LG Magdeburg

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Zitieren als:
LG Magdeburg, Beschluss vom 12.04.2019 - 10 T 334/18 *022* - asyl.net: M27179
https://www.asyl.net/rsdb/M27179
Leitsatz:

Rechtswidrigkeit der Abschiebungshaft wegen Ablaufs der Überstellungsfrist:

1. Versäumt es das BAMF, die Überstellungsfrist im Dublin-Verfahren wirksam zu verlängern und läuft diese ab, so ist der Antrag der Ausländerbehörde auf Anordnung der Überstellungshaft unbegründet und eine daraufhin ergangene Haftanordnung rechtswidrig.

2. Trotz des unbegründeten Haftantrags werden der Ausländerbehörde nicht die Kosten für die notwendige Rechtsverfolgung auferlegt.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Haft, Abschiebungshaft, Überstellungshaft, Überstellungsfrist, Fristverlängerung, Begründungserfordernis, Haftantrag, Haftanordnung, Haftbeschluss, Dublinverfahren, Italien, Kostenfestsetzungsbeschluss, Ausländerbehörde, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Verlängerung, Kostenentscheidung,
Normen: FamFG § 81 Abs. 2, VO 604/2013 Art. 29 Abs. 1 S. 1, VO 604/2013 Abs. 2 S. 1, VO 604/2013 Art. 28,
Auszüge:

[...]

Der Haftantrag der beteiligten Behörde vom 16.04.2018 war nicht begründet.

Die sechsmonatige Überstellungsfrist war abgelaufen. Eine wirksame Verlängerung der Überstellungsfrist hat nach der vom BAMF übersandten Akte nicht stattgefunden. Nach Art. 29 Abs. 1 Satz 1 der Dublin-III-Verordnung hat die Überstellung des Betroffenen "spätestens innerhalb einer Frist von 6 Monaten nach der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs" zu erfolgen. Nach Art. 29 Abs. 2 Satz 1 der Dublin-III-Verordnung ist der zuständige Mitgliedstaat - hier Italien - nicht mehr zur Aufnahme oder Wiederaufnahme des Betroffenen verpflichtet und die Zuständigkeit geht auf den ersuchenden Mitgliedstaat - hier Deutschland - über, wenn die Überstellung nicht innerhalb dieser sechsmonatigen Frist durchgeführt wurde.

Eine wirksame Verlängerung dieser am 09.09.2017 ablaufenden Überstellungsfrist durch das BAMF ist nicht erfolgt. Nach Art. 29 Abs. 2 Satz 2 der Dublin-III-Verordnung kann die sechsmonatige Frist zwar höchstens auf ein Jahr verlängert werden, wenn die Überstellung aufgrund der Inhaftierung der betreffenden Person nicht erfolgen konnte, oder sogar höchstens auf achtzehn Monate, wenn die betreffende Person flüchtig ist. Wie der EuGH im Urteil vom 19.03.2019 (C-163/17, Rn. 75, zitiert nach juris, ausgeführt hat, reicht es für eine Verlängerung der Überstellungsfrist, dass der ersuchende Mitgliedstaat vor Ablauf den zuständigen Mitgliedstaat informiert, dass die betreffende Person flüchtig ist, und zugleich die neuen Überstellungsfrist benennt. Eine Benennung der neuen Überstellungsfrist fehlt jedoch. Zwar hat das BAMF am 20.07.2017 der zuständigen Behörde in Italien mitgeteilt, dass eine Überstellung zur Zeit nicht möglich ist, weil der Beschwerdeführer flüchtig sei (Bl. 186 Akte BAMF). Das Feld, in dem jedoch eine neue Frist nach Art. 29 Dublin-III-Verordnung zu bestimmen ist, ist nicht ausgefüllt.

Das BAMF hat die beteiligte Behörde über eine Fristverlängerung zum 09.09.2018 informiert. Diese Information war jedoch falsch. Da eine Verlängerung der Überstellungsfrist durch das BAMF nicht erfolgte, verblieb es bei der ursprünglichen Dauer der Frist bis zum 09.09.2017. Diese Frist war mithin im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses des Amtsgerichts abgelaufen. In der Folge ist nunmehr auf die Beschwerde des Betroffenen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Beschlusses festzustellen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 80, 81 FamFG. Das Gericht sieht keinen Anlass der Ausländerbehörde die Kosten für die notwendige Rechtsverfolgung aufzuerlegen, da ein grobes Verschulden nicht vorliegt und kein anderer der in § 81 Abs. 2 FamFG aufgeführten Tatbestände erfüllt ist. [...]