LSG Niedersachsen-Bremen

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Zitieren als:
LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 07.12.2018 - L 8 AY 40/18 B ER - asyl.net: M26934
https://www.asyl.net/rsdb/M26934
Leitsatz:

Abholung von Schecks keine Voraussetzung für Leistungsberechtigung nach § 3 AsylbLG:

1. Die tatsächliche Entgegennahme von Leistungen ist keine Anspruchsvoraussetzung für den Bezug von Grundsicherungsleistungen nach § 3 AsylbLG.

2. Die Nichtabholung von Schecks stellt lediglich ein Indiz dafür dar, dass eine Bedürftigkeit ggf. nicht mehr vorliegt. Vor dem Erlass eines Aufhebungsbescheids müssen dann weitere Ermittlungen, zumindest aber die Einleitung einer Anhörung vorgenommen werden.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, Leistungseinstellung, Anhörung, Sozialrecht, Asylbewerberleistungsgesetz, Barleistungen, psychische Erkrankung,
Normen: SGB X § 48, AsylbLG § 3,
Auszüge:

[...]

Vorliegend bestehen erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 28. Mai 2018. [...]

Die Antragsgegnerin führt im Aufhebungsbescheid an, "dass aktuell kein Bedarf mehr besteht", so dass als Ermächtigungsgrundlage § 48 Abs. 1 SGB X in Betracht kommt. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. [...]

Zudem ist eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse nach den im Eilverfahren gebotenen summarischen Erkenntnissen nicht eingetreten, so dass die Voraussetzungen für eine Aufhebung nach § 48 SGB X nicht vorliegen. Für die Prüfung, ob eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse vorliegt, sind die objektiven, tatsächlichen Verhältnisse entscheidend, die beim Erlass des Bescheides, der aufgehoben werden soll, vorlagen. Weiterhin muss die Änderung wesentlich sein. Dies bedeutet, dass der Verwaltungsakt von der Behörde nach den nun vorliegenden Erkenntnissen so nicht mehr erlassen werden dürfte (Brandenburg in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl. 2017, § 48 SGB X Rn. 67).

Es ist bereits fraglich, ob es sich bei dem Umstand, dass die Antragstellerin die Schecks nicht mehr abgeholt hat, um eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X handelt. Jedenfalls aber ist diese Änderung nicht wesentlich. Die Entgegennahme der Leistungen ist nicht Anspruchsvoraussetzung für den Bezug von Grundsicherungsleistungen nach § 3 AsylbLG, so dass diese Änderung allein nicht dazu führte, dass der Bewilligungsbescheid so nicht mehr hätte erlassen werden dürfen. Vielmehr dürfte die Nichtabholung der Schecks lediglich ein Indiz dafür darstellen, dass eine Bedürftigkeit ggf. nicht mehr vorliegt. Ebenso gut könnte aber auch eine Erkrankung Grund für die Nichtabholung sein, ein Irrtum über das Bestehen eines Anspruchs o.ä. Hier hätte sich die Antragsgegnerin zu weiteren Ermittlungen herausgefordert fühlen müssen, zumindest aber zur Einleitung einer ordnungsgemäßen, gesetzlich vorgeschriebenen Anhörung. Im gerichtlichen Eilverfahren hat die Antragstellerin durchaus Gründe vorgetragen, die eine andere Interpretation des Geschehens nahelegen. [...]