VG Karlsruhe

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Zitieren als:
VG Karlsruhe, Beschluss vom 05.01.2017 - A 6 K 7295/16 - asyl.net: M24639
https://www.asyl.net/rsdb/M24639
Leitsatz:

Die Frist zur Einreichung eines Folgeantrags in Bezug auf neue Tatsachen / Beweismittel verstößt nicht gegen die Asylverfahrensrichtlinie.

Schlagwörter: Frist, Ausschlussfrist, neue Beweismittel, neue Tatsachen, Änderung der Rechtslage, Änderung der Sachlage, Änderung der Sach- und Rechtslage, Asylfolgeantrag,
Normen: AsylG § 71 Abs. 1 S. 1, VwVfG § 51 Abs. 3, AsylG § 36 Abs. 3, VwGO § 80 Abs. 5 S. 1, VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 5, AsylG § 71 Abs. 4, RL 2013/32/EU Art. 42 Abs. 2 a,
Auszüge:

[...]

1. Entgegen der - auch in Teilen des Schrifttums vertretenen (vgl. dazu nur Funke-Kaiser, in: GK-Asy/G, 103. Ergänzungslieferung Mai 2015, § 71 <Rn. 283> m.w.N.; Marx, AsylG, 9. Auflage 2017, § 71 <Rn. 85>) - Auffassung des Bevollmächtigten der Antragstellerin verstößt die vom Bundesamt in ihrem Fall zur Ablehnung ihres Antrags auf Anerkennung als Asylberechtigte, die Gewährung von Flüchtlingsschutz und Gewährung subsidiären Schutzes zutreffend (Erklärung der Antragstellerin als … nach Auskunft der … in Deutschland laut Bescheid am ...08.2014; Stellung des Folgeantrags erst am 09.07.2015) herangezogene Versäumung der Antragsfrist des nationalen Rechts aus § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG i.V.m. 51 Abs. 3 VwVfG nicht gegen die unionsrechtlichen Vorgaben der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Verfahrensrichtlinie).

Die unionsrechtliche Grundlage für die Anwendung der genannten Antragsfrist nach § 51 Abs. 3 VwVfG im nationalen Recht findet sich in Art. 42 Abs. 2 a) der Verfahrensrichtlinie. Dort heißt es, dass die Mitgliedstaaten im nationalen Recht Vorschriften für die erste Prüfung (eines Folgeantrags) gemäß Artikel 40 festlegen können. Diese Vorschriften können unter anderem den betreffenden Antragsteller verpflichten, Tatsachen anzugeben und wesentliche Beweise vorzulegen, die ein neues Verfahren rechtfertigen, sofern diese Verpflichtungen weder der Zugang eines Antragstellers zu einem neuen Verfahren unmöglich machen noch zu einer effektiven Aufhebung oder erheblichen Beschränkung dieses Zugangs führen. Die genannte Richtlinienbestimmung setzt aber denklogisch voraus, dass für die Angabe dieser Tatsachen und die Vorlage wesentlicher Beweise auch eine (Ausschluss-)Frist vorgesehen werden kann, zumal die Bestimmung die zu treffenden Verfahrensvorschriften explizit nicht abschließend bezeichnet ("Diese Vorschriften können unter anderem ..."). Bei der nach der gegenteiligen Auffassung möglichen jederzeitigen Nachreichung von Tatsachen und Beweisen im laufenden Verfahren auf Prüfung der Zulässigkeit eines Folgeantrags würde die Bestimmung keinerlei beschränkende Wirkung und damit letztlich keine praktische Wirkung im Asylverfahren entfalten.

Die Streichung des früheren Art. 34 Abs. 2 UAbs. 1 b) der Verfahrensrichtlinie 2005/85/EG, der die Mitgliedstaaten ausdrücklich zur Einführung einer solchen Frist ermächtigte, ist demzufolge nicht auf einen Entschluss des Richtliniengebers gegen die Zulässigkeit einer solchen Fristbestimmung zurückzuführen (so aber Marx, AsylG, 9. Auflage 2017, § 71 <Rn. 85>; im Anschluss daran auch Funke-Kaiser, in: GK-AsylG, 103. Ergänzungslieferung Mai 2015, § 71 <Rn. 283> m.w.N.), zumal es hierfür an Anhaltspunkten in den Materialien fehlt (vgl. wiederum Funke-Kaiser, in: GK-AsylG, 103. Ergänzungslieferung Mai 2015,§ 71 <Rn. 283> m.w.N.), sondern dürfte schlicht darauf beruhen, dass die Zulässigkeit einer Ausschlussfrist nach nationalem Recht bereits - immanent - aus Art. 42 Abs. 2 a) der Verfahrensrichtlinie n. F. folgt (ebenso im Ergebnis allerdings ohne nähere Begründung auch VG Freiburg, Urteil vom 03.08.2016 - A 6 K 1679/15 -). [...]