LG Halle

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Zitieren als:
LG Halle, Beschluss vom 09.05.2018 - 1 T 118/18 - asyl.net: M26243
https://www.asyl.net/rsdb/M26243
Leitsatz:

Unzulässiger Haftantrag wegen nicht nachgewiesener Zustellung des aufenthaltsbeendenden Bescheids:

1. Der Haftantrag muss unter anderem Angaben zur zweifelsfreien Ausreisepflicht enthalten.

2. Die den Haftantrag stellende Behörde muss nachweisen, dass der aufenthaltsbeendende Bescheid zugestellt wurde (unter Bezug auf BVerfG, Beschluss vom 09.02.2012 - 2 BvR 1064/10 - asyl.net: M19446).

3. Die Abschlussmitteilung des BAMF ersetzt einen Zustellungsnachweis nicht.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Abschiebungshaft, Zustellung, Zustellungsnachweis, Ablehnungsbescheid, Dublinverfahren, Asylverfahren,
Normen: FamFG § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5,
Auszüge:

M26243, LG Halle, Beschluss vom 09.05.2018 - 1 T 118/18

Unzulässiger Haftantrag wegen nicht nachgewiesener Zustellung des aufenthaltsbeendenden Bescheids:

1. Der Haftantrag muss unter anderem Angaben zur zweifelsfreien Ausreisepflicht enthalten.

2. Die den Haftantrag stellende Behörde muss nachweisen, dass der aufenthaltsbeendende Bescheid zugestellt wurde (unter Bezug auf BVerfG, Beschluss vom 09.02.2012 - 2 BvR 1064/10 - asyl.net: M19446).

3. Die Abschlussmitteilung des BAMF ersetzt einen Zustellungsnachweis nicht.

(Leitsätze der Redaktion)
Schlagwörter: Abschiebungshaft, Zustellung, Zustellungsnachweis, Ablehnungsbescheid, Dublinverfahren, Asylverfahren,
Normen: FamFG § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5,

[...]

a) Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Zulässig ist der Haftantrag der beteiligten Behörde nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind neben Angaben der Identität des Betroffenen und seines Aufenthaltsortes (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 FamFG) Darlegungen zu der (1) zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den (2) Abschiebungsvoraussetzungen, zu der (3) Erforderlichkeit der Haft, zu der (4) Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der (5) notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Zwar dürfen die Ausführungen zur Begründung des Haftantrags knapp gehalten sein, sie müssen aber die für die richterliche Prüfung des Falls wesentlichen Punkte ansprechen. Fehlt es daran, darf die beantragte Sicherungshaft nicht angeordnet werden (st. Rspr BGH, zuletzt Beschluss vom 30. März 2017 - V ZB 128/16 -, Rn. 6, juris).

b) Vorliegend fehlt es an hinreichenden Darlegungen zur zweifelsfreien Ausreisepflicht sowohl im Haftverlängerungsantrag als auch im Bezug genommen Erstantrag. Die Pflicht zur Begründung des Haftantrages erstreckt sich nach § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG auch auf die zweifelsfreie Ausreisepflicht des Betroffenen. Dabei muss die den Haftantrag stellende Behörde auch die wirksame Zustellung des zugrunde liegenden Bescheides darlegen und Nachweise beibringen (vgl. BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 09. Februar 2012 - 2 BvR 1064/10 -, Rn. 11 und 24 ff., juris). [...]

Der Abschlussmitteilung lässt sich aber nicht entnehmen, aufgrund welcher Tatsachen von einer wirksamen Zustellung oder einer Zustellungsfiktion ausgegangen worden ist. […]

Zweifel an der wirksamen Zustellung und damit an einer vollziehbaren Ausreisepflicht ergaben sich auch jeweils aus den Abschlussmitteilungen selbst. [...]

Damit blieb aber offen, ob das Bundesamt von einer Zustellung oder einer Zustellungsfiktion ausging und aufgrund welcher Tatsachen es zu seiner Annahme gelangte. Anhaltspunkte für die Klärung dieser Fragen lassen sich den - auch auf den Hinweis der Beschwerdekammer - vorgelegten Dokumenten nicht entnehmen. Eine Bestandskraft hinsichtlich der Bescheide zur zweifelsfreien vollziehbaren Ausreisepflicht vom 07.12.2015 und 30.03.2017, die auch durch den Betroffenen mit der Beschwerde ausdrücklich gerügt wird, lässt sich damit insgesamt nicht feststellen.

Der Haftantrag war danach - unabhängig vom Bestehen der ggf. materiellen Haftvoraussetzungen - unzulässig und eine Heilung durch die Beschwerdeinstanz auch nicht mit Wirkung für die Zukunft möglich (vgl. BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 09. Februar 2012 - 2 BvR 1064/10 -, Rn. 28, juris Heinze in: Bork/Jacoby/Schwab, FamFG, Kommentar, § 417 FamFG, Rn. 8). Denn ausweislich der Unterlagen und nach den Abschlussmitteilungen des BAMF verfügte dieses jeweils über keine weiteren Originalunterlagen, so dass weitere Nachforschungen hinsichtlich etwaiger Postzustellungsurkunden oder sonstiger Vermerke auch für die Beschwerdekammer nicht möglich waren.

Auf einen unvollständigen Antrag darf jedoch keine Haft angeordnet werden (vgl. BGH, Beschluss vom 22- Juli 2010 - V ZB 28/10 -, Rn. 14, juris, BGH, Beschluss vom 20. Januar 2011 - V ZB 226/10 -, juris, Bahrenfuss/Grotkopp, FamFG, § 417 Rn. 6; Bassenge/Roth/Gottwald, FamFG/RpflG, 12. Aufl., § 418 FamFG Rn. 5), so dass sich die Haftanordnung als rechtswidrig erweist und aufzuheben ist. [...]