VG Koblenz

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Zitieren als:
VG Koblenz, vom 06.09.2018 - 3 L 922/18.KO - asyl.net: M26734
https://www.asyl.net/rsdb/M26734
Leitsatz:

Keine vorläufige Ausbildungsduldung bei Schutzberechtigung in anderem EU-Staat:

1. Im Rahmen der Ermessensentscheidung, ob eine Beschäftigungserlaubnis für eine Ausbildungsduldung erteilt werden soll, darf die Ausländerbehörde berücksichtigen, wie die betroffene Person nach Deutschland eingereist ist und ob sie zurückgeführt werden kann.

2. Wurde eine illegal nach Deutschland eingereiste Person bereits in einem anderen EU-Land (hier: Bulgarien) als international schutzberechtigt anerkannt, die Abschiebung dorthin angedroht und ist diese auch mit großer Wahrscheinlichkeit problemlos möglich, spricht dies gegen eine Ermessensreduzierung auf Null.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Ausbildungsduldung, Drittstaatenregelung, internationaler Schutz in EU-Staat, Bulgarien, Ermessen, Ermessensreduzierung auf Null, Ausländerbehörde, unerlaubte Einreise, Abschiebung, Abschiebungsandrohung, Arbeitsgenehmigung,
Normen: AufenthG § 60a Abs. 2, AufenthG § 60a Abs. 2 S. 4, AufenthG § 4 Abs. 2 S. 3, BeschV § 32 Abs. 2 Nr. 2,
Auszüge:

[…]

Nach § 4 Abs. 2 Satz 3 AufenthG kann einem Ausländer, der - wie der Antragsteller - keine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Beschäftigung besitzt, die Ausübung einer Beschäftigung nur erlaubt werden, wenn die Bundesagentur für Arbeit zugestimmt hat oder durch Rechtsverordnung bestimmt ist, dass die Ausübung der Beschäftigung ohne Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit zulässig ist. Da die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis für eine qualifizierte Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf nach § 32 Abs. 2 Nr. 2 BeschV keiner Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit bedarf, steht ihre Erteilung im Ermessen der Ausländerbehörde. Mithin kann der Antragsteller eine vorläufige Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG angesichts der hierfür notwendigen Beschäftigungserlaubnis nur erhalten, wenn das diesbezügliche Ermessen des Antragsgegners auf Null reduziert wäre. Ein solcher Sachverhalt ist indes hier nicht gegeben.

Im Rahmen seiner Ermessensprüfung darf der Antragsgegner berücksichtigen, dass der Gesetzgeber bei der Einführung des § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG erkennbar die geduldeten Ausländer in den Blick genommen hat, die eine Bleibeperspektive haben, weil bei ihnen der Wegfall bestehender Duldungsgründe nicht absehbar ist (vgl. hierzu auch die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 18/8615). Mit dieser Vorschrift sollten indes keine Anreize für eine (illegale) Zuwanderung in die hiesigen Berufsausbildungsbereiche geschaffen werden. Mithin darf der Antragsgegner bei seiner Ermessensprüfung berücksichtigen, wie ein Ausländer nach Deutschland eingereist ist und ob er in seinen Herkunftsstaat oder einen anderen Staat, der zu seiner Aufnahme verpflichtet ist, zurückgeführt werden kann.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat mit Bescheid vom 21. August 2017 den Asylantrag des Antragstellers, der nach Aktenlage illegal nach Deutschland eingereist ist, abgelehnt, weil ihm bereits in Bulgarien internationaler Schutz gewährt worden ist, und hat des Weiteren festgestellt, dass auch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG nicht vorliegen. Zudem wurde der Antragsteller aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Verfahrens zu verlassen und ihm gemäß §§ 35, 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG die Abschiebung nach Bulgarien angedroht. Die hiergegen erhobene Klage blieb erfolglos. Das entsprechende Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 19. Februar 2018 - 7 K 11257/17.TR - wurde nach Aktenlage am 10. April 2018 rechtskräftig. Da aber eine Abschiebung nach Bulgarien vor diesem Hintergrund mit großer Wahrscheinlichkeit problemlos möglich ist, gehört der Antragsteller offensichtlich nicht zu dem Kreis von Ausländern, bei denen die Abschiebung jemals aus tatsächlichen Gründen unmöglich gewesen wäre. Zudem ist der Antragsteller illegal nach Deutschland eingereist. Diese Umstände haben ein solches Gewicht, dass sie zur Versagung der Beschäftigungserlaubnis und der Ausbildungsduldung führen können, auch wenn im Übrigen die Voraussetzungen für eine Ausbildungsduldung vorliegen sollten. Liegt somit kein Fall einer Ermessensreduzierung vor, hat der Antragsteller auch keinen Anspruch auf die Erteilung der Beschäftigungserlaubnis und als Folge hiervon auch nicht auf eine Ausbildungsduldung. [...]