VG Stuttgart

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Zitieren als:
VG Stuttgart, Beschluss vom 14.08.2019 - A 3 K 2257/19 - asyl.net: M27562
https://www.asyl.net/rsdb/M27562
Leitsatz:

Anspruch auf Dublin-Familienzusammenführung auch zu deutschen Staatsangehörigen:

Für die Dublin-Familienzusammenführung nach Art. 8 Abs. 1 Dublin-III-VO ist auch eine Person "rechtmäßig aufhältig", die über die deutsche Staatsangehörigkeit und somit die stärkste Form eines rechtmäßigen Aufenthalts verfügt. Eine internationale Schutzberechtigung ist keine Voraussetzung für den Nachzug.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Dublinverfahren, unbegleitete Minderjährige, Griechenland, Kindeswohl, Familienangehörige, Sonstige Familienangehörige, deutsche Staatsangehörigkeit,
Normen: VO 604/2013 Art. 8 Abs. 1,
Auszüge:

[...]

1. Ein Anordnungsanspruch für die begehrte Regelung liegt vor. Der Antragsteller zu 2 kann sich mit hoher Wahrscheinlichkeit darauf berufen, dass die Antragsgegnerin gemäß Art. 8 Abs. 1 Dublin III-VO für die Prüfung seines Asylantrags zuständig ist. Art. 8 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO bestimmt in den Fällen, in denen es sich bei dem Antragsteller um einen unbegleiteten Minderjährigen handelt, dass der Mitgliedstaat zuständiger Mitgliedstaat ist, in dem sich ein Familienangehöriger oder eines der Geschwister des unbegleiteten Minderjährigen rechtmäßig aufhält, sofern es dem Wohl des Minderjährigen dient.

Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Der Antragsteller zu 2 ist im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung minderjährig. Dieser ist auch "unbegleitet" i.S.d. Art. 8 Abs. 1 Dublin III-VO. Nach Art. 2j) Dublin III-VO ist "unbegleiteter Minderjähriger" ein Minderjähriger, der, wie der Antragsteller zu 2, ohne Begleitung eines für ihn nach dem Recht des betreffenden Mitgliedsstaats verantwortlichen Erwachsenen in das Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten einreist, solange er sich nicht tatsächlich in der Obhut eines solchen Erwachsenen befindet.

Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin hält sich der Halbbruder des Antragstellers zu 2, der Antragsteller zu 1, der zwischenzeitlich deutscher Staatsangehöriger ist, auch "rechtmäßig" im Sinne des Art. 8 Abs. 1 Dublin III-VO auf. Unter einem rechtmäßigen Aufenthalt im diesem Sinne fallen jedenfalls alle gültigen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet, freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger oder auch die Staatsangehörigkeit des entsprechenden Mitgliedsstaates (vgl. Filzwieser/Sprung, Dublin III-Verordnung, 2014, Art. 8 K 4; Vogt/Mendez de Vigo, Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Deutschland und Familienzusammenführung durch die Dublin III-VO, JAmt 2019,122). Die Ansicht der Antragsgegnerin, dass die Dublin III-VO nicht anwendbar sei, [wenn] da der Antragsteller zu 2 kein Begünstigter eines internationalen Schutzes sei, ist nicht nachvollziehbar. Der Antragsteller-Vertreter hat zutreffend darauf verwiesen, dass Art. 8 Abs. 1 Dublin III-VO gerade die nicht Eigenschaft als Begünstigter internationalen Schutzes zur Voraussetzung für den Nachzug macht. Durch das Erfordernis des rechtmäßigen Aufenthalts soll sichergestellt werden, dass der Aufenthalt des Familienangehörigen, zu dem der Zuzug für die Durchführung des Asylverfahrens erfolgen soll, jedenfalls von einiger Dauer gesichert ist, damit nicht die Gefahr besteht, dass der Aufenthalt des Familienangehörigen nach dem Zuzug des unbegleiteten Minderjährigen während der Dauer dessen Asylverfahrens möglicherweise beendet wird. Ausgehend hiervon vermittelt gerade die Staatsangehörigkeit des Familienmitglieds des entsprechenden Mitgliedsstaates, hier der Bundesrepublik Deutschland, die denkbar stärkste Form eines rechtmäßigen Aufenthalts. [...]