Keine Flüchtlingsanerkennung für Lehrer aus Syrien:
Schutzsuchenden, die in Syrien als Lehrer im Staatsdienst tätig waren, droht wegen der Aufgabe des Arbeitsplatzes und dem illegalem Verlassen des Landes keine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgungshandlung aufgrund unterstellter oppositioneller Haltung (im Anschluss an OVG Bremen, Urteil vom 24.01.2018 - 2 LB 194/17 - asyl.net: M26101; unter Bezug auf OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12.04.2018 - 1 A 10988/16 - asyl.net: M26347 und OVG Saarland, Urteil vom 20.08.2018 - 1 A 589/17 - asyl.net: M26521).
(Leitsatz der Redaktion)
[...]
28 3. Eine Flüchtlingsanerkennung der Klägerin zu 1) kommt auch nicht wegen Ereignissen und einer damit einhergehenden Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG in Betracht, die eingetreten sind, nachdem sie ihr Herkunftsland verlassen hat (vgl. § 28 Abs. 1a AsylG, sog. Nachfluchttatbestände). [...]
44 c) Etwas anderes ergibt sich auch nicht vor dem Hintergrund, dass die Klägerin zu 1) als Lehrerin im Dienst des syrischen Staates stand und ohne die für Staatsbedienstete erforderliche Genehmigung ausgereist ist. Auch insoweit ist es angesichts der Auskunftslage ebenfalls nicht beachtlich wahrscheinlich, dass der Klägerin zu 1) wegen ihrer illegalen Ausreise als Staatsbedienstete eine oppositionelle Haltung zugeschrieben und sie deshalb verfolgt würde. [...]
46 Syrischen Staatsbediensteten ist das Verlassen des Landes ohne eine entsprechende Erlaubnis ihrer Beschäftigungsbehörde grundsätzlich untersagt (Danish Refugee Council / Danish Immigration Service, August 2017, S. 20). Jedoch erhalten verschiedenen Quellen zufolge Bedienstete in nicht sensiblen Bereichen wie etwa Lehrer eine solche Erlaubnis in der Regel ohne Schwierigkeiten und binnen weniger Stunden (Danish Refugee Council / Danish Immigration Service, August 2017, S. 38, 48, 71, 104). Wer ohne Ausreiseerlaubnis an der Grenze kontrolliert werde, werde für zwei oder drei Stunden festgehalten, während derer seine Identität und der Zweck der Reise geklärt würden. Danach sei auch dann eine Ausreise unproblematisch möglich (Danish Refugee Council/Danish Immigration Service, August 2017, S. 49). Wer das Land unerlaubt verlassen habe, müsse bei seiner Rückkehr mit einer Untersuchung rechnen, die eine Aufklärung der Gründe zum Ziel habe. Abhängig vom Ergebnis wird dann der Berichtslage zufolge versucht, eine Lösung zu finden, um eine Rückkehr an den Arbeitsplatz zu erleichtern; die Ursache dieser Kompromissbereitschaft wird darin gesehen, dass dem Regime daran gelegen sei, sich seine Unterstützer zu erhalten (Danish Refugee Council / Danish Immigration Service, August 2017, S. 58; zum Ganzen vgl. auch: OVG Bremen, Urteil vom 24. Januar 2018, a.a.O., Rn. 61 m.w.N.; OVG Koblenz, Urteil vom 12. April 2018 – 1 A 10988/16 – juris, Rn. 46 m.w.N.; OVG Saarlouis, Urteile vom 20. August 2018 – 1 A 589/17– und – 1 A 619/17 – jeweils juris, Rn. 40).
