VG Sigmaringen

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Zitieren als:
VG Sigmaringen, Beschluss vom 13.03.2019 - A 9 K 442/19 - asyl.net: M27085
https://www.asyl.net/rsdb/M27085
Leitsatz:

Kein "Flüchtigsein" bei kurzer Abwesenheit ohne Kenntnis des Überstellungstermins:

1. "Flüchtig" gemäß Art. 29 Abs. 2 S. 2 Dublin-III-VO ist nur, wer während eines (nicht definierten) längeren Zeitraums für die zuständigen Behörden nicht erreichbar ist. Dies muss die überstellende Behörde beweisen.

2. Dies trifft nicht zu, wenn die zu überstellende Person lediglich zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht in ihrem Zimmer anwesend war, ohne nicht zu einer Selbstgestellung erschienen zu sein oder an einem ihr bekannt gegebenen Termin nicht anwesend gewesen zu sein.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Dublinverfahren, flüchtig, Überstellungsfrist, Fristverlängerung, Selbstgestellung,
Normen: VO 604/2013 Art. 29 Abs. 2 S. 2, VO 604/2013 Art. 29 Abs. 1
Auszüge:

[...]

Die - hier von der Antragsgegnerin ins Feld geführte - Verlängerung der Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO setzt voraus, dass der Asylbewerber "flüchtig" ist, was die überstellende Behörde nachweisen muss. Flucht liegt nur vor, wenn der Asylbewerber während eines (nicht definierten) längeren Zeitraums für die zuständigen Behörden nicht erreichbar ist (vgl. etwa jüngst VG Regensburg, Beschluss vom 09.01.2019 - RN 6 S 18.50495 -, juris).

Dass die Antragstellerin "flüchtig" ist bzw. war, ist danach vorliegend nach Aktenlage nicht hinreichend nachgewiesen. Am ... 01.2019 wurde eine Abschiebung der Antragstellerin versucht. Sie schlug fehl, da die Antragstellerin nicht angetroffen wurde. Es wurde allerdings nicht hinreichend festgestellt, warum sie nicht angetroffen wurde. So liegt dem Gericht nur ein Schreiben des Bundesamtes vom 26.01.2019 vor, wonach die achtzehnmonatige Überstellungsfrist gelte, da die Antragstellerin flüchtig sei. Dem Schreiben liegt ein Informationsblatt zur Flugüberstellung der Antragstellerin am ... 01.2019 bei, auf dem aufgedruckt ist "STORNO Person nicht angetroffen".

Die Antragstellerin trägt in ihrem Schriftsatz vom 05.02.2019 einwendend vor, sie sei lediglich zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht in ihrem Zimmer anwesend gewesen, sei aber weder zu einer Selbstgestellung nicht erschienen, noch sei sie zu einem ihr bekannt gegebenen Termin nicht anwesend gewesen. Zu diesem der Antragsgegnerin am 08.02.2019 mit der Bitte um umgehende Stellungnahme zugefaxten Schriftsatz hat sich diese innerhalb der seither verstrichenen knapp drei Wochen nicht geäußert.

Somit ist bei summarischer Prüfung nicht erkennbar, dass die Antragstellerin über längere Zeit nicht erreichbar und damit im Sinne des Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO "flüchtig" gewesen wäre, was die Abänderung des Beschlusses der Kammer vom 27.07.2018 - A 9 K 2974/18 - rechtfertigt. [...]