Sorgfältige Prüfung neuer Beweismittel bei Zweitantrag erforderlich:
Die im Zweitantragsverfahren erforderliche Prüfung der Beweismittel auf Schlüssigkeit, Geeignetheit und Beweisbedürftigkeit darf nicht von vornherein unterbleiben, weil die prüfende Stelle bereits vom Gegenteil der zu beweisenden Tatsache überzeugt ist (unter Bezug auf BVerfG, Beschluss vom 03.03.2000 - 2 BvR 39/98 - asyl.net: R6370).
(Leitsätze der Redaktion)
[...]
Seim Asylantrag des Klägers handelt es sich zwar um einen Zweitantrag im Sinne der Norm, denn das Asylverfahren des Klägers wurde in Frankreich erfolglos abgeschlossen. [...]
Jedoch liegen Wiederaufgreifensgründe im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 VwVfG vor.
Im Rahmen der Prüfung, ob eine Durchbrechung der Bestandskraft des französischen Ablehnungsbescheids vorliegt, sind wegen der gesetzlichen Gleichbehandlung der Folge- und der Zweitanträge (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 2016 - 1 C 4.16, juris Rn. 30) die Anforderungen an den Sachvortrag für Folgeanträge entsprechend heranzuziehen. Demnach genügt bereits ein schlüssiger Sachvortrag, der freilich nicht von vornherein nach jeder vertretbaren Betrachtung ungeeignet sein darf, zur Asylberechtigung zu verhelfen; es genügt mithin schon die Möglichkeit einer günstigeren Entscheidung aufgrund der geltend gemachten Wiederaufnahmegründe (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 3. März 2000 - 2 BvR 39/98, juris Rn. 32). [...]
Zumindest die vorgelegten Urkunden aus dem Jahr 2016 des Vorsitzenden des Ministerkabinetts der Tschetschenischen Republik Itschkerien und insbesondere des Verwaltungsleiters der Siedlung , die ihrer Beweiskraft nach einer schriftlichen Zeugenaussage gleichstehen und entsprechend auf ihre Zuverlässigkeit zu überprüfen wären, stellen neue Beweismittel gemäß§ 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG dar. Sie konnten im Erstverfahren nicht berücksichtigt werden, da sie über die Fortdauer der Verfolgung berichten, die Im Erstverfahren naturgemäß nur bis zum Jahr 2012 überprüft werden konnte und daher auch nicht früher gem. § 51 Abs. 2 VwVfG eingebracht werden konnten. Im Übrigen stehen sie widerspruchsfrei zum Vortrag des Klägers, so dass sie seiner Substantiierungspflicht entsprechen.
Die Erwägungen der Beklagten, dass die unter Beweis gestellten Tatsachen auch schon im Erstverfahren nicht beweisbedürftig seien und daher auch jetzt nicht zu einem günstigeren Ergebnis haben führen können, greifen nicht durch. Denn die Beklagte verwechselt damit die Beweisbedürftigkeit mit der Beweiswürdigung. Ob eine Verfolgung vorliegt und diese andauert, ist gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 AsylG durch den Kläger glaubhaft zu machen, damit also generell beweisbedürftig. Ob im französischen Verfahren eine solche Verfolgung bereits als erwiesen galt oder ob das Verfahren aus anderen Gründen abschlägig beschieden worden ist, so dass die Glaubhaftmachung der begründeten Furcht vor Verfolgung ausnahmsweise nicht beweisbedürftig ist, ist den Akten nicht zu entnehmen.
Die im Rahmen der Prüfung des Vorliegens von Wiederaufgreifensgründen erforderliche erste Prüfung der Beweismittel auf Schlüssigkeit, Geeignetheit und Beweisbedürftigkeit darf ein Beweismittel nicht von vornherein ablehnen, bloß weil die prüfende Stelle bereits vom Gegenteil der zu beweisenden Tatsache überzeugt ist Vielmehr ist sodann in die verfassungsrechtlich gebotene umfassende Aufklärung im Rahmen der Sachprüfung einzutreten (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 3. März 2000 - 2 BvR 39/98, juris Rn. 33 f.). Dies ist vorliegend nicht erfolgt. [...]