OVG Rheinland-Pfalz

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Zitieren als:
OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 20.11.2019 - 7 A 11161/19 - asyl.net: M28093
https://www.asyl.net/rsdb/M28093
Leitsatz:

Beschäftigungsverbot trotz Duldung aus familiären Gründen:

"1. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) ist nicht verletzt, wenn ein Gericht in der mündlichen Verhandlung einen entscheidungsrelevanten Gesichtspunkt nicht erörtert, der jedoch zuvor im Widerspruchsverfahren von den Beteiligten angesprochen worden war (Rn. 4).

2. Ein klageabweisendes Urteil ist nicht deshalb in unzulässiger Weise überraschend, weil das Gericht beim Versuch einer gütlichen Einigung angeregt hatte, den Kläger klaglos zu stellen (Rn. 8).

3. Einem Ausländer, der jahrelang jegliche Mitwirkung bei der Beschaffung von Ausweispapieren verweigert hat, kann ermessensfehlerfrei eine Beschäftigungserlaubnis verwehrt werden (Rn. 16).

4. § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG (juris: AufenthG 2004) ermöglicht die Untersagung einer Beschäftigungserlaubnis an einen Ausländer, der den Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen verhindert, auch dann, wenn er gemäß § 60a Abs. 2b AufenthG (juris: AufenthG 2004) im Besitz einer Duldung ist, weil seinem Kind eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG (juris: AufenthG 2004) erteilt wurde (Rn. 25)."

(Amtliche Leitsätze; entgegen VGH Bayern, Beschluss vom 09.07.2019 - 10 C 18.1082 - asyl.net: M28797)

Schlagwörter: Ausbildungsduldung, Beschäftigungserlaubnis, Mitwirkungspflicht, Kausalität, Arbeitserlaubnis, Beschäftigungsverbot, Schutz von Ehe und Familie, Ermessen, Passbeschaffung, Überraschungsentscheidung, rechtliches Gehör,
Normen: AufenthG § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2, AufenthG § 60a Abs. 2b, AufenthG § 25a Abs. 1, AufenthG § 4 Abs. 2 S. 3, GG Art. 103,
Auszüge:

[...]

25 b) Der Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis an den Kläger steht zudem § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG entgegen.

26 Danach darf einem geduldeten Ausländer die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen nicht vollzogen werden können, die er selbst zu vertreten hat. Die im Bescheid des Bundesamtes vom 29. März 2004 angedrohte Abschiebung des Klägers kann wegen seiner Verweigerungshaltung nicht vollzogen werden. Mit anderen Worten ist sein Verhalten kausal für den Verbleib in Deutschland.

27 Die Kausalität wird nicht dadurch unterbrochen, dass zu Gunsten des Klägers inzwischen die Duldungsvorschrift in § 60a Abs. 2b AufenthG greift. Dieses Abschiebungshindernis tritt neben das auf dem Verhalten des Klägers beruhende Hindernis der tatsächlichen Unmöglichkeit der Abschiebung (§ 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG) und verdrängt es nicht. Für die Anwendung des Verbots in § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG ist es unerheblich, ob das Verhalten des Ausländers die alleinige Ursache für die Nichtvollziehbarkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen ist (vgl. Hailbronner, AuslR, Stand 04.2019, § 60a AufenthG Rn. 138). Etwas Anderes lässt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift nicht schließen. Der Gesetzgeber hätte ohne weiteres klarstellen können, dass er ein Beschäftigungsverbot nur dann für gerechtfertigt hält, wenn das Verhalten des Ausländers für sich allein genommen die Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen verhindert. Der aktuelle Wortlaut lässt auch ein Normverständnis zu, nach dem die Beschäftigung einem Ausländer verboten sein soll, wenn sein Verbleib in Deutschland auf seinem Verhalten und auf anderen Umständen beruht. Für die gegenteilige Auffassung (vgl. etwa Kluth/Breidenbach, in: BeckOK AuslR, Stand 08.2019, § 60a AufenthG Rn. 55; BayVGH, Beschluss vom 9. Juli 2019 – 10 C 18.1082 –, Rn. 8; offen OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 4. September 2018 – OVG 3 M 1.18 –, Rn. 2; beide juris) fehlen stichhaltige Gründe. Sie lassen sich dem in Bezug genommenen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 18. Januar 2006 (– 18 B 1772/05 –, juris) nicht entnehmen. Der Beschluss befasst sich mit der Frage, ob ein Verhalten gegenwärtig kausal für die Verhinderung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sein muss. Dabei wird die Auffassung vertreten, wenn der Betreffende sein Verhalten geändert habe und an einer Passbeschaffung mitwirkte, er aber gleichwohl nicht abgeschoben werden könne, bestehe kein von ihm zu vertretendes Abschiebungshindernis mehr. Es wird aber ergänzt, dass ein Versagungsgrund vorliegen könne, wenn Verletzungen der Mitwirkungspflicht zwar in der Vergangenheit lägen, aber noch fortwirkten und aufenthaltsbeendende Maßnahmen weiterhin hinderten. (a.a.O., Rn. 66). So liegt es hier. Selbst wenn man annimmt, dass das Verhalten des Klägers aktuell keine Wirkung entfaltet, so verhindert es doch weiterhin zusätzlich aufenthaltsbeendende Maßnahmen. Dabei ist das zeitliche Zusammenspiel der Duldungsgründe von Bedeutung. Das Verhalten des Klägers hat nicht auf unabsehbare Zeit seine Wirkung für Maßnahmen zur Beendigung seines Aufenthalts verloren. Die Duldung nach § 60a Abs. 2b AufenthG endet spätestens mit der Volljährigkeit der Kinder, von denen er sein Bleiberecht ableitet; das ist nach den vorliegenden Unterlagen am ... 2020 der Fall. Von da an wirkt sich seine Verweigerungshaltung wieder unmittelbar aus. [...]