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LG Ingolstadt

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Zitieren als:
LG Ingolstadt, Beschluss vom 25.09.2019 - 21 T 1150/19 (2) - asyl.net: M27691
https://www.asyl.net/rsdb/M27691
Leitsatz:

Keine Anhörung zur Haft ohne anwaltliche Vertretung bei vorherigem Termin-Aufhebungsantrag:

1. Stellt die anwaltliche Vertretung einen Antrag auf Aufhebung des Anhörungstermins über eine freiheitsentziehende Maßnahme und findet der Termin dennoch und ohne Teilnahme dieser Vertretung statt, so ist die auf dieser Anhörung beruhende Haft rechtswidrig, da ein Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren vorliegt. Ob die anwaltliche Vertretung in anderen Fällen Termine wahrnimmt oder nicht, bleibt ihr überlassen und ist unerheblich.

2. Das Haftgericht darf in seinem Beschluss nicht über das hinaus gehen, was die beteiligte Ausländerbehörde beantragt hat (hier: endgültige Haftentscheidung, obwohl vorläufige beantragt war).

(Leitsätze der Redaktion; unter Bezug auf: BGH, Beschluss vom 27.9.2018 - V ZB 96/18)

Schlagwörter: Abschiebungshaft, Verlängerung, Anhörung, Prozessbevollmächtigte, Rechtsanwalt, Verlegungsantrag, Terminsverlegung, faires Verfahren, einstweilige Anordnung, Hauptsacheverfahren, Terminsaufhebung, faires Verfahren,
Normen: FamFG § 427,
Auszüge:

[...]

1. Das Amtsgericht hätte schon die Anhörung der Betroffenen nicht ohne Anwesenheit des Verfahrensbevollmächtigten durchführen dürfen. Zwar hat der Verfahrensbevollmächtigte wörtlich keinen Verlegungsantrag gestellt, wohl aber hat er beantragt, den Anhörungstermin aufzuheben. Hieraus muss geschlossen werden, dass der Verfahrensbevollmächtigte einen Anhörungstermin hätte wahrnehmen wollen, auch wenn nicht konkret ein Verlegungsantrag gestellt wurde, sondern die Aufhebung des Termins. Nachdem eine Freiheitsentziehung nicht ohne Anhörung des Betroffenen angeordnet werden darf, ist klar, dass bei einer Terminsaufhebung ein anderer Termin bestimmt werden muss. Am Wortlaut des Antrages kann daher so nicht festgehalten werden. Unerheblich ist auch, ob der Verfahrensbevollmächtigte in anderen Fällen Termine wahrnimmt oder nicht. Dies muss ihm im Einzelfall selbst überlassen bleiben.

Verwiesen wird hier insbesondere auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Beschluss vom 27.09.2018 - V ZB 96/18. [...]

2. Aber auch im Übrigen hat die Haftanordnung vom 09.05.2019 die Betroffene in ihren Rechten verletzt.

Die Bundespolizeiinspektion Rosenheim hat nämlich mit Schreiben vom 08.05.2019 beim Amtsgericht Ingolstadt ausdrücklich die "vorläufige Freiheitsentziehung im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 427 i.V.m. §§ 49-57 FamFG" beantragt.

Bei dem angefochtenen Beschluss vom 09. Mai 2019 handelt es sich aber nicht um eine vorläufige, sondern um eine endgültige Haftentscheidung, wie sich schon aus den in der Beschlussbegründung zitierten Vorschriften des FamFG ergibt. § 427 FamFG wurde hier nicht erwähnt. Auch im Beschlusstenor findet sich nichts darüber, dass es sich um eine einstweilige Anordnung oder eine vorläufige Freiheitsentziehung handelt.

Das Haftgericht darf in seinem Beschluss aber nicht über das hinaus gehen, was die beteiligte Ausländerbehörde beantragt. Vorliegend ist dies aber geschehen, so dass unabhängig von der Teilnahme des Verfahrensbevollmächtigten beim Anhörungstermin die Rechtswidrigkeit des Beschlusses vom 09. Mai 2019 festzustellen war. [...]