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LG Frankfurt a.M.

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Zitieren als:
LG Frankfurt a.M., Beschluss vom 11.05.2017 - 2-29 T 90/17 - asyl.net: M25956
https://www.asyl.net/rsdb/M25956
Leitsatz:

Im Abhilfeverfahren muss sich das Amtsgericht mit den in der Begründung enthaltenen Argumenten inhaltlich auseinandersetzen. Unterbleibt dies, muss das Beschwerdegericht nicht in der Sache entschieden, sondern kann die Sache in entsprechender Anwendung des § 69 Abs. 1 S. 2 FamFG zur erneuten Durchführung des Abhilfeverfahrens an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Freiheitsentziehung, Abschiebungshaft, Abhilfeverfahren, Zurückverweisung,
Normen: FamFG § 69 Abs. 1 S. 2,
Auszüge:

[…]

"Bei Vorlage einer Begründung - wie im vorliegenden Fall - hat das Ausgangsgericht von Amts wegen zu prüfen, ob eine Abänderung der Ausgangsentscheidung erforderlich ist. Hierbei sind die mit der Beschwerdebegründung vorgebrachten neuen Tatsachen und Beweismittel sowie neue bzw. geänderte Anträge zu berücksichtigen. Erforderlichenfalls hat das erstinstanzliche Gericht im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen im Abhilfeverfahren selbst Ermittlungen anzustellen und über die neuen Tatsachen Beweiserhebungen durchzuführen (§ 26 FamFG). Zudem muss das Gericht dem Beschwerdeführer Gelegenheit geben, ein inhaltlich unzureichendes Vorbringen zu konkretisieren. Das Gericht kann auch im Abhilfeverfahren, soweit es dies für sachdienlich hält, die Sache mit den Beteiligten in einem Termin besprechen. Vor einer abändernden Entscheidung ist den übrigen Beteiligten regelmäßig rechtliches Gehör zu gewähren (vgl. Keidel, FamFG, 18. Auflage, § 68_Rn. 11 m.w.N.). Vorliegende Grundsätze gelten auch für den bereits im Abhilfeverfahren gestellten Antrag festzustellen, dass der angefochtene Beschluss die Betroffene in ihren Rechten verletzt hat. Der Feststellungsantrag kann auch schon mit der Beschwerdeeinlegung beim Amtsgericht gestellt werden, so dass er Gegenstand der Abhilfe nach § 68 Abs. 1 FamFG ist. Damit ist bereits das erstinstanzliche Gericht in der Lage, im Rahmen einer Abhilfeentscheidung die Rechtswidrigkeit seiner eigenen, mit der Beschwerde angefochtenen Entscheidung festzustellen (Keidel, FamFG, 18. Auflage, § 62 Rn. 6; Kretz/Jürgens, Betreuungsrecht, 5. Auflage 2014, § 62 Rn. 4; vgl auch BGH, Beschluss vom 24.9.2015 - V ZB 3/15, zitiert nach juris, dort Rn. 8).

Diesen Anforderungen ist das Amtsgericht in dem von ihm durchgeführten Abhilfeverfahren nicht nachgekommen. Den mit Schriftsatz vom 6.2.2017 begründeten Feststellungsantrag der Betroffenen hat das Amtsgericht noch nicht einmal der antragstellenden Behörde zur Stellungnahme zugesandt, obwohl hiernach weitere Ermittlungen angezeigt waren. Hierzu ist der antragstellenden Behörde rechtliches Gehör zu gewähren und die Möglichkeit zu geben, diese Punkte aufzuklären. Gegebenenfalls muss dann dem Beschwerdeführer Gelegenheit gegeben werden, sein möglicherweise noch unzureichendes bzw. ergänzungsbedürftiges Vorbringen zu konkretisieren. Es stellt einen groben Mangel bei der Durchführung des Abhilfeverfahrens dar, wenn das Amtsgericht im Nichtabhilfebeschluss vom 7.2.2017 lediglich pauschal ausführt, das Beschwerdevorbringen rechtfertige keine andere Beurteilung. Ergänzend wird auch auf den Beschluss des BGH vom 15.9.2016 (V ZB 43/16, zitiert nach juris) Bezug genommen. Die gescheiterte Zurückführung der Betroffenen hätte dem Amtsgericht seitens der antragstellenden Behörde unverzüglich mitgeteilt werden müssen. Dies ist nicht geschehen. Auch hieraus kann sich ein Grund ergeben, dem Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit zumindest teilweise stattzugeben. Auch mit den sonstigen Argumenten der Betroffenen hat sich das Amtsgericht in der Nichtabhilfeentscheidung mit keinem Wort auseinandergesetzt."

In Folge dieses Beschlusses erschöpft sich die Tätigkeit des Amtsgerichts im Abhilfeverfahren offensichtlich darin, den Schriftsatz des Verfahrensbevollmächtigten vom 06.02.2017 der antragstellenden Behörde zur Stellungnahme zuzuleiten. Nachdem keine Stellungnahme erfolgt ist, wurde der Beschwerde "aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses nicht abgeholfen, da das Beschwerdevorbringen und die nach Entscheidung zu Tage getretenen Umstände keine andere Entscheidung rechtfertigen" würden. Dieser Nichtabhilfebeschluss genügt wiederum in keiner Weise den Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren. Es wäre im Lichte des Beschlusses der Kammer angezeigt gewesen, sich mit der dort genannten Anforderung, im Abhilfeverfahren selbst Ermittlungen anzustellen und über die neuen Tatsachen Beweiserhebungen durchzuführen (§ 26 FamFG) tatsächlich auseinanderzusetzen und auch über den Feststellungsantrag im Abhilfeverfahren zu entscheiden. Es kann nicht damit genüge getan sein, einmal eine Stellungnahme der antragstellenden Behörde anzufordern und bei mangelnder Resonanz ohne jegliche inhaltliche Auseinandersetzung mit den Argumenten der Betroffenen bzw. deren Verfahrensbevollmächtigten floskelhaft eine "Abhilfeentscheidung" zu treffen. [...]