VGH Baden-Württemberg

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Zitieren als:
VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 05.02.2019 - A 3 S 2960/18 - asyl.net: M27041
https://www.asyl.net/rsdb/M27041
Leitsatz:

Familienasyl erst nach Unanfechtbarkeit des Status der stammberechtigten Person:

"Zur Frage, ob das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gemäß § 26 AsylG verpflichtet werden kann, Familienangehörige als Asylberechtigte anzuerkennen oder ihnen die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, wenn mehrere Familienangehörige im gleichen Verfahren auf Zuerkennung dieser Schutzstatus klagen."

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Upgrade-Klage, Aufstockungsklage, Familienasyl, Familienflüchtlingsschutz, Unanfechtbarkeit,
Normen: AsylG § 26,
Auszüge:

[...]

Als grundsätzlich bedeutsam werfen die Klägerinnen mit dem Zulassungsantrag die Rechtsfrage auf,
ob § 26 AsylG teleologisch dahingehend zu reduzieren ist, dass die Anerkennung oder Zuerkennung eines Schutzstatus auch dann unanfechtbar im Sinne dieser Norm ist, wenn das Verwaltungsgericht im selben Urteil über den Schutzstatus des Stammberechtigten und der Familienangehörigen entscheidet.

Mit dieser Frage nehmen die Klägerinnen auf die vorliegend gegebene Fallkonstellation Bezug, dass Eheleute und minderjährige Kinder in einem einheitlichen Verfahren auf Anerkennung als Asylberechtigte bzw. Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft klagen, das Verwaltungsgericht aber nur bei einem der Eheleute zu dem Ergebnis kommt, dass ihm ein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter oder Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aus eigenem Recht zusteht. Im Berufungsverfahren soll grundsätzlich geklärt werden, dass das Verwaltungsgericht in diesen Fällen die Beklagte verpflichten muss, den anderen Ehegatten bzw. die minderjährigen Kinder im Rahmen des Familienschutzes als Asylberechtigte anzuerkennen oder ihnen die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, obwohl die Anerkennung des Stammberechtigten in diesem Zeitpunkt naturgemäß noch nicht unanfechtbar i.S. des § 26 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 und Abs. 5 AsylG ist.

Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Frage indessen bereits im verneinenden Sinne beantwortet.

aa) Das Bundesverwaltungsgericht ist allerdings in der Vergangenheit zunächst davon ausgegangen, dass die "Gewährung der Rechtsstellung eines Asylberechtigten" im Sinne der Zuerkennung von Familienasyl nicht die vorherige Bestands- oder Rechtskraft einer - positiven - Entscheidung über die Anerkennung als Asylberechtigter für einen Ehegatten bzw. Elternteil voraussetzt. Eine gleichzeitige behördliche oder gerichtliche Entscheidung über die Anerkennung als Asylberechtigter des "stammberechtigten" Familienmitglieds sowie über die Gewährung der Rechtsstellung eines Asylberechtigten für den Ehegatten bzw. die minderjährigen Kinder war danach zulässig (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.01.1992 - 9 C 66.91 - BVerwGE 89, 315).

Die Rechtsgrundlage für diese Rechtsprechung ist mit der am 01.11.1997 in Kraft getretenen Änderung des § 26 AsylVfG durch Art. 2 Nr. 4 des Gesetzes zur Änderung ausländer- und asylverfahrensrechtlicher Vorschriften vom 29. Oktober 1997 (BGBl I S. 2584) entfallen. In § 26 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG wurde die Regelung eingefügt, dass der Ehegatte nur dann Familienasyl erhalten kann, wenn die Anerkennung des Stammberechtigten unanfechtbar ist. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts dient diese Gesetzesänderung dazu, Statusdifferenzen innerhalb der Familie zu vermeiden, die durch unterschiedliche Entscheidungen der Instanzen hinsichtlich des Stammberechtigten auftreten konnten. Diesem Ziel habe der Gesetzgeber Vorrang eingeräumt gegenüber der Erleichterung für Behörden und Gerichte, im Falle der Anerkennung zumindest eines Ehegatten zugleich auch über die Asylanträge u.a. des anderen Ehegatten positiv entscheiden zu können, ohne dessen Asylgründe nachprüfen zu müssen (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.09.1998 - 9 C 31.97 - BVerwGE 101, 231). Eine Ausnahme hat das Bundesverwaltungsgericht nur insoweit anerkannt, als eine rechtskräftige gerichtliche Verpflichtung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge zur Anerkennung des Stammberechtigten dessen unanfechtbarer Anerkennung gleichsteht (vgl. Urt. v. 05.05.2009 - 10 C 21.08 - NVwZ 2009, 1308).

Aus dieser Rechtsprechung folgt unmittelbar, dass in den sonstigen Fällen eine gleichzeitige positive gerichtliche Entscheidung über das Begehren des Stammberechtigten auf Anerkennung als Asylberechtigter bzw. Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Begehren des Ehegatten bzw. der minderjährigen Kinder auf Zuerkennung des abgeleiteten (Familien-) Schutzstatus nicht in Betracht kommt. [...]