VG Lüneburg

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Zitieren als:
VG Lüneburg, Beschluss vom 14.03.2018 - 5 B 2/18 - asyl.net: M26078
https://www.asyl.net/rsdb/M26078
Leitsatz:

Keine Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet, wenn das Vorbringen der antragstellenden Person nicht sicher auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel gestützt ist:

Um einen Asylantrag als offensichtlich unbegründet nach § 30 Abs. 3 Nr. 2 Alt. 1 AsylG abzulehnen, muss feststehen, dass es sich bei den vorgelegten Beweismitteln um Fälschungen handelt. Allein Zweifel an der Echtheit reichen nicht aus.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: offensichtlich unbegründet, Beweismittel, Suspensiveffekt, Täuschung über Identität, Urkundenfälschung, Physikalisch-Technische Urkundenuntersuchung,
Normen: AsylG § 36 Abs. 4 S. 1, AsylG § 30 Abs. 3 Nr. 2 1. Alt., § 30 Abs. 3 Nr. 2,
Auszüge:

[...]

Zwar handelt es sich nach dem Ergebnis der Physikalisch-Technischen Urkundenuntersuchung - PTU - vom 8. September 2016 bei dem vom Antragsteller vorgelegten Identitätsnachweis - dem irakischen Personalausweis - um eine Totalfälschung, weil das Formular in Untergrunddruck, Formulardruck sowie in den sicherungstechnischen Merkmalen von beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vorliegenden Vergleichsmaterial abweicht, dennoch ist von einer Täuschung des Antragstellers über seine Identität oder Staatsangehörigkeit entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin jedenfalls nach der gegenwärtigen Erkenntnislage noch nicht auszugehen. Insbesondere das Fehlen eines Vermerks auf der Vorderseite oben links des Personalausweises dazu, ob es sich um einen Personalausweis handelt, der aufgrund einer Verlängerung oder Verlustanzeige ausgestellt wurde, lässt noch nicht den Schluss zu, dass der Antragsteller über seine Identität getäuscht hat. Insoweit wird in dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes vom 15. Januar 2018 ausgeführt, es finde sich nicht ein Vermerk, "wie es in der Regel bei irakischen Personalausweisen üblich" sei. Dieser Hinweis lässt bereits erkennen, dass Abweichungen im Hinblick auf den üblichen Vermerk nicht ausgeschlossen sind. Zudem ist der Antragsteller weder dazu befragt worden, ob es sich bei dem vorgelegten Personalausweis um den ersten von ihm beantragten Identitätsnachweis handelt oder ob dieser nach einer Verlustanzeige ausgestellt wurde, noch hat er bisher selbst Angaben dazu gemacht. Daher ist auch die Schlussfolgerung in dem angefochtenen Bescheid, aufgrund des fehlenden Vermerkes sei unter Berücksichtigung des im Personalausweis angegebenen Geburtsdatums (... 1991) impliziert, dass der Antragsteller mehr als 21 Jahre lang im Irak ohne Personalausweis gelebt haben müsse, nicht gerechtfertigt. Der Hinweis, es sei nicht nachvollziehbar, dass der Kläger ohne gültiges Personaldokument eine Schule habe besuchen, einen Führerschein beantragen oder sich anderswo ordnungsgemäß ausweisen können, überzeugt danach ebenfalls nicht.

Die Annahme, der Antragsteller habe über seine Identität oder Staatsangehörigkeit getäuscht, ist auch nicht bereits deshalb gerechtfertigt, weil er bei seiner (erneuten) Vorsprache beim Bundesamt am 14. November 2017 einen irakischen Führerschein vorgelegt hat, in dem sich nach der Übersetzung der Fahrerlaubnis zur Anschrift die Angabe "..." findet und der nach den Angaben in der Fahrerlaubnis am ... 2011 in Erbil ausgestellt worden sein soll. Das Ergebnis der am 7. Dezember 2017 veranlassten Physikalisch-Technischen Urkundenuntersuchung des Führerscheines steht ausweislich der Angaben in dem angefochtenen Bescheid noch aus. Abweichende Erkenntnisse liegen dem Gericht bisher nicht vor.

Der Antragsgegnerin ist zuzugestehen, dass die Angaben in der Fahrerlaubnis die Angaben des Antragstellers zu seinem Herkunftsort nicht bestätigen und Abweichungen jedenfalls in der Schreibweise seines Namens festzustellen sind. Ob diese Abweichungen auf unterschiedliche Schreibweisen in der Übersetzung beruhen, steht bisher nicht fest. [...]