VG Göttingen

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Zitieren als:
VG Göttingen, Urteil vom 06.07.2018 - 3 A 187/18 - asyl.net: M26359
https://www.asyl.net/rsdb/M26359
Leitsatz:

Keine Zustellungsfiktion, wenn Adresse dem BAMF mitgeteilt wurde:

Der Asylantrag gilt nicht als zurückgenommen i.S.d. § 33 AsylG, wenn die Ladung nicht zugestellt werden konnte, weil bei der Adresse die Zimmernummer weggelassen worden wird, obwohl sie dem BAMF vorliegt, und die antragstellende Person deshalb nicht zur Anhörung erschienen ist. 

Schlagwörter: Asylverfahren, Einstellung, Terminsladung, Zustellung, Mitwirkungspflicht, Zustellungsfiktion,
Normen: AsylG § 10 Abs. 2, VwZG § 4, VwZG § 4 Abs. 2 S. 3, AsylG § 33 Abs. 5 S. 1, AsylG § 10 Abs. 2 S. 1,
Auszüge:

[…]

Der Ausländer muss nach § 10 Abs. 2 Satz 1 AsyIG Zustellungen und formlose Mitteilungen unter der letzten Anschrift, die der jeweiligen Stelle auf Grund seines Asylantrags oder seiner Mitteilung bekannt ist, gegen sich gelten lassen, wenn er für das Verfahren weder einen Bevollmächtigten bestellt noch einen Empfangsberechtigten benannt hat oder diesen nicht zugestellt werden kann. Im Fall des § 10 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist stets die letzte vom Asylbewerber selbst der bekanntgebenden Behörde mitgeteilte Anschrift maßgeblich, sonst die im Asylantrag genannte (vgl. Preisner, in: BeckOK, AuslR, Stand: 01.02.2018, AsylG, § 10, Rn. 28). Die Fiktion der wirksamen Zustellung nach § 10 Abs. 2 Satz 4 AsylG setzt voraus, dass ein ordnungsgemäßer Zustellungsversuch erfolgt ist. Sie greift nach dem Sinn der Regelung nicht ein, wenn sich der Asylbewerber unter der maßgeblichen Anschrift aufhält, eine Zustellung entsprechend den Bestimmungen des Verwaltungszustellungsgesetzes jedoch infolge eines Umstands unterbleibt, der in der Sphäre der damit befassten Stelle, insbesondere auch der Post, liegt (vgl. VGH BW, Beschluss vom 15.11.1995 – A 14 S 2542/95 -, juris, Rn. 4). Weiter setzt der Eintritt der Fiktion bei einer Zustellung an eine Adresse, die durch die Behörde genannt wurde, voraus, dass diese Adresse zutreffend ist (vgl. VG München, Urteil vom 14.03.2017 - M 7 K 17.30072 -, juris, Rn. 14; Bergmann, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht,12. Aufl. 2018, § 10 AsylG, Rn. 16; jeweils m.w.N.). Unter der Anschrift ist die Angabe der Wohnung nach Ort, Straße, Hausnummer und gegebenenfalls weiteren Unterscheidungsmerkmalen (z.B. Gebäudeteile wie etwa Stockwerk oder Gartenhaus) zu verstehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.04.1999 - 1 C 24.97 -, juris, Rn. 28; BayVGH, Beschluss vom 28.07.2015 - 6 ZB 15.410 -, juris, Rn. 9; VG München, Urteil vom 14.03.2017, a.a.O.). Darunter fällt aus Sicht des erkennenden Einzelrichters bei großen Gebäudekomplexen - wie dem vorliegenden - auch die Angabe einer Zimmer- bzw. Wohneinheitsnummer. Wie oben bereits ausgeführt hat der Kläger seine Adresse gegenüber dem Bundesamt mit dem Zusatz "Zimmer ..." konkret angegeben. Diese Angabe wurde durch das Bundesamt nicht übernommen, obwohl in der elektronischen Akte des Bundesamtes die genannte konkretere Adressangabe sogar unter der Überschrift "Adresse" geführt wird. Unschädlich ist insoweit, dass die Adresse im AZR-Registerportal mit … weniger konkret ist (siehe Bl. 49 und 110 d. BA 002, a.a.O.). Dies kann nach den dargestellten Grundsätzen nicht zu Lasten des Klägers gehen. Gleiches gilt für den Umstand, dass auch der Kläger in seinen Schreiben vom 18.08.2017 seine Adresse unvollständig "…, Göttingen" angab, da er auf dem Umschlag, in dem sich das Schreiben befand, die Adresse in der konkretisierten Form mit dem genannten Zusatz angab. Bei einem solchen Sachverhalt hätte sich das Bundesamt nicht schlicht auf § 10 Abs. 2 Satz 4 AsylG berufen dürfen, da es bei der konkreten Mitteilung der Adresse durch den Kläger samt Zimmernummer um seine letzte Adressmitteilung an das Bundesamt handelt und eine anderweitige Adressmitteilung, sei es durch den Kläger oder eine öffentliche Stelle, den Akten nicht zu entnehmen ist. [...]