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BGH

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Zitieren als:
BGH, Beschluss vom 11.10.2017 - V ZB 167/16 (Asylmagazin 1-2/2018, S. 57 f.) - asyl.net: M25738
https://www.asyl.net/rsdb/M25738
Leitsatz:

1. Dem Verfahrensbevollmächtigten muss die Möglichkeit eingeräumt werden, an der Anhörung der betroffenen Person teilzunehmen.

2. Die Zurückweisung eines Antrags zur Verlegung eines Termins, zu dem erst knapp drei Stunden vorher geladen wurde, und die Anhörung der betroffenen Person ohne ihren Bevollmächtligten stellen einen schweren Verfahrensfehler dar.

3. Vereitelt das Gericht die Teilnahme des Bevollmächtigten an der Anhörung, führt dies ohne weiteres zur Rechtswidrigkeit der Haft. Dies gilt auch bei Haftverlängerung. Es kommt nicht darauf an, ob die Haftanordnung auf dem Fehler beruht.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Abschiebungshaft, Terminsladung, Prozessbevollmächtigte, Haftbeschluss, Frist, Rechtswidrigkeit, Verfahrensfehler, Anhörung, Freiheitsentziehung, faires Verfahren, rechtliches Gehör, Ladungsfrist, Kausalität, Dublinverfahren, Überstellungshaft, Verlängerung, Haftverlängerung, Terminsverlegung, Verlegungsantrag,
Normen: FamFG § 425 Abs. 3,
Auszüge:

[...]

1. Die Anordnung der Haftfortdauer durch das Amtsgericht hat den Betroffenen in seinen Rechten verletzt, weil ihm bei dessen Anhörung ein schwerer Verfahrensfehler unterlaufen ist.

a) Einem Verfahrensbevollmächtigten muss die Möglichkeit eingeräumt werden, an dem Termin zur Anhörung des Betroffenen teilzunehmen. Der Grundsatz des fairen Verfahrens garantiert einem Betroffenen, sich zur Wahrung seiner Rechte in einem Freiheitsentziehungsverfahren von einem Bevollmächtigten seiner Wahl vertreten zu lassen und diesen zu der Anhörung hinzuzuziehen (Senat, Beschluss vom 10. Juli 2014 - V ZB 32/14, FGPrax 2014, 228 Rn. 8; Beschluss vom 20. Mai 2016 - V ZB 140/15, lnfAuslR 2016, 381 Rn. 6 und 20 mwN). Vereitelt das Gericht durch seine Verfahrensgestaltung eine Teilnahme des Bevollmächtigten an der Anhörung, führt dies ohne weiteres zu der Rechtswidrigkeit der Haft bzw. - soweit es um das Verfahren vor dem Beschwerdegericht geht - zur Rechtswidrigkeit der Aufrechterhaltung der Haft. Es kommt nicht darauf an, ob die Anordnung der Haft auf dem Fehler beruht (vgl. Senat, Beschluss vom 10. Juli 2014 - V ZB 32/14, FGPrax 2014, 228 Rn. 7 f.; Beschluss vom 20. Mai 2016 - V ZB 140/15, lnfAuslR 2016, 381 Rn. 13; Beschluss vom 13. Juli 2017 - V ZB 89/16, juris Rn. 5). Das gilt auch für die Verlängerung der Abschiebungs- oder Rücküberstellungshaft, auf die nach § 425 Abs. 3 FamFG die Vorschriften über den Erstantrag, also auch diejenigen über die Anhörung, uneingeschränkt anzuwenden sind (Senat, Beschluss vom 6. April 2017 - V ZB 59/16, lnfAuslR 2017, 292 Rn. 7).

b) Das Amtsgericht hat gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens verstoßen. Es hat, nachdem ihm der Haftverlängerungsantrag am 22. November 2016 um 10.33 Uhr per Fax übermittelt wurde, für den gleichen Tag um 13.30 Uhr einen Anhörungstermin bestimmt. Der Verfahrensbevollmächtigte hat daraufhin noch vor dem Anhörungstermin dessen Verlegung beantragt, wobei er darauf hingewiesen hat, dass ihm weder der Haftverlängerungsantrag übermittelt worden noch ein Erscheinen um 13.30 Uhr möglich sei. Letzteres war im Hinblick auf die zeitlichen Abläufe und die räumliche Entfernung - der Verfahrensbevollmächtigte hat seinen Sitz in Hannover, während die Anhörung in Hamburg stattfinden sollte - offenkundig. Vor diesem Hintergrund durfte das Amtsgericht den Verlegungsantrag nicht zurückweisen und die Anhörung des Betroffenen ohne dessen Verfahrensbevollmächtigten durchführen.

2. Eine Heilung des Verfahrensfehlers - die mit Wirkung für die Zukunft möglich wäre (vgl. Senat, Beschluss vom 18. Februar 2016 - V ZB 23/15, lnfAuslR 2016, 235 Rn. 25) - ist auch in der Beschwerdeinstanz nicht eingetreten. Sie setzt eine Nachholung der Anhörung des Betroffenen voraus, die nicht erfolgt ist. [...]