47 Zwar ist danach eine intensive Befragung im Fall der unterstellten Rückkehr nicht auszuschließen, jedoch ergeben sich aus den zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen bereits nicht in hinreichender Dichte Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin zu 1) bei der gedanklich zu unterstellenden Rückkehr nach Syrien wegen ihrer ungenehmigten Ausreise als Staatsbedienstete bestraft bzw. inhaftiert werden würde (mit der damit verbundenen Gefahr der Folter oder Misshandlung). Damit ist bereits das Vorliegen einer Verfolgungshandlung im Sinne von § 3a AsylG nicht beachtlich wahrscheinlich. Bei der Klägerin zu 1) kommt zu dieser Auskunftslage noch Folgendes hinzu: Durch die Einnahme Jayruds durch Jabhat Al-Nusra Kämpfer war sie zum Zeitpunkt ihrer Ausreise ihrer Position faktisch enthoben. Ihre Beschäftigungsbehörde (Schule) war überwiegend geschlossen und – wie auch der sonstige Verwaltungsapparat der Stadt – in den Händen der Opposition. Eine Flucht unter diesen Gegebenheiten bietet keinen Anlass, der Klägerin zu 1) eine oppositionelle Haltung zu unterstellen (ebenso: OVG Bremen, Urteil vom 24. Januar 2018 – 2 LB 194/17 – juris, Rn. 60 f.). Der Vortrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ändert hieran nichts. Danach habe man die Ausreisegenehmigung persönlich beim Schulamt in Damaskus stellen müssen. Damit habe sie einen Bevollmächtigten beauftragt, zu dem sie mit ihrer Ausreise den Kontakt verloren habe. Denn entscheidend ist, dass die Schule der Klägerin zum Zeitpunkt ihrer Ausreise in den Händen der Opposition und überwiegend geschlossen war.
48 Zwar gibt die Auskunftslage für die Existenz der von der Klägerin zu 1) in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgelegten allgemeinen Anweisung des obersten Militärgerichts an die Zivilgerichte vom 15. März 2018 nichts her. Wenn aber eine solche allgemeine Anweisung bestehen und auch durchgesetzt werden sollte, würde der Klägerin zwar im Falle ihrer hypothetischen Rückkehr eine Bestrafung drohen. Jedoch lassen sich weder dieser Anweisung und insbesondere nicht den zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen – wie dargestellt – hinreichend verlässliche und ausreichende Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass Lehrern wegen ihrer ungenehmigten Ausreise durch das syrische Regime beachtlich wahrscheinlich eine regimefeindliche Haltung unterstellt wird und ihnen daher in Anknüpfung an die in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten Gründe mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine relevante Verfolgung droht. Es fehlte mithin zumindest an der gemäß § 3a Abs. 3 AsylG erforderlichen Verknüpfung zwischen Verfolgungshandlung und Verfolgungsgrund.
49 Soweit das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (Urteil vom 12. April 2018 – 1 A 10988/16 – juris, Rn. 45 ff.) basierend auf der aufgezeigten Auskunftslage in Bezug auf den Direktor eines Gymnasiums mit rund 450 Schülern zu der Einschätzung gelangt ist, dass es unter den konkreten Gegebenheiten beachtlich wahrscheinlich sei, dass diesem Schuldirektor in Anknüpfung an seine illegale Ausreise eine oppositionelle Haltung unterstellt werde, ist dies maßgeblich darauf gestützt gewesen, dass er – auch nach außen hin – eine deutlich hervorgehobene Position im syrischen Verwaltungsapparat innehatte. Schon von daher ist diese Konstellation mit der der Klägerin nicht vergleichbar. Abgesehen hiervon entnimmt der Senat dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz keine grundsätzliche Aussage des Inhalts, es sei beachtlich wahrscheinlich, dass jedem Direktor einer größeren Schule unter den fraglichen Gegebenheiten seitens des syrischen Regimes eine oppositionelle Gesinnung zugeschrieben würde (ebenso: OVG Saarlouis, Urteile vom 20. August 2018 – 1 A 589/17 – juris, Rn. 43 ff. zu dem Fall eines Schuldirektors, und – 1 A 619/17 – juris, Rn. 43 zu einem Lehrer). [...]