VG Gera

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Zitieren als:
VG Gera, Urteil vom 05.03.2019 - 4 K 145/18 Ge - asyl.net: M27216
https://www.asyl.net/rsdb/M27216
Leitsatz:

Abschiebungsverbot wegen fehlender Möglichkeit der Existenzsicherung in Mogadischu:

1. Derzeit gibt es keine Möglichkeit, sicher von Mogadischu auf die Insel Koyama zu reisen.

2. Personen, die der ethnischen Gruppe der Bajuni angehören und nicht Somali, sondern Suaheli sprechen, können in Mogadischu ohne Kenntnis der Sprache und ohne familiäre Unterstützung ihre Existenz nicht sichern.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Somalia, Suaheli, Swaheli, Sprache, Existenzgrundlage, Abschiebungsverbot, humanitäre Gründe, Bajuni,
Normen: AufenthG § 60 Abs. 5,
Auszüge:

[...]

Das Gericht geht zunächst davon aus, dass der Kläger nicht ohne erhebliches Sicherheitsrisiko auf seine Heimatinsel Koyama zurückreisen könnte. Dafür müsste er von Mogadischu aus zunächst nach Kismayo gelangen können, um von dort nach Koyama zu reisen. Abschiebungen erfolgen in der Regel über die Hauptstadt Mogadischu. Zwischen Mogadischu und Kismayo existiert zwar eine Straße, jedoch ist dieser Abschnitt gerade geprägt von Auseinandersetzungen zwischen Al-Shabaab und Regierungstruppen, die vor allem in der Region Shabelle Hoose bis Jamame sehr intensiv sind. Die Bezirkshauptstädte Saakow, Jilib, Jamame, Sablaale, Adan Jabal und Ceel Dhere befinden sich unter der Kontrolle der Al-Shabaab (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 31. Januar zu Somalia, Seite 4). Diese Regionen muss der Kläger für eine Rückkehr auf die Insel Koyama passieren. Inwieweit er die Straßen sicher passieren könnte, bleibt unklar bzw. gibt es dazu keine verlässlichen aktuellen Einschätzungen.

Daher ist der Kläger im Falle einer Rückkehr zunächst auf eine Existenzsicherung in Mogadischu zu verweisen. Die Besonderheit des vorliegenden Falles liegt jedoch darin, dass der Kläger die somalische Sprache nicht spricht und daher nicht ohne weiteres darauf verwiesen werden kann, sich ggf. in Mogadischu eine Existenz aufzubauen. Darüber hinaus hat er keinerlei familiäre Kontakte außerhalb seiner Heimatinsel Koyama, die ihm weiterhelfen könnten. Diese Umstände erachtet das Gericht für erheblich und diese kommen zu den ohnehin nicht einfachen Lebensbedingungen im Land noch hinzu. Ist es für jemanden, der die Verhältnisse in Somalia kennt und mit ihnen vertraut ist, unter Umständen möglich, sich allein eine Existenzgrundlage aufzubauen, so dürfte dies für den Kläger, der die Sprache nicht spricht, eine erhebliche Gefahr darstellen. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich weitere Suaheli sprechende Menschen der Bajuni-Bevölkerung in Mogadischu aufhalten. Traditionell leben diese auf den Inseln südlich von Kismayo sowie in den Dörfern entlang der Küste südlich von Kismayo, einige leben auch in Kenia (vgl. Landinfo, a.a.O., S. 6). Die persönlichen Umstände des Klägers sind daher vorliegend erheblich gesteigert, so dass der Schweregrad des Art. 3 EMRK erreicht ist und ein Abschiebeverbot zu bejahen ist. [...]