VG Trier

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Zitieren als:
VG Trier, Beschluss vom 01.08.2016 - 1 L 2865/16.TR - asyl.net: M24388
https://www.asyl.net/rsdb/M24388
Leitsatz:

Einstweiliger Rechtsschutz gegen Dublin-Bescheid:

1. Deutschland ist für die Durchführung des Asylverfahrens nach Art. 21 Abs. 1 UAbs. 3 Dublin-III-VO zuständig geworden, da das Aufnahmegesuch an Schweden nicht rechtzeitig gestellt wurde.

2. Die Dreimonatsfrist, innerhalb derer ein Mitgliedstaat nach Art. 21 Abs. 1 UAbs. 1 Dublin-III-VO ein Aufnahmeersuchen zu stellen hat, beginnt bereits mit der Stellung eines (formlosen) Asylgesuchs und nicht erst eines förmlichen Asylantrags.

(Leitsätze der Redaktion, vgl. VG Minden Vorlagebesschluss an den EuGH vom 22.12.2016 - 10 K 5476/16.A - asyl.net: M24535)

Schlagwörter: Dublinverfahren, Fristablauf, Aufnahmegesuch, Asylantrag, Asylgesuch, Dublin III-Verordnung, Aufnahmeersuchen, Frist, Drei-Monats-Frist, Zuständigkeitsübergang, Asylantragstellung,
Normen: VO 604/2013 Art. 21 Abs. 1 S. 3, VO 604/2013 Art. 21 Abs. 1 S. 1, AsylG § 14, AsylG § 13 Abs. 1, VO 604/2013 Art. 20 Abs. 2,
Auszüge:

[…]

Die Antragsgegnerin wurde gemäß Art. 21 Abs. 1 S. 3 Dublin III-VO zuständig, nachdem das Aufnahmegesuch an das Königreich Schweden nicht innerhalb der Ermittlungsfrist des Art. 21 Abs. 1 S. 1 Dublin III-VO gestellt wurde.

Gemäß Art. 21 Abs. 1 S. 1 Dublin III-VO ist das Aufnahmegesuch so bald wie möglich, in jedem Fall aber innerhalb von drei Monaten nach Antragstellung, zu stellen.

Maßgeblich für den Fristbeginn ist hier nicht das Datum der förmlichen Stellung eines Asylantrages im Sinne der §§ 14, 23 AsylG, sondern das Datum des erstmaligen (formlosen) Asylantrags im Sinne des § 13 Abs. 1 AsylG.

Sinn und Zweck der Ermittlungsfristenregelung in der Dublin III-VO ist es erkennbar, schnellstmöglich Klarheit über den jeweils zuständigen Staat im Dublin-Raum zu erhalten. Würde man hier auf das Datum einer förmlichen Antragstellung abstellen, wäre der Lauf der maßgeblichen Fristen vom Verhalten der Antragsgegnerin abhängig, welche die Termine zur förmlichen Antragstellung gemäß den §§ 14, 23 AsylG nach den jeweils zur Verfügung stehenden Kapazitäten ihrer Außenstellen vergibt. Dies kann erkennbar nicht der Telos des Art. 21 Dublin III-VO sein.

Die Dreimonatsfrist des Art. 21 Abs. Abs. 1 S. 1 Dublin III-VO ist dabei auch ausreichend lange bemessen, um die erforderlichen Ermittlungen anzustellen und die erforderlichen Einwilligungen der Antragsteller einzuholen, zumal die erkennungsdienstliche Behandlung bereits im Zuge der formlosen Antragstellung erfolgt (vgl. § 63a AsylG).

Für diese Ansicht streitet auch Art. 20 Abs. 2 Dublin III-VO, auf den Art. 21 Abs. 1 S. 1 Dublin III -VO verweist. Dort heißt es, dass ein Antrag als gestellt gilt, wenn den zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedsstaates ein vom Antragsteller eingereichtes Formblatt oder ein behördliches Protokoll zugegangen ist. Dabei kann der Antrag auch mündlich gestellt werden. Bereits aus dem Wortlaut des Art. 20 Abs. 2 Dublin III-VO ist damit ersichtlich, dass die Antragstellung nach Lesart der Dublin III-VO schon den formlosen Asylantrag im Sinne des § 13 Abs. 1 AsylG und nicht erst den formellen Antrag meint. Auch § 13 Abs. 1 AsylG spricht insoweit von einer (bloßen) mündlichen oder schriftlichen Antragstellung. Hinzu kommt abschließend, dass die nationale Unterscheidung zwischen formlosem und förmlichen Asylantrag durch die ersuchte Behörde im Zweifel nicht nachvollzogen werden kann und das Verfahren dadurch Gefahr läuft, durch ein international intransparentes Verfahren von den Vorgaben der Dublin III-VO abzuweichen. [...]