner Anhörung hat er keinerlei Angaben zum Bestehen schutzwürdiger Belange gemacht (Bl. 51 Mitte der Beiakte).
Gleichwohl hätte das Bundesamt hier den Umstand berücksichtigen müssen, dass der Antragsteller bereits zum Zeitpunkt seiner Anhörung unter Vorlage des entsprechenden Dokumentes geltend gemacht hat, am 1. Oktober 2015 mit der Firma … einen Arbeitsvertrag als Lagerarbeiter abgeschlossen zu haben. Der Antragsteller kann insoweit von der zum 28. Oktober 2015 erfolgten Änderung der Beschäftigungsverordnung profitieren. Nach § 26 Abs. 2 BeschV können u.a. für Staatsangehörige von Albanien in den Jahren 2016 bis einschließlich 2020 durch die Bundesagentur für Arbeit Zustimmungen zur Ausübung jeder Beschäftigung erteilt werden. Die Zustimmung darf nur erteilt werden, wenn der Antrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels bei der jeweils zuständigen deutschen Auslandsvertretung im Herkunftsstaat gestellt wurde.
Ziel der Änderung der Beschäftigungsverordnung war es, den Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylbewerber sowie für Geduldete zu erleichtern. Durch die Möglichkeit, unabhängig von der persönlichen Qualifikation eine Ausbildung oder Beschäftigung in Deutschland aufzunehmen, soll der Asyldruck aus den Staaten des Westbalkans verringert werden. Sowohl Menschen mit anerkannter Schutzberechtigung als auch Menschen, bei denen ein dauerhafter und rechtmäßiger Aufenthalt zu erwarten ist, soll eine Perspektive auf Integration in die Gesellschaft und in den Arbeitsmarkt sowie auf Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gesellschaft gegeben werden. Dabei soll insbesondere eine legale Migration für Staatsangehörige aus den Staaten des Westbalkans ermöglicht werden, die kein Asylrecht in Anspruch nehmen können (Verordnungsentwurf zur Änderung der Beschäftigungsverordnung, der Integrationskursverordnung und weiterer Verordnungen, Stand: 20. September 2015, 22.55 Uhr, Seite 1 und 14).
Gem. § 26 Abs. 2 Sätze 3 und 4 BeschV darf die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit nicht erteilt werden, wenn der Antragsteller in den letzten 24 Monaten vor Antragstellung Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bezogen hat. Eine Ausnahme gilt aber für Antragsteller, die nach dem 1. Januar 2015 und vor dem 24. Oktober 2015 einen Asylantrag gestellt haben, sich am 24. Oktober 2015 gestattet, mit einer Duldung oder als Ausreisepflichtige im Bundesgebiet aufgehalten haben und unverzüglich ausreisen.
Zwar hat der Antragsteller seinen Asylantrag erst am 3. November 2015 und damit nach Ablauf des in § 26 Abs. 2 Satz 4 BeschV genannten Zeitraums gestellt. Diese Verzögerung der Asylantragstellung hat der Antragsteller indes nicht zu vertreten. [...] Der Antragsteller hat bereits am 26. Februar 2015 eine Bescheinigung über seine Meldung als Asylsuchender erhalten. Weil sich die Asylantragstellung durch den Antragsteller durch außerhalb seiner Verantwortungssphäre liegende Umstände verzögert hat, ist er im Hinblick auf § 26 Abs. 2 Satz 4 BeschV so zu stellen, als hätte er den Asylantrag innerhalb des dort genannten Zeitraums gestellt.
Bei der Anordnung und Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbotes gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG wäre durch das Bundesamt zu berücksichtigen gewesen, dass der Antragsteller ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis aufgenommen hat, das ihm bei der von ihm beabsichtigten freiwilligen Ausreise im Falle einer Zustimmung durch die Bundesagentur für Arbeit trotz fehlenden Asylrechts eine - von der Beschäftigungsverordnung in der geänderten Fassung intendierte - legale Migration ermöglicht hätte. Der Einzelrichter geht dabei zugunsten des Antragstellers - auch im Hinblick auf seine bereits erfolgten erheblichen Integrationsbemühungen (vgl. Bl. 8 bis 11 der Gerichtsakte) davon aus, dass das Arbeitsverhältnis nach zunächst erfolgter Ausreise und Wiedereinreise zum Zwecke der Durchführung des Visumsverfahrens fortgesetzt werden kann. Ließe man diese Entwicklung unberücksichtigt, liefe die in § 26 Abs. 2 Satz 4 BeschV geschaffene Regelung für Antragsteller, die bereits vor Inkrafttreten der Neuregelung nach Deutschland eingereist sind, ins Leere, weil das angeordnete mehrmonatige Einreise- und Aufenthaltsverbot eine Wiedereinreise auf dem vorgezeichneten legalen Weg mit dem Ziel der Aufnahme einer Beschäftigung für einen längeren Zeitraum ausschließt. [...]