LG Frankfurt a.M.

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Zitieren als:
LG Frankfurt a.M., Beschluss vom 16.12.2019 - 2-29 T 156/19 - asyl.net: M27990
https://www.asyl.net/rsdb/M27990
Leitsatz:

Rechtswidrige Haft, wenn Luftfahrunternehmen erst drei Tage nach Inhaftierung kontaktiert wird:

Es stellt einen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot dar, wenn das Luftfahrunternehmen erst drei Tage nach der Inhaftierung im Rahmen einer "Fluhafenhaft" kontaktiert wird. Dies gilt besonders, wenn minderjährige Kinder inhaftiert sind (hier: ein neun Monate alter Säugling).

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Flughafenverfahren, minderjährig, Kind, Kleinkind, Beschleunigungsgebot,
Normen: AufenthG § 62, FamFG § 62
Auszüge:

[...]

Wie die Kammer bereits in ihrem Beschluss vom 12.12.2019 (Az. 2-29 T 143/19) hinsichtlich der vorausgehenden, einstweiligen Entscheidung des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 12.08.2019 ausgeführt hat, lag in dem Umstand, dass die antragstellende Behörde erst am 15.08.2019 zwecks Organisation eines nicht sicherheitsbegleiteten Fluges Kontakt zum kostenpflichtigen Luftfahrtunternehmen aufgenommen hatte, ein Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot vor. Der Beschleunigungsgrundsatz prägt jedoch das gesamte Haftverfahren und gilt ab der erstmaligen Beantragung von Haft (vgl. Huber AufenthG/Beichel-Benedetti, 2. Aufl. 2016, AufenthG § 62 Rn. 27). Eine bereits andauernde Haft darf nur aufrechterhalten oder verlängert (bzw. wie hier durch eine Anordnung in der Hauptsache weiter angeordnet) werden, wenn die Behörde die Abschiebung/Zurückweisung/Überstellung mit der größtmöglichen Beschleunigung betreibt (i.d.S. BGH, Beschluss vom 11. Juli 2019 - V ZB 28/18 -, Rn. 7, juris).

Insoweit heißt es im Beschluss der Kammer vom 12.12.2019:

Darüber hinaus lag ab dem 12.08.2019 auch ein Verstoß gegen das in Haftsachen zu beachtende Beschleunigungsgebot vor. [...]

So liegt der Fall hier. Die antragstellende Behörde hat in dem Antrag vom 12.08.2019 ausgeführt, dass die Überstellung nun unter Beachtung der Vorlaufzeit geplant werden könne und hierzu mit dem kostenpflichtigen Luftfahrtunternehmen "heute" Verbindung aufgenommen werde.

Eine solche Verbindungsaufnahme zum kostenpflichtigen Luftfahrtunternehmen ist nach der Verfahrensakte der antragstellenden Behörde jedoch erst am 15.08.2019 erfolgt. Der Akte ist auch nicht zu entnehmen, ob es im Zeitraum 12.08.2019 bis 15.08.2019 anderweitige Versuche gegeben hat, einen Kontakt zu dem Luftfahrtunternehmen aufzunehmen und ob oder warum diese Versuche gescheitert sind. Bereits durch diese verzögerte Kontaktaufnahme ist eine Verfahrensverzögerung eingetreten, für die es keinen plausiblen Grund gab.

Zwar führt die antragstellende Behörde im Beschwerdeverfahren an, dass eine telefonische Kontaktaufnahme mit dem kostenpflichtigen Luftfahrtunternehmen sehr schwierig sei, dies erklärt jedoch nicht, warum ein Kontaktversuch erst mehrere Tage später überhaupt erfolgt ist. Vorliegend lag der antragstellenden Behörde zudem eine Email-Adresse vor, über die am 15.08.2019 eine erfolgreiche Kontaktaufnahme möglich war. Dass diese Emailadresse der antragstellenden Behörde erst am 15.08.2019 bekannt geworden ist, wurde nicht vorgetragen. Weiter werden nach den Ausführungen der antragstellenden Behörde die Abfertigung der Flüge des kostenpflichtigen Luftfahrtunternehmens in Frankfurt am Main durch ein externes Unternehmen übernommen. Auch zu diesem hat die antragstellende Behörde jedoch nach Aktenlage vor dem 15.08.2019 keinen Kontakt aufgenommen. [...]"

Der vorgenannte, seit 12.08.2019 bestehende Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot wirkte auch im Zeitpunkt der hier gegenständlichen Anordnung in der Hauptsache vom 22.08.2019 fort, mit der Folge, dass auch die Haftentscheidung vom 22.08.2019 den Betroffenen in seinen Rechten verletzte. Mangels gegenteiligen Vortrags der Behörde war vorliegend nämlich nicht auszuschließen, dass der vorgenannte Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot zu einer längeren Haftdauer geführt hat und sich auch weiter auf die Haftdauer der hier gegenständlichen Anordnung in der Hauptsache ausgewirkt hat. Dabei war vorliegend zu berücksichtigen, dass sowohl die vorausgehende einstweilige Anordnung als auch die nunmehrige Anordnung in der Hauptsache eine Haftdauer bis 30.08.2019 vorsahen, sodass insofern auch keine zwischenzeitliche Verkürzung der Haftdauer vorlag.

Der amtsgerichtliche Beschluss vom 22.08.2019 war somit wegen des andauernden Verstoßes gegen das Beschleunigungsgebotes als rechtswidrig anzusehen. [...]