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Zitieren als:
BGH, Beschluss vom 22.11.2018 - V ZB 54/18 - Asylmagazin 3/2019, S. 79 - asyl.net: M26882
https://www.asyl.net/rsdb/M26882
Leitsatz:

Zum Begründungserfordernis für die erforderliche Haftdauer:

1. Bei Angabe einer Höchstdauer (hier: längstens 21 Tage) muss die Behörde darlegen, welchen Zeitrahmen die im Haftantrag genannten einzelnen Verfahrensschritte für die Abschiebung erfahrungsgemäß beanspruchen (siehe BGH, Beschluss vom 13.09.2018 - V ZB 57/18 - asyl.net: M26618; BGH, Beschluss vom 22.06.2017 - V ZB 8/17 (Asylmagazin 1-2/2018, S. 58) - asyl.net: M25354)

2. Eine angegebene Höchstdauer "von längstens 21 Tagen" ist auch nicht so kurz, dass sich ihre Notwendigkeit von selbst versteht. Dies gilt erst recht, wenn bereits der Pass vorliegt und die Flugabschiebung in ein europäisches Land erfolgen soll.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Abschiebungshaft, Abschiebung, Haftdauer, Höchstdauer, Begründungserfordernis, Darlegung, Haftantrag,
Normen: FamFG § 74 Abs. 3 S. 4, ZPO § 559, FamFG § 417 Abs. 2, AufenthG § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 2, FamFG § 417, AufenthG § 62 Abs. 1 S. 2,
Auszüge:

[...]

4 1. Es fehlt bereits an einem zulässigen Haftantrag.

5 a) Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Zulässig ist der Haftantrag der beteiligten Behörde nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). [...]

6 b) Diesen Anforderungen genügt der Haftantrag vom 20. November 2017 nicht, weil er keine ausreichenden Angaben zu der notwendigen Haftdauer enthält.

7 aa) Die beteiligte Behörde führt in dem Haftantrag aus, dass die Dauer der Haft "von längstens 21 Tagen" erforderlich sei. Es müsse zunächst ein Abschiebungsersuchen an das zuständige Landeskriminalamt gerichtet werden; von dort werde über ein Reisebüro der nächstmögliche Flug nach Bosnien-Herzegowina gebucht. Unter Beachtung des Beschleunigungsgebots werde hierbei stets der nächstmögliche Termin gewählt, so dass die Durchführung einer Abschiebung grundsätzlich vor Ablauf der beantragten Haftdauer beabsichtigt sei. Hierbei sei zu beachten, dass bei den in Frage kommenden Luftverkehrsgesellschaften nur ein geringes Kontingent an verfügbaren Plätzen zur Verfügung stehe. Das Landeskriminalamt teile die Flugdaten nach Buchungsbestätigung dann unverzüglich telefonisch mit, damit die Zuführung des Ausländers zum Flughafen durch behördeneigene Vollzugskräfte organisiert werden könne.

8 bb) Diese Ausführungen sind vor dem Hintergrund, dass die Haft auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken ist (vgl. § 62 Abs. 1 Satz 2 AufenthG), unzureichend. Die Begründung stellt eine in einer Vielzahl von Verfahren einsetzbare Leerformel dar, die über die Durchführbarkeit der Abschiebung im konkreten Fall nichts aussagt. Beschrieben ist zudem nur die allgemein zu erwartende Höchstdauer für eine Flugabschiebung nach Bosnien-Herzegowina ("längstens"). Die Angabe einer Höchstdauer kann die Erforderlichkeit der Haftdauer für den konkreten Antrag nicht begründen und rechtfertigt nicht die - vorsorgliche - Haftanordnung bis zu diesem Zeitpunkt (vgl. Senat, Beschluss vom 13. September 2018 - V ZB 57/18, juris Rn. 8; Beschluss vom 22. Juni 2017 - V ZB 8/17, Asylmagazin 2018, 58 Rn. 8). Die Haftdauer von 21 Tagen ist auch nicht so kurz, dass sich ihre Notwendigkeit von selbst versteht, zumal der Pass des Betroffenen vorlag und die Flugabschiebung in ein europäisches Land erfolgen sollte. Die Behörde hätte vielmehr darlegen müssen, welchen zeitlichen Rahmen die im Haftantrag genannten drei Verfahrensschritte (Abschiebungsersuchen an das zuständige Landeskriminalamt, Flugbuchung, Organisation der Zuführung des Betroffenen zum Flughafen) für die Vorbereitung einer Abschiebung nach Bosnien-Herzegowina erfahrungsgemäß beanspruchen, um plausibel zu begründen, warum ein Zeitraum von 21 Tagen im konkreten Fall der kürzest möglichen Haftdauer entspricht.

9 2. Der Mangel des Haftantrags ist nicht geheilt worden. [...